Ausstellung „Found in Translation“ im Deutschen Guggenheim

In Zeiten der Globalisierung sind Übersetzungen von einer Sprache in eine andere Sprache unabdingbar geworden, da die Länder in vielerlei Hinsicht miteinander verbunden sind. Dieser Informationsaustausch scheint einfach zu sein, allerdings lässt die Verschiedenheit der Sprachen in der Kunst keine lineare Übertragung zu. Im Prozess des Übersetzens werden nämlich verschiedene Faktoren der Identität, wie beispielsweise Herkunft, Klasse, Religion, verhandelt.

Bis zum 9. April 2012 besteht die Möglichkeit, im Deutschen Guggenheim in Berlin die Ausstellung „Found in Translation“ zu besuchen. Neun junge, internationale Künstler beschäftigen sich in ihren Werken mit den verschiedensten Aspekten der Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht dabei also die Sprache, das Verbindungsglied zwischen den Kulturen und Zeiten, sowie letztlich die Überführung von Sprache in Kunst.

Bei der Ausstellung wird anhand von Videos, Fotografien und Installationen zudem gezeigt, dass genau diese Übertragung des geschriebenen oder gesprochenen Textes ein Verständnis sowohl der eigenen als auch fremden Kultur voraussetzt. Die Künstler versuchen in ihren Arbeiten die Schnittstellen zwischen Sprache, Politik, Geschichte und Imagination zu untersuchen. Sie erkunden die vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge. Das Ziel ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Entwurf von Möglichkeiten für die Zukunft. Vier Künstler behandeln die literarische Übersetzung. Siemon Allen, Alejandro Cesarco, Brendan Fernandes und Lisa Oppenheim konzentrieren sich auf Verzerrungen von literarischen Werken durch kulturelle Unterschiede. Sharon Hayes, Matt Keegan und O Zhang prüfen, welche politische und historische Wirkung Statements und Slogans hervorrufen, wenn sie in einen anderen Kontext übertragen werden. Patty Chang und Keren Cytter übersetzen Texte melodramatischer Filme, in denen die Sehnsucht nach gegenseitigem Verständnis und das Drama des Missverstehens zutage kommen. Die Zeitung Neues Deutschland schreibt über die Künstler:

So illustriert Brendan Fernandes in seinem Video „Foe“ eine Passage aus dem gleichnamigen Roman des Südafrikaners J. M. Coetzee, der Defoes „Robinson Crusoe“ umgestaltet hat. Fernandes, selbst farbig, liest die Szene um Diener Freitag, dem die Zunge herausgeschnitten wurde und der nur noch lallend antworten kann. Der Sprecher sucht dabei den Ausspracheanweisungen eines Sprachcoaches zu folgen, kommt aber nicht vom Dialekt seiner prägenden Länder los. Metapher für koloniale Unterdrückung und zugleich postkoloniale Arroganz. Lisa Oppenheims Filminstallation „Cathay“ entlehnt ihren Titel einer Gedichtanthologie aus dem Chinesischen durch Ezra Pound. In ungenauer Kenntnis der Sprache gibt Pound die abstrakten Zusammenhänge der Originale über konkrete Bilder wieder und schuf so eine warmtönige Übertragung ins Englische. Oppenheim stellt in zwei synchron laufenden Filmen Pounds Weg dem einer exakteren Übersetzung gegenüber: Gedichtzeilen, dann Bilder aus New Yorks Chinatown stehen für Pound; Einzelbilder, dann Textzeilen für die jüngere Annäherung ans Original, das selbst nicht zu sehen ist.

Auch Alejandro Cesarco spielt mit realer Literatur. Seine Serie „Dante/Calvino“ besteht aus zehn Tintenstrahldrucken der ersten Seiten aus Dantes „Inferno“ in englischen Übersetzungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wie verschieden die Umdeutungen des Originals ausfallen, liegt auf der Hand. Als weitere Ebene der Interpretation unterlegt Cesarco jeden der Drucke mit einer Kapitelüberschrift aus einem Roman, in dem Italo Calvino die Kunst des Lesens reflektiert. Auch hier darf der Betrachter den Zusammenhang beider Werke selbst herstellen. Eine andere Form des gedruckten Worts verwendet Siemon Allen für „Land of the Black Gold“. Er greift dabei auf jenen Teil einer bekannten Comicserie zurück, der „Im Reich des Schwarzen Goldes“ heißt, zwischen 1939 und 1950 entstand und die Konflikte zwischen Juden, Arabern sowie britisch kolonialen Truppen im einstigen Palästina spiegelt. Für die englische Ausgabe von 1972 entfernt der Autor alle Hinweise auf die Briten und verlegt die Handlung ins fiktive Königreich Khemed. Allen setzt in der Installation beide Fassungen in langen Streifen direkt übereinander, nimmt die Texte der Sprechblasen fort. Übrig bleibt der Beweis, wie anfangs gleiche Bilder sich bald völlig verändern, politische Rücksichtnahme also Aussagen entschärft oder gar verfälscht.

Den Vorgang des Sprechens thematisieren andere Künstler. Matt Keegans Videotoninstallation „‘N‘ as in Nancy“ konfrontiert seine Mutter, wie sie englische Vokabeln lehrt, mit den selbst gebastelten Übungskarten, die an Fotos aus alten Illustrierten das jeweilige Wort verdeutlichen sollen. „Tod“ etwa zeigt einen unter einem Würfel Begrabenen, „Frühstück“ eine fröhliche weiße Familie. Wort und Bild kolportieren für die spanischsprachigen Immigranten so Ideologie. Besonders drastisch gelingt das O Zhang in seiner Fotoserie „The World is Yours (But Also Ours)“ von 2008. Vor Monumenten chinesischer Historie posiert Jugend von heute. Deren den T-Shirts aufgedruckte Slogans in Englisch kontrastieren die hölzernen Parteilosungen direkt auf den Wand füllenden Fotos oder den in Mandarin darunter gesetzten Texten.

Das Deutsche Guggenheim ist eine Berliner Kunsthalle, die seit November 1997 als Kooperation zwischen der Solomon R. Guggenheim Foundation und der Deutschen Bank betrieben wird. Im Februar 2012 verkündeten die Kooperationspartner überraschend, dass das Deutsche Guggenheim im Dezember 2012 schließen wird.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: deutsche-guggenheim.de; sueddeutsche.de, 06.02.2012; neues-deutschland.de, 12.03.2012. Bild: Jensens (Wikipedia).]