Dolmetscher Jan Klinghammer im Gespräch

In einem Interview mit der Tageszeitung Märkische Allgemeine berichtet der aus Teltow (Brandenburg) stammende Dolmetscher Jan Klinghammer, dessen Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Russisch sind, über seinen Beruf.

Auf die Frage, warum ihm die russische Sprache besonders am Herzen liegt, sagt Klinghammer: „Ich bin in Sachsen geboren und in der ehemaligen DDR war das Erlernen der russischen Sprache ab der fünften Klasse ja obligatorisch. […] In der Gorbatschow-Ära habe ich mit meinen Eltern Russland mehrmals besucht und mit 15 oder 16 Jahren wusste ich bereits, dass ich Dolmetscher werden will.“

Zu seinen Arbeitssprachen äußert er sich wie folgt: „Ich schätze, dass 70 Prozent meiner Arbeit mit der englischen Sprache zu tun hat, 30 Prozent mit der russischen, mit der ich emotional aber sehr viel enger verbunden bin. […] In der EU und der Diplomatie spielt Französisch […] eine wichtige Rolle. Deshalb bereue ich schon, diese Sprache nicht gelernt zu haben. Aber für den Beruf ist das jetzt zu spät.“

Die Frage, was für ihn im Beruf besonders wichtig ist, beantwortete er folgendermaßen: „Für mich als Dolmetscher ist es entscheidend, eine oder zwei Sprachen perfekt zu beherrschen. Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass Dolmetscher ganz viele Sprachen sprechen können. Das ist nur in Ausnahmefällen so.“

Ferner erklärt Jan Klinghammer Folgendes über den Dolmetscherberuf: „Neben politischen Konferenzen und Gesprächen dolmetsche ich auch bei Fachtagungen. Wenn es dann um Fragen einer bestimmten Schweißtechnik bei Metallen oder andere komplizierte Sachverhalte geht, wird’s heikel. Bei solchen Themen muss ich im Vorfeld mehrere Tage Vokabeln pauken, um den Gesprächen folgen zu können. Es ist eine Illusion, dass man eine Fremdsprache vollständig und für alle Lebensbereiche beherrscht.“

Der Dolmetscher sagt, wie er reagiert, wenn in einer emotionalen politischen Verhandlung ein Kraftausdruck fällt: „Das kann schon vorkommen. Wenn ich dann übersetzen soll, ist meine Devise: Einen Gang runterschalten. Es geht beim Dolmetschen darum, die Intention des Gesprächspartners zu erfassen. Ich würde einen Kraftausdruck nicht wörtlich übersetzen, sondern deutlich machen, dass der Minister XY über eine Situation „außerordentlich verärgert“ ist.“ Als Dolmetscher müsse er die kulturellen Unterschiede beachten, weshalb es sich dabei nicht um eine Verfälschung handle. „Einen spontanen Kraftausdruck wörtlich zu übersetzen, könnte ernste Folgen für ein Gespräch haben oder würde von der jeweils anderen Seite vielleicht auch gar nicht verstanden. Wie gesagt, auf die Intention des Sprechers kommt es an.“

Außerdem plauderte Klinghammer ein bisschen aus dem Nähkästchen. „Als Gorbatschow bei einer Veranstaltung zum Mauerfall sprach, war ich Dolmetscher. Er sagte auf Russisch: „Ich kann mich noch gut an die Ereignisse am 9. Februar erinnern.“ […] Mir schoss zunächst die Frage durch den Kopf, ob es auch an einem 9. Februar ein besonderes Ereignis gegeben hatte. Ich beschloss aber dann für mich, dass sich Gorbatschow einfach nur versprochen hatte und übersetzte „9. November“. Natürlich hatte er dieses Datum gemeint, das war seine Intention. Es gibt aber weniger eindeutige Fälle, in denen Dolmetscher mit aller gebotenen Vorsicht agieren sollten. Bei Interpretationen dürfen wir uns niemals zu weit aus dem Fenster lehnen. Unsere Aufgabe ist es, das Gesagte möglichst unverfälscht in die jeweils andere Sprache zu übertragen.“

Den vollständigen Artikel können Sie auf der Website der Märkischen Allgemeinen lesen.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: maerkischeallgemeine.de, 24.09.2011.]

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