Gerichtsdolmetscher abgelöst – Fehldiagnose durch Behandlungsgespräch ohne Dolmetscher

Justitia Frankfurt

Vor dem Landgericht Freiburg im Breisgau wird zurzeit sieben Albanern wegen bandenmäßigen Handels mit Heroin der Prozess gemacht. Auch die Arbeit der Gerichtsdolmetscher ist Gegenstand der lokalen Berichterstattung. Die Badische Zeitung schreibt:

Mit einer neuen Dolmetscherin begann gestern der zweite Verhandlungstag. Der bisherige Dolmetscher war vom Gericht nach Beschwerden eines Verteidigers abgelöst worden. Jetzt dolmetscht eine vereidigte Dolmetscherin aus Stuttgart simultan, die mit der deutschen und der albanischen Sprache aufgewachsen ist. Der Antrag zweier Verteidiger, dass ein zweiter Simultandolmetscher zur Entlastung der Dolmetscherin beauftragt werde, wurde vom Gericht abgelehnt.

Der Leiter der forensischen (gerichtlichen) Abteilung des Zentrums für Psychiatrie in Emmendingen kritisierte die Fehldiagnose einer Psychiaterin über den Gesundheitszustand eines Angeklagten. Die Frau hatte bei dem 36-Jährigen eine „schwere depressive Episode“ diagnostiziert und eine „schizoaffektive Psychose“ nicht ausgeschlossen. Deshalb verschrieb sie ihm Neuroleptika gegen Psychosen sowie Antidepressiva. In der Badischen Zeitung heißt es:

Er kritisierte, dass die Ärztin mit dem Angeklagten ohne Dolmetscher gesprochen haben soll, und hielt es „für sehr bedenklich, dass solche Diagnosen gestellt und solche Medikamente ohne die Hilfe der Übersetzung eines Dolmetschers gegeben worden sind“. Der Sachverständige, der den Angeklagten mit Hilfe eines Dolmetschers mehrere Stunden untersucht hatte, meinte zur Vorgehensweise der Kollegin: „Darüber kann ich nur den Kopf schütteln.“

Nach Angaben des sachverständigen Arztes hatte der Angeklagte die Mittel schließlich selbst abgesetzt. Er leide weder unter hypochondrischen Wahnideen noch wahnhaften Depressionen, sondern unter einer „längeren depressiven Reaktion“. Die Ursache dafür seien familiäre Probleme, hohe Schulden, Arbeitslosigkeit und die Tatsache, dass er seine kleine Tochter nicht sehen könne. Der Angeklagte sei zwar seelisch labil und trinke zu viel Alkohol, sei aber nicht alkoholabhängig. Aus medizinischer Sicht lägen daher keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit vor.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Badische Zeitung, 2012-01-24. Bild: Richard Schneider.]