Brigitte Rapp zu 30 Jahre Übersetzergemeinschaft in Österreich

Logo ÜbersetzergemeinschaftIn einem Gespräch fasst Brigitte Rapp, die Geschäftsführerin der österreichischen Interessengemeinschaft von Übersetzerinnen und Übersetzern literarischer und wissenschaftlicher Werke (kurz: Übersetzergemeinschaft), die Meilensteine in der 30-jährigen Geschichte der Interessenvertretung zusammen und gibt einen Überblick über die gegenwärtige sozialökonomische Lage literarischer Übersetzer. Sie berichtet unter anderem über die Zusammenarbeit mit Verlagen, über das Honorar und die Wertschätzung von Übersetzern in Österreich.

Nachfolgend Auszüge aus dem Interview:

Wie ist denn derzeit die rechtliche, soziale und ökonomische Lage von Übersetzern in Österreich?
Rechtlich sind wir durch das Urheberrecht im Prinzip einigermaßen gut geschützt. Allerdings mangelt es uns, wie vielen anderen freien, kreativen Berufen, deutlich an Durchsetzungskraft, sodass eigentlich die Auftraggeber diktieren, wie unsere Arbeitsbedingungen aussehen.

Das führt zu einer eklatanten Schieflage zwischen der Arbeit, die wir leisten, gemessen in Arbeitszeit und Investitionen, und dem, was wir damit verdienen können. Unterm Strich gehen sich da Stundenhonorare von vielleicht 10 Euro aus, vor Abzug der Steuer und Sozialversicherung, wohlgemerkt. Dass davon auf Dauer niemand leben kann, ist klar, leider auch, dass wir uns darin in nichts von anderen künstlerischen Berufen unterscheiden, deren Einkommen „gering und für einen Großteil der KünstlerInnen unregelmäßig und schwer planbar“ sind, wie die vom BMUKK 2008 in Auftrag gegebene Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ erhoben hat.

Wenn man sich nicht gerade für ein Leben in Askese entscheidet, bedeutet das in der Regel, dass man einen Teil des Einkommens, oft den überwiegenden, aus anderen Tätigkeiten als dem Literaturübersetzen beziehen muss. […] Wer trotz der schwierigen Rahmenbedingungen bei diesem Beruf bleibt, muss damit rechnen, sozial unzureichend abgesichert und von Altersarmut bedroht zu sein – leider auch etwas, das typisch für alle künstlerischen Berufe ist.

Wie sieht der Markt für Übersetzern derzeit in Österreich aus? Und wie schlägt sich der wirtschaftliche Druck, unter dem Verlage stehen, auf die Übersetzungsarbeit nieder?
Man kann im Grunde nicht von einem österreichischen Markt für ÜbersetzerInnen sprechen. Es gibt nur wenige Verlage, die regelmäßig Übersetzungen veröffentlichen, bei weitem nicht genug, um mehr als einige wenige ÜbersetzerInnen auszulasten. Unsere Aufträge kommen viel öfter von deutschen Verlagen oder von anderen Auftraggebern als Verlagen.

Der wirtschaftliche Druck schlägt sich insofern nieder, als Übersetzungen gar nicht zustande kommen, weil die Verlage sie nicht finanzieren können. Oder der Auftrag wird an die Bedingung geknüpft, dass die Übersetzerin oder der Übersetzer sich um Förderungen kümmert, das Honorar also quasi selbst herbeischafft. Gelegentlich kommt es auch zu recht kreativen Vertragsgestaltungen, die den Übersetzern einen Gutteil des unternehmerischen Risikos aufbürden. Wogegen wir uns natürlich wehren.

Hinsichtlich der Errungenschaften der Übersetzergemeinschaft äußert sich Brigitte Rapp folgendermaßen:

Wir bieten eine breite Palette von Information, Beratung, Erfahrungsaustausch und Weiterbildung an. […] Einmal im Jahr führen wir ein Übersetzerseminar durch, bei dem sich gewissermaßen die Branche trifft. Das dient nicht nur der fachlichen Auseinandersetzung und Weiterbildung, sondern hat auch eine integrative Funktion für die Sparte, vor allem durch die Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen. […]

Die Einführung dieses Übersetzerseminars vor inzwischen 27 Jahren ist zweifellos der erste wichtige Meilenstein in der Geschichte der Übersetzergemeinschaft, gefolgt von der Einführung des Österreichischen Staatspreises für literarische Übersetzung, der seit 1985 alljährlich an eine/n österreichische/n Übersetzer/in und an eine/n fremdsprachige/n Übersetzer/in vergeben wird, und der Übersetzerförderung, die vor allem Arbeits- und Reisestipendien zur Verfügung stellt. […]

Ein wichtiger Erfolg wurde 2002 auf juristischer Ebene erzielt, in einem jahrelangen Prozess gegen den ORF, den unser Vorsitzender Werner Richter führte, weil in einer Radiosendung lange Passagen aus einer seiner Übersetzungen zitiert wurden, er als Übersetzer aber ungenannt blieb. Das höchstrichterliche Urteil, das unser Recht auf Namensnennung auch in Zitaten bestätigt hat, hat die Präsenz von Übersetzernamen in den Medien deutlich erhöht.

Und was sind die nächsten Punkte auf der Agenda?
Auf der Agenda stehen Empfehlungen zum Umgang mit E-Book-Rechten, Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit von ÜbersetzerInnen und Übersetzungen, die Frage von Qualitätsbewusstsein und Qualitätssicherung in der Übersetzung, und im Rahmen des Kulturrat Österreich die Weiterentwicklung des Sozialrechts und das Urhebervertragsrecht.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: buecher.at, 19.09.2011. Bild: Übersetzergemeinschaft.]