Die Wochenzeitung Die Zeit porträtiert die in Dresden geborene und aufgewachsene Ruth Levy-Berlowitz (85), die im Jerusalemer Eichmann-Prozess als Gerichtsdolmetscherin tätig war. Adolf Eichmann war in der Nazizeit Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt. Ab 1961 stand er in Israel als einer der Verantwortlichen für die Judenverfolgung vor Gericht, wurde dort zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Levy-Berlowitz hatte 1952 in Genf die Dolmetscherschule abgeschlossen und war 35, als der Prozess begann. Sie übersetzte aus dem Hebräischen, Englischen und Französischen ins Deutsche. Im Artikel heißt es:
Es gab mehrere Übersetzerteams im Gerichtssaal. Zunächst jenes, das Zeugenaussagen, Statements des Richters sowie Einlassungen Eichmanns und seines Verteidigers ins Hebräische übertrug, in die Prozesssprache. Zudem wurde ins Englische und ins Französische übersetzt. Sowie ins Deutsche, das war die Aufgabe von Ruth Levy-Berlowitz, die sie sich mit einem aus Wien stammenden Kollegen teilte. […]
Die Stimme versagte ausgerechnet am 11.April 1961, dem Morgen des ersten Prozesstages. »Ich bekam hohes Fieber und eine Mandelentzündung. Meine Stimme war weg«, sagt die Übersetzerin. »So etwas ist mir vorher noch nie und nachher nie wieder passiert. Ich bin sicher, dass es psychosomatische Ursachen hatte.« Nach einer Woche konnte sie ihren Platz in der Kabine einnehmen.
Es sei angesichts der emotionalen Belastung nicht leicht gewesen, so Levy-Berlowitz, in diesem Verfahren zu dolmetschen. Das Simultandolmetschen helfe aber dabei, dass sich das Gehörte nicht im Gedächtnis festhaken könne. Man sei darauf konzentriert, die richtigen Worte zu finden und das Tempo einzuhalten. Sie habe sich auf die Tonlage der Zeugen eingestellt, aber auch versucht, deren Emotionalität ein wenig abzuschwächen. Es wäre aber unangebracht gewesen, vollkommen seelenlos und sachlich zu sprechen.
Abends, nach Prozessende, suchten die Dolmetscher gemeinsam eine andere Form der Entlastung, etwas Normales. »Ich war noch nie in meinem Leben so oft in Bars wie in dieser Zeit«, sagt die Frau heute. Sie beschloss, nie wieder solch eine Aufgabe zu übernehmen.
Den vollständigen Artikel können Sie auf der Website der Zeit lesen.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Die Zeit, 2011-04-21.]