Terminologie: Die Sprache der anderen

In der Technischen Dokumentation herrscht weitgehend darüber Konsens, dass Terminologie zur Vereinheitlichung der Firmensprache („Corporate Language“) eingesetzt werden soll, und das ist auch richtig so. Viele sind an der Erstellung der unterschiedlichen Dokumente und Publikationen eines Unternehmens beteiligt. Es ist daher wichtig, dass sie ein gemeinsames Vokabular verwenden.Aber bei diesem Ansatz ist eine Komponente nicht vertreten: die Außenwelt. Diese lässt sich nur bedingt durch die „Corporate Language“ beeinflussen, was nicht nur Kommunikationsprobleme verursacht, sondern auch echte Nachteile bringen kann. Etwa wenn sich die Zulassung eines Produkts verzögert, weil im Antrag falsche Schlagwörter stehen.

Welche ist denn diese Außenwelt? Sie lässt sich in folgende Hauptgruppen unterteilen: a) Kunden und Nutzer des Produkts, b) Behörden und Verwaltung sowie c) Zulieferer, Partner und Fremdunternehmen.

Mit dem Kunden möchte ein Unternehmen in unterschiedlichen Situationen kommunizieren. Er soll das Produkt gut bedienen und verstehen können. Er soll bei etwaigen Problemen schnell eine Lösung finden bzw. mit dem Technischen Support so sprechen können „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“. Außerdem möchte das Unternehmen den Kunden bei Werbe- und Vertriebsmaßnahmen erreichen können. Es möchte beispielsweise, dass der Kunde es im Produktregister einer internationalen Messe findet, wenn dieser mit eigenen Suchbegriffen nach einem Produkt sucht.

Behörden gehören zum Umfeld eines Unternehmens. Ob es um die Zulassung eines Produkts geht, um eine Ausfuhrgenehmigung oder um die Einhaltung einer bestimmten Norm, überall findet man im Umgang mit Behörden eine normierte Fachsprache, deren Bedeutung oft exakt definiert ist. Man denke nur an die Rechtssprache oder an Produktnomenklaturen. Manch ein Entscheider wird sich sicherlich an die Auswirkungen eines falschen Fachworts in einem Vertrag erinnern.

Lieferanten und Wettbewerber interagieren mit dem Unternehmen in unterschiedlichen Situationen. Es arbeitet mit Lieferanten an gemeinsamen Projekten. Fachleute des Unternehmens und des Lieferanten müssen sich verständigen, Entwicklungsspezifikationen gleich auslegen, und dies auch wenn sie ungleiche Fachwörter verwenden. Bei der Suche nach geeigneten Lieferanten ist es für das Unternehmen von Vorteil, wenn es alle potenziellen Lieferanten anfragen kann, auch wenn diese im Internet oder in entsprechenden Registern unter einer anderen Bezeichnung verschlagwortet sind. Wettbewerbern begegnet man am Markt, bei Veranstaltungen oder man kommt mit ihnen bei Ausschreibungen oder Projekten in Berührung. Fast täglich berichtet die Presse von Firmenübernahmen, die zur Folge haben, dass zwei „Corporate Languages“ auf einmal aufeinander treffen.

In all den oben geschilderten Situationen ist es im ureigenen Interesse des Unternehmens, „die Sprache der anderen“ zu kennen und in geringem Umfang zu erfassen. Allerdings sollte es dabei nicht denselben Aufwand betreiben wie für das Erfassen und den Aufbau der eigenen Terminologie. Es kann aber bei Schlüsselwörtern marktgängige Synonyme erfassen und einige Schlüsselbegriffe aus Normen, Nomenklaturen oder Rechtstexten mitaufnehmen, sofern die eigene Terminologie davon abweicht. Bei der Auswahl der Synonyme kann es die Wörter nehmen, die im eigenen Firmenvokabular relativ häufig vorkommen und Kernprodukte oder Kernkomponenten der eigenen Produktlinie bezeichnen. So könnte ein Kompressorenhersteller neben dem eigenen Fachwort „Schraubenkompressor“ auch marktübliche Bezeichnungen wie „Schraubenverdichter“ mit entsprechenden Attributen in das Firmenwörterbuch aufnehmen.

Wie können solche Termini aus „der Sprache der anderen“ eingesetzt werden? Eine wichtige Einsatzsituation betrifft die Benutzerfreundlichkeit der Dokumentation wie beispielsweise Bedienungsanleitungen oder Anwenderhandbücher für Software. Jeder hat schon den Fall erlebt, bei dem er vergeblich nach einer Funktion oder Information in einem Handbuch gesucht und diese nicht gefunden hat, weil sie anders verschlagwortet war. Moderne Editoren oder DTP-Systeme erlauben durchaus die Eingabe unsichtbarer Synonyme in Indexfeldern (siehe „Wussten Sie das?“ auf Seite 2). Damit wird beispielsweise der Anwender unter dem Stichwort „Wizzard“ auf die Arbeit mit dem „Assistenten“ verwiesen, auch wenn „Wizzard“ nicht zur „Corporate Language“ gehört und als „verboten“ gilt. Das Prinzip lässt sich auf unterschiedliche Suchmöglichkeiten über Stichwörter erweitern: „Suche nach ABC, siehe XYZ“. Das Stichwort für derartige Synonymgruppen heißt „semantisches Feld“, welches oft unsichtbar in verschiedenen Internet- und Browserapplikationen integriert ist.

Natürlich beschränkt sich dieser Ansatz nicht nur auf die deutsche Sprache. Internationale Unternehmen haben einen mehr oder weniger großen Umsatzanteil im Ausland. Es lohnt sich daher für sie, bei den am meisten benötigten Sprachen ähnlich vorzugehen. Dabei können sich Unternehmen von ihren Übersetzungsdienstleistern unterstützen lassen.

Eine optimierte Kommunikation mit der Außenwelt zählt sicherlich zu den Hauptvorteilen der Terminologiearbeit. Eine bessere Kommunikation mit Kunden, das Erreichen neuer Kundenkreise, ein reduzierter Aufwand des Technischen Supports, die reibungslose Übernahme eines Unternehmens. Das sind einige Beispiele für Vorteile, die durch die terminologische Aufbereitung der „Sprache der anderen“ erzielt werden können. Sie lassen sich in bares Geld umrechnen.

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[Text: D.O.G. GmbH. Quelle: D.O.G. news, 1/12. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion.]

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