Am 7. Juli 2011 hielt Dr. Maribel Cedeño von der Universität Siegen einen Gastvortrag am Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK Germersheim) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zum Thema „Filmsynchronisation und Untertitelung für ein hispanoamerikanisches Publikum. Venezuela als exemplarischer Fall“.
Kurz einige Informationen zu Dr. Maribel Cedeño Rojas: Sie ist in Caracas (Venezuela) geboren, studierte Übersetzen und Dolmetschen an der Universidad Central de Venezuela (UCV) und ist seit dem Jahr 2000 als Übersetzerin audiovisueller Medien tätig. Sie unterrichtete Fachübersetzen und Jugendsprache in Deutschland an der UCV und ist Lektorin für Spanisch an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, an der ihre Dissertation entstand.
Die Mischung des Spanischen und Englischen in Filmen stieß weltweit auf Kritik. Die Kubaner waren die Ersten, die sich gegen Filme in englischer Sprache aussprachen. In Italien, Mexiko und Ungarn wurden fremdsprachige Filme sogar per Gesetz verboten. In der Tschechoslowakei allerdings wurden im Jahre 1930 in den Kinos sogar deutsche Filme gezeigt. In den 30er-Jahren entstanden in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, erste Tonfilme mit Dialogen in spanischer Sprache und damit wurde ein hispanoamerikanischer Filmmarkt geschaffen. Ende der 30er-Jahre gab es dort mehr Sprech- als Stummfilme.
Da die USA viele Kinos in Venezuela gekauft haben, werden US-amerikanische Filme meist synchronisiert. Nicht erfolgreiche Film dagegen werden häufig nur untertitelt. Originalfilme mit Untertiteln sowie die synchronisierte Version und die reinen Originalfilme werden zu verschiedenen Uhrzeiten in Venezuela vorgeführt.
Nun zum technischen Aspekt der Filmsynchronisation. Der Übersetzer bekommt den Film und muss diesen in eine andere Sprache übertragen, der wiederum von Synchronschauspielern besprochen wird. Der Übersetzer muss auf die Aussprache ausländischer Namen, auf Pausen und vor allem bei Großaufnahmen auf die Lippensynchronität achten. Somit hat der Übersetzer die Aufgabe, einerseits den Sinn des Ausgangstextes wiederzugeben und andererseits die Lippenbewegungen im Hinterkopf behalten. Den Darstellern soll der Text nämlich „auf die Lippen geschrieben“ werden. Im Anschluss an die Aufnahme wird eine Qualitätsprobe durchgeführt, in der ein Publikum „probeschaut“ und ggf. Korrekturen vorgenommen werden.
Die Vorgehensweise bei der Untertitelung unterscheidet sich von der der Filmsynchronisation. Eine Gemeinsamkeit liegt in der Überwindung hörbarer Sprachbarrieren und im kulturellen Transfer. Der Übersetzer erhält das Videomaterial auf DVD oder CD und die Texte werden ihm zusätzlich per E-Mail zugeschickt. Früher wurden ihm die ausgedruckten Texte ausgehändigt. Mit einem bestimmten Programm arbeitet der Übersetzer an dem Zieltext. Hierbei muss er die Ein- und Ausblendezeit der Untertitel sowie die Textmenge beachten, damit der Zuschauer den Untertiteln mühelos folgen kann. Die Sätze sollten klar strukturiert, leicht verständlich sein und nebeneinander gereiht werden. Das Layout, d.h. die Größe oder beispielsweise die Farbe der Untertitel, spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Ferner muss die Platzierung der Untertitel berücksichtigt werden. Diese sollten nicht mitten auf dem Gesicht des Schauspielers zu lesen sein. Ist der Übersetzer damit fertig, simuliert er das Endprodukt und schaut, ob die Untertitel zu lang oder kurz sind oder ob der Inhalt des Zieltextes mit dem des Ausgangstextes übereinstimmt. Des Weiteren darf es nicht zu Überschneidungen der Untertitel kommen. Die Untertitelung ist, im Gegensatz zur Synchronisation, kostengünstig, schnell realisierbar und wird aus diesen Gründen oft angewandt. Die Nachteile in Untertiteln liegen darin, dass sie teilweise als störend empfunden werden und von der Handlung des Films ablenken.
Spanisch ist Amtssprache in über 20 Ländern. Somit existieren viele Varietäten des Spanischen. Es gibt unzählige Akzente und Regionalismen. Das Spanisch, das in Spanien gesprochen wird, weicht in der Intonation, Morphologie, Lexik etc. vom hispanoamerikanischen Spanisch ab. Untertitel und synchronisierte Filme sollten aber weder Regionalismen aus Spanien noch aus Hispanoamerika enthalten. Die Filme sollen nämlich einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden können.
Es gestaltet sich schwierig, einen Film ins Spanische zu untertiteln oder zu synchronisieren, da sich die Frage stellt, welche Varietät des Spanisch gewählt werden soll. Aus diesem Grund wurde ein Kompromiss zur überregionalen Verständigung gefunden. Man bedient sich eines sog. „español neutro“, ein Standardspanisch, das das Ergebnis eines Neutralisierungsprozesses sowie plurivalent ist. Alle Personen, ob gebildet oder ungebildet, arm oder reich, sollten dieses Spanisch problemlos verstehen können, da es keine regionalen Elemente enthält. Der argentinische „yeísmo“ beispielsweise wird gemieden.
Dennoch gibt es ein Problem, und zwar hört sich das „español neutro“ künstlich an, weil es von niemandem gesprochen wird. Die Übersetzer sollen sich an eine Liste mit Tabuwörtern halten, um so auf regional markierte Begriffe zu verzichten. Wörter, die in anderen spanischsprachigen Ländern bestimmte Konnotationen haben, sollen nicht benutzt werden. Dies ist zum Beispiel bei dem Wort „coger“ der Fall, das in einigen Ländern Südamerikas sexuelle Konnotationen hat, in Spanien allerdings „greifen“ oder „nehmen“ bedeutet. Stattdessen wird im Film und Fernsehen die Verwendung der Verben „tomar“ oder „agarrar“ bevorzugt.
Die empfohlenen Wörter sind zum Teil erfunden. Dies verdeutlicht das nachfolgende Beispiel: Statt „sándwich“ soll das Wort „emparedado“ für ein „Sandwich“ benutzt werden, obwohl „sándwich“ überall verbreitet ist und verstanden wird. Um Anglizismen allerdings aus dem spanischen Wortschatz zu verbannen, werden künstliche Begriffe geschaffen, die nur in Untertiteln vorkommen und in der Alltagssprache sonst von niemandem benutzt werden.
Es wird also zwangsweise eine überregionale Lösung gesucht. Weil Mexiko das größte hispanophone Land mit 100 Millionen Sprechern ist, gefolgt von den USA, Spanien, Kolumbien und Argentinien, kennzeichnet sich das neutrale Spanisch insbesondere durch das mexikanische Spanisch.
Da es sich bei der Sprache des Ausgangstextes oft nicht um eine Standardsprache, sondern um einen Dialekt handelt, kann in diesem Fall keine Äquivalenz geschaffen werden. Denn wenn Dialekte der Ausgangssprache mit dem „español neutro“ übersetzt werden, in dem es keine Mundarten gibt, geht oftmals der Witz verloren. Die Bedeutung des Gesagten wird verändert und somit erhalten letztlich auch die Figuren im Film einen anderen Charakter. Werden Schimpfwörter, die eine sonst eher zurückhaltende, nette Person benutzt, abgeflacht, werden dem Zuschauer bestimmte, wichtige Aspekte vorenthalten, weshalb man auch durchaus von einer Zensur sprechen kann.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: Vortrag am FTSK Germersheim, 07.07.2011; amazon.de. Bild: ktsdesign/Fotolia.]