Börsen-Unwort des Jahres 2010: „Euro-Rettungsschirm“

Bereits zum zehnten Mal verkündeten Wertpapierhändler, Makler und Analysten der Börse in Düsseldorf das Börsen-Unwort des Jahres. Seit dem Jahr 2001 wird es, in Anlehnung an das Unwort des Jahres, gewählt. 2010 lautet das Börsen-Unwort „Euro-Rettungsschirm“. Kritisiert werden sowohl Wortwahl als auch Wortbildung – sie könnten falsche, sogar illusionäre Assoziationen wecken. Es handle sich eher um eine „Notkreditlinie auf Zeit“.

Geschaffen Anfang 2010 stehe der Euro-Rettungsschirm bereit, Staaten in finanzieller Not helfen, Märkte, Investoren und Bevölkerung zu beruhigen und Spekulanten abzuschrecken. Spätestens seit der Rettungsaktion für Irland Ende November 2010 sei der Euro-Rettungsschirm in aller Munde. Doch der Begriff scheine in doppelter Weise ungeeignet zu sein:

Zunächst bezeichnet Rettung die Beendigung einer Notlage oder das Entkommen aus einer gefährlichen Situation. Ist die Rettung erfolgt, geht das Leben glücklich weiter wie zuvor. Davon kann beim Euro-Rettungsschirm keine Rede sein. Die Hilfestellung ist zeitlich begrenzt und muss vom Empfänger zurückgezahlt werden, wobei teilweise unklar ist, ob und wie dies gelingen kann. Ohne Rückzahlung würde es sich schon eher um eine Rettung handeln, da dann die Verpflichtungen des Geretteten tatsächlich erledigt wären.

Außerdem ist nicht klar, um welche Art Schirm es sich handeln soll. Ist es eine Art Regenschirm, so ist die Kombination mit Rettung zumindest ungewöhnlich. Regen kommt meist in Schauern oder seltener als andauernder Wasserfall von oben. Der Regen hört früher oder später auf und die Sonne scheint wieder. Beim Euro-Rettungsschirm bleiben die Schulden übrig. Oder handelt es sich um einen Rettungsschirm für Fallschirmspringer? Unter diesen kann man nicht einmal schlüpfen, denn im Fall der Fälle hängt man daran. Definitorisch eng ist er sogar gar kein Notschirm, da die Nichtöffnung des normalen Schirmes nur als Störung und nicht als Notfall bewertet wird. Auch das passt in keiner Weise auf die vertrackte Situation der Euro-Rettungsschirmnutzer.

Einfacher und näher an der Sache wäre es, den „Euro-Rettungsschirm“ als Notkreditlinie auf Zeit für bis über die Ohren verschuldete Staaten zu bezeichnen.

Nachfolgend eine Liste der bisherigen Börsen-Unwörter:

2009: „Bad Bank“
2008: „Leerverkauf
2007: „Subprime
2006: „Börsen-Guru“
2005: „Heuschrecken“
2004: „Seitwärtsbewegung“
2003: „Bester Preis“
2002: „Enronitis“
2001: „Gewinnwarnung“

[Text: Jessica Antosik. Quelle: Pressemitteilung Börse Düsseldorf, 18.01.2011. Bild: Börse Düsseldorf.]