Die Hauptarbeitsfelder von Prof. Dr. Joachim Herrgen (Bild rechts) sind die „Sprache-und-Politik-Forschung“ (insbesondere semantische Veränderungen im Deutschen durch die Französische Revolution) und die „Regionalsprachenforschung“. Der zweite Themenbereich beschäftigt sich mit der Dynamik der Regionalsprachen des Deutschen. Diese areallinguistischen Forschungen betreibt der Sprachwissenschaftler im institutionellen Rahmen des Forschungsinstituts „Deutscher Sprachatlas“.
Joachim Herrgen, 1954 in Speyer geboren, ist am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Uni Marburg tätig und weiß, wo man für „Kleid“ das Wort „Klaad“ oder „Kload“ sagt. Er interessiert sich für die Aussprache von Wörtern, ihren Bedeutungen und den Satzbau. Außerdem geht er dem sprachlichen Wandel auf die Spur und der Frage nach, wie sich Sprache verändert. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die Dialekte, die sich nicht an die Regeln der Grammatik halten würden und aus diesem Grund „ein lebendiger Gegenstand [sind], an dem wir den Sprachwandel empirisch untersuchen können“.
Herrgen, stellvertretender Direktor des Zentrums sowie Dekan des Fachbereichs Germanistik und Kunstwissenschaften der Universität Marburg, ist das „Wir“ äußerst wichtig, da die Projekte nur im Team realisierbar seien. Das Ziel der Forscher ist es, herauszufinden, wie es klingt, wenn die Deutschen sprechen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. „Was die Leute heutzutage reden, ist ja nicht mehr der Dialekt wie vor 100 Jahren, und doch hört man bei vielen noch einen gewissen regionalen Einschlag“, so Herrgen. „Sie können etwa hören, dass ich Pfälzer bin, aber trotzdem spreche ich keinen Pfälzer Bauerndialekt.“ Bei dem Projekt „Regionalsprache.de“ (REDE) werden die verschiedenen deutschen Mundarten untersucht und die Ergebnisse auf einer Internetplattform dokumentiert.
Georg Wenkers „Sprachatlas des Deutschen Reichs“ (Erhebungszeitraum 1876-1887) ist der umfangreichste Sprachatlas überhaupt. Der Bibliothekar Wenker nahm sich vor, alle Dialekte der deutschen Sprache kartographisch darzustellen. Dafür sammelte er verschiedene Dialektformen aus etwa 50 000 Orten. Es entstand ein Atlas mit 1611 von Hand gezeichneten Karten. Herrgen ist Projektleiter des aktuell laufenden Forschungsprojekts „Digitaler Wenkeratlas“ (DiWA) Karten und Tonaufnahmen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands sind online zugänglich. Ferner ist es möglich, die Mundarten von heute und von vor 100 Jahren zu vergleichen.
Doch wie entwickeln sich die Mundarten weiter? „Ich glaube nicht, dass der Dialekt komplett ausstirbt“, sagt Herrgen. „Aber was wohl verloren geht, sind die kleinen, lokalen Dialekte.“ Grund dafür seien die Schulpflicht sowie das Radio und das Fernsehen, wo hauptsächlich Hochdeutsch gesprochen wird. Dies habe auf die Menschen und ihre Sprache großen Einfluss.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: uni-marburg.de; n-tv.de. Bilder: uni-marburg.de.]