Literaturübersetzungen sind eine wunderbare Sache, wenn man nicht davon leben muss…

Der Übersetzer Martin Pollack berichtet dem Goethe Institut in Polen über seine Arbeit als Literaturübersetzer:

Können Sie vom Übersetzen leben?
Martin Pollack: „Ich weiß es nicht, das habe ich noch nie versucht. Zuerst habe ich als Redakteur gearbeitet, jetzt bin ich als Autor tätig. Ich glaube eigentlich schon, dass ich von den Übersetzungen leben könnte, wenn ich kein Leben in Luxus anstrebe, was ich ohnehin nicht tue. Ich lebe auf dem Land, da braucht man nicht viel, vom Frühjahr bis Herbst bin ich weitgehend Selbstversorger, Obst, Gemüse, alles aus eigenem Anbau. … Aber das ändert nichts daran, dass Übersetzungen skandalös schlecht bezahlt werden, jeder Handwerker würde lachen, wenn man ihm eine solche Bezahlung anböte.“

Wie sind Sie zum Übersetzen gekommen?
Karolina Bikont: „Das war der natürliche Lauf der Dinge – ich war zweisprachig. Im Alter von sechs Jahren befand ich mich in Berlin, ich besuchte die erste Klasse einer deutschen Grundschule, … Acht Jahre später kehrte ich nach Polen zurück und ging dort auf das polnische Gymnasium. Das Problem der Sprache begleitete mich also seit meiner Kindheit, ich erinnere mich, wie meine Zunge – das Sprechwerkzeug – nach jeder Abreise oder Rückkehr zwei Tage benötigte, um sich an die anderen Bewegungen in der Mundhöhle zu gewöhnen; in Polen schien sie zu groß und allzu faul zu sein, in Deutschland dagegen wollte sie sich anfangs nicht so verbiegen, wie sie sollte.“

Welche Rolle spielt für Ihre Arbeit ein Gespräch mit dem Autor?
Karolina Niedenthal: „Es interessiert mich sehr, was für Menschen die von mir übersetzten Autoren sind, ich lese Interviews mit ihnen, verfolge ihre offiziellen Aussagen. Ich bemühe mich immer, soweit das möglich ist, einen direkten Kontakt mit dem Autor des Buches herzustellen, das ich gerade übersetze. Wenn ich dann am Text arbeite, kann ich mich mit verschiedenen Problemen an ihn wenden. Meine bisherigen Autoren waren mir immer sehr freundlich gesinnt und stets bereit, zu helfen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich nur dann wage, ihnen die Zeit zu rauben, wenn ich wirklich nicht mehr weiter weiß.“

Bei welchem deutschen Text, den Sie übersetzt haben, war für Sie die kulturelle Distanz am deutlichsten spürbar?
Ryszard Wojnakowski :„Ganz sicher bei einem der ersten Romane, den ich übersetzt habe. Dessen Autor war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Übersetzer aus romanischen Sprachen, der Text gespickt mit gelehrtem Wissen, Zitaten und Kunststücken (Einschüben) in verschiedenen Sprachen. Ich meine Alexanders neue Welten von Fritz Rudolf Fries. Vielleicht hatte ich deswegen so große Schwierigkeiten, weil die Systemähnlichkeiten zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen sich nur unvollkommen im literarischen und Lebensalltag niederschlugen…“

Wie sind Sie zum Übersetzen gekommen?
Sven Sellmer: „Mitte der neunziger Jahre wohnte ich für einige Zeit in Posen und war dort einer der ganz wenigen deutschen Muttersprachler mit guten Polnischkenntnissen. Mehr oder weniger zufällig bekam ich über verschiedene Kontakte erst kleinere, dann auch größere Aufträge, anfangs vor allem aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich. Ich bin also in dieses Tätigkeitsfeld eher hineingerutscht, habe die Rutschfahrt aber als sehr anregend empfunden und bin aus diesem Grunde dabei geblieben.“

Bei welchem polnischen Text, den Sie übersetzt haben, war für Sie die kulturelle Distanz am deutlichsten spürbar?
Benjamin Voelkel: „Wenn ich von meiner eigenen Wahrnehmung ausgehe, verläuft kulturelle Distanz heute nicht zwingend entlang nationaler oder ethnischer Grenzen, sondern ebenso entlang sozialer und religiöser Gruppen oder regionaler Besonderheiten. Das hat wohl damit zu tun, dass man die Grenze immer dort wahrnimmt, wo man es mit etwas Neuem und Unbekanntem zu tun hat.“
weitere Informationen gibt es unter: www.goethe.de

[Text: Goethe Institut Polen. Quelle: Mitteilunf Goethe Institut, 17.1.2011]