Schafft Deutschland seine Sprache ab?

Normalerweise geht das Verschwinden einer Sprache mit dem Verschwinden seines Volkes einher. Heute jedoch verschwindet die Sprache oftmals vor dem Volk. Auch in Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab gibt es eine Passage, die diese These unterstützt. In einem Zukunftsszenarium schreibt er über ein wissenschaftliches Gutachten aus dem Jahre 2017, das von unserer Realität eingeholt wurde. Darin heißt es, „dass es Ausdruck einer latent faschistoiden Gesinnung mit rassistischen Anklängen sei, wenn Deutsche einen Vorrang der deutschen Sprache forderten“. Dieser Vorwurf ist jedoch schon seit Jahren aktuell.

Erstaunlich ist, dass deutsche Sprachwissenschaftler und Politiker teilnahmslos zusehen, wie sich die deutsche Sprache abschafft. Die Zahl der Anglizismen in der deutschen Sprache beläuft sich auf etwa 7.300 – Tendenz steigend. Jährlich kommen über 100 neue Anglizismen hinzu. Der Schaden an unserer Muttersprache liegt also insbesondere an der Amerikanisierung des deutschen Wortschatzes. Einige sehen dies als harmlose Modeerscheinung. Fakt ist jedoch, dass Angloamerikanismen zunehmend deutsche Wörter verdrängen. Ein Anglizismus vernichtet dabei eine Vielzahl deutscher Wörter. Dies zeigt das nachfolgende Beispiel: Das Wort „Performance“ ersetzt u.a. die Wörter „Ausführung“, „Durchführung“, „Aufführung“, „Vorstellung“, „Darstellung“, „Umstand“, „Leistung“ und „Effizienz“. Doch diese Entwicklung fällt kaum jemandem auf. Geburtstagsgrüße, Begrüßungen, Verabschiedungen und Liebeserklärungen werden selbstverständlich nur noch auf Englisch ausgesprochen. Zudem sind Willkommensgrüße auf der Fußmatte auf Englisch. Im Bereich des Sports bzw. der Freizeit sind englische Wörter ebenfalls in unserem Wortschatz enthalten. Dies verdeutlichen die Begriffe „Wellness“, „Fitness Center“, „Nordic Walking“, „Beach Volleyball“ etc. So gehen die deutschen Entsprechungen verloren.

Auch in den Medien ist der inflationäre Gebrauch von Angloamerikanismen gang und gäbe. Zudem werden bestimmte Begriffe wie beispielsweise „Hawaii“ und „Tawain“ englisch ausgesprochen. Dies zeigt die Entfremdung von der eigenen Sprache und die Selbstverständlichkeit des Gebrauchs einer fremden Sprache.

Nun stellt sich somit die Frage: Ist die deutsche Sprache tatsächlich in Gefahr? Wird sie verschwinden? Werden immer mehr Waren und Dienstleistungen angeboten, die keine deutsche Bezeichnung mehr haben? Wird die Fremdsprache Englisch zur zweiten Landessprache Deutschlands?

Der Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomie, Prof. Dr. Helmut Seitz, erklärte in der Deutschen Sprachwelt Folgendes:

Die deutsche Sprache brauchen wir nicht mehr. Ich bin dafür, alles in englischer Sprache zu machen. Goethe, Schiller und die anderen Schreiberlinge kann man auch auf Englisch lesen. (Ich habe Hesse nur in amerikanischen Übersetzungen gelesen. Kann nur sagen: Prima.) […] Raus aus der Provinz, rein in die globalisierte Welt. Mit der deutschen Sprache können unsere Studenten nur noch Kanzler werden! […] Auch die Sprache unterliegt einem Globalisierungsdruck, und ein Wehren gegen die Internationalisierung ist gleichzusetzen der Maschinenstürmerpolitik im letzten Jahrhundert!

Der CDU-Politiker Michael Fuchs forderte im Jahr 1999 dazu auf, Englisch bis 2010 als zweite Amtssprache in Deutschland einzuführen.

Günther Oettinger, der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, erklärte Ende 2005 in dem Dokumentationsfilm „Wer rettet die deutsche Sprache?“ des Südwest-Rundfunks:

Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber – Englisch wird die Arbeitssprache. Deswegen haben wir in Baden-Württemberg ab der Grundschule, 1. Klasse, Englisch eingeführt.

Wollen die Deutschen jedoch ihre Sprache überhaupt erhalten? Oder ist Deutschland drauf und dran, seine Sprache abzuschaffen? Der französische Linguist Claude Hagège ist der Ansicht, dass eine Sprache dann zum Niedergang verurteilt ist, wenn die politische Klasse eines Volkes diese nicht mehr als Kommunikationsmittel einsetzt.

Peter Ramsauers Bestrebungen, in seinem Bundesverkehrsministerium alle Anglizismen zu verbannen, sind natürlich zu begrüßen. Auf der anderen Seite aber ist dies auch ein Zeichen für die weite Verbreitung der Angloamerikanismen in der Regierung. Wenn deutsche Parteien im Wahlkampf zudem mit englischen Sprüchen ihre Wähler gewinnen möchten, verraten sie in gewisser Weise die deutsche Sprache. Es bleibt fraglich, ob die Sprachentwicklung rückgängig gemacht werden kann.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: Deutsche Sprachwelt, Ausgabe 44, Sommer 2011, S. 3. Bild: Wikipedia.]