Durch offene Grenzen, Urlaubs-, Arbeits- oder Studienaufenthalte im Ausland sowie die Anwesenheit von Migranten und Flüchtlingen nimmt die Zahl binationaler Partnerschaften zu. Entsprechend steigt auch die Zahl der Kinder in Deutschland immer weiter, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen. Mehrsprachigkeit gehört für viele Familien zum Alltag und ist keine Seltenheit mehr. Von den meisten wird es als eine Bereicherung angesehen, mit zwei oder auch mehreren Sprachen aufzuwachsen. Schließlich fällt es Kindern leichter, Sprachen zu erlernen als Erwachsenen. Des Weiteren werden über die Sprache auch Traditionen, Werte und Verhaltensregeln vermittelt.
An dieser Stelle möchte ich einen Bogen zu denjenigen Personen schlagen, deren Werkzeug die Sprache ist: Autoren. Mehrsprachige Schriftsteller gehen unterschiedlich an ihre Arbeit heran: Einige schreiben auf Deutsch, andere in ihrer Erstsprache, die nicht in jedem Fall mit ihrer Muttersprache übereinstimmt. Oder aber sie verfassen ihre Texte in einer Mischung aus mehreren Sprachen. Allerdings schreiben nur wenige zeitgenössische Autoren mit Migrationshintergrund in Österreich, auf die ich in diesem Artikel näher eingehen möchte, in zwei oder mehr Sprachen.
Eine von ihnen ist Zwetelina Damjanova-Ortega. Für die in Sofia (Bulgarien) geborene Schriftstellerin und Übersetzerin ist Bulgarisch ihre Erstsprache, Deutsch sieht sie jedoch als ihre „stärkste Sprache“ an. Ferner spricht sie Spanisch. Früher übersetzte sie ihre Texte ins Deutsche. Doch heute ist dies für sie eine „Selbstzensur“, weshalb sie jetzt mehrsprachig schreibt. Vor fünf Jahren habe sie entschieden, ihre Mehrsprachigkeit, die zu ihrer Identität gehöre, in ihren Texten zu thematisieren. „Ich habe die Mehrsprachigkeit als Stilmittel entdeckt“, erklärt die 42-Jährige. Somit weise sie auch auf ihren inneren Konflikt mit den Sprachen hin.
Julya Rabinowich ist ganz anderer Meinung. Die Autorin, Dramatikerin, Malerin und Simultandolmetscherin schreibt nicht mehrsprachig. „Ich habe einen ausgesprochenen Widerwillen, Sprachen innerhalb eines Textes zu vermengen.“ Bereits im Alter von zwölf Jahren fing sie an, ausschließlich auf Deutsch zu schreiben. Derzeit arbeitet sie nach den Romanen Spaltkopf und Herznovelle an ihrem dritten Buch. Bei diesem handle es sich, wie schon bei den Romanen zuvor, um eine Untersuchung von Fremdheit: „eine selbst gewählte, allerdings eine aus innerer Zerrissenheit selbst gewählte Fremdheit“. Rabinowich, 1970 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren, kam 1977 aus der Sowjetunion nach Wien. Von 1993 bis 1996 studierte sie Dolmetschen an der Universität Wien und von begann 1998 ein Studium an der Universität für Angewandte Kunst Wien mit Schwerpunkt Malerei und Philosophie, das sie 2006 mit dem Diplom abschloss. Seit 2006 arbeitet sie mit Flüchtlingen im Rahmen von Psychotherapiebehandlungen als Dolmetscherin für das Integrationshaus Wien und den Diakonie Flüchtlingsdienst.
Dimitré Dinev ist 1968 in Plowdiw (Bulgarien) geboren und flüchtete im Jahre 1990 aus Bulgarien nach Österreich, wo er sich die folgenden Jahre mit Gelegenheitsjobs durchschlug und in Wien Philosophie und russische Philologie studierte. Seit 1991 schreibt er in deutscher Sprache Drehbücher, Erzählungen, Theaterstücke und Essays. Nach der Veröffentlichung einiger Kurzgeschichten und dem Literaturpreis „Schreiben zwischen den Kulturen“ erschien 2001 sein erster Roman Die Inschrift. Seinen literarischen Durchbruch schaffte er 2003 mit seinem Familienroman Engelszungen, der europaweit mit großem Interesse aufgenommen wurde. Dinevs Werke sind inzwischen in fünfzehn Sprachen übersetzt worden. „Eine erstaunliche Karriere“, so Germanist Hannes Schweiger, der zu Literatur und Migration forscht. „Dinev hat zweifellos zur verstärkten Wahrnehmung zugewanderter Autoren, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, beigetragen.“ Der Schriftsteller, Theater- und Drehbuchautor Dinev thematisiert seinen Weg in die neue Heimat und in die deutsche Sprache in dem Essay In der Fremde schreiben. Die deutsche Sprache ist nun seine neue Heimat: „Sollte man also eines Tages doch in der Fremde weiterschreiben oder auch erst damit beginnen , dann hat man das begriffen, was jeder Autor irgendwann erfährt, nämlich, dass das Wort seine Heimat ist.“
[Text: Jessica Antosik. Quelle: diepresse.com, 13.09.2011; goethe.de; wikipedia.de. Bild: Dr. Marcus Gossler (Wikipedia).]