Europäischer Übersetzerpreis Offenburg geht an Christina Viragh – Förderpreis an Agnes Relle

Christina Viragh
Christina Viragh auf der Leipziger Buchmesse 2012.

„Wenn wir aufhören, uns zu übersetzen, hören wir auf, uns zu verstehen, und dann hören wir auf, miteinander zu leben“, unter diesem Motto verleihen die Stadt Offenburg und die Hubert Burda Stiftung seit 2006 den Europäischen Übersetzerpreis. In diesem Jahr wurde die ungarisch-schweizerische Übersetzerin Christina Viragh ausgezeichnet.

Nach Angaben der Jury im badischen Offenburg erhält die 59-Jährige den Preis für ihre ausgesprochene sprachliche sowie kulturelle Sensibilität bei ihren Übersetzungen bedeutender ungarischer Literaturwerke. Der Preis wird am 15. Mai in Offenburg verliehen.

Christina Viragh wurde am 23. Januar 1953 in Budapest geboren. 1956 musste ihre Familie Ungarn verlassen und emigrierte nach Luzern. Dort verbrachte sie die übrigen Kindheitsjahre. An der Université de Lausanne (Schweiz) absolvierte sie ihr Studium der Philosophie, des Französischen und der Deutschen Literatur. Von 1985 bis 1987 war sie an der University of Manitoba in Winnipeg (Kanada) als Teaching Assistant für Französisch tätig. Seit rund 19 Jahren lebt und arbeitet sie in Rom. In Schwyzerdütsch denkt sie, Ungarisch ist ihre Muttersprache, Italienisch ihre Alltagssprache, ihr Partner ist Italiener. Seit 1999 ist Christina Viragh korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Sie übersetzte Titel von Henri Alain-Fournier, Imre Kertész, Mihály Kornis, Dezső Kosztolányi, Sándor Márai, Péter Nádas und Antal Szerb. Für ihre im Februar bei Rowohlt erschienene Übersetzung von Péter Nádas Trilogie Parallelgeschichten ist sie zudem für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse 2012 (Bekanntgabe: 16. März 2012) nominiert.

Die 1.724 Seiten des Buches hat Christina Viragh teilweise schnell, teilweise etwas langsamer übersetzt. Fünf bis zehn Buchseiten nahm sie sich am Tag vor, fünf bis acht Stunden arbeitete sie konzentriert. Nun wird immer wieder ihre klare und poetische Übersetzung gepriesen. „Mich reizte […] die Herausforderung, etwas so Großes zu übersetzen – und etwas Zeitgenössisches“, so begründet sie, warum sie den Auftrag angenommen hat. „Es ist nicht nur eine fachliche, sondern auch eine menschliche Auseinandersetzung. Ich fühle nach, was er fühlt.“ Viragh ist Übersetzerin und Schriftstellerin zugleich. Darüber hinaus verfasste sie nämlich die Romane Unstete Leute, Rufe von Jenseits des Hügels, Mutters Buch, Pilatus sowie Im April.

Förderpreis geht an Agnes Relle

Den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis erhält in diesem Jahr die in Stuttgart geborene Übersetzerin Agnes Relle. Der Jury zufolge hat sie sich als Expertin für die junge ungarische Literaturszene einen Namen gemacht und ein umfassendes Wissen über Ungarns gesellschafts- wie kulturpolitische Entwicklung. Sie zeichnet sich vor allem durch ihre exzellente Übersetzung von jungen ungarischen Autoren wie beispielsweise László Darvasi oder Noémi Kiss aus.

Burda würdigt Leistung der Übersetzer

Die Hubert Burda Stiftung würdigt die Arbeit der Übersetzer mit folgenden Worten:

Es ist für uns mittlerweile selbstverständlich, dass bedeutende fremdsprachige Werke der Literatur auch in deutscher Sprache vorliegen – die Verfasser der Übersetzung bleiben meist unerwähnt. Dabei leisten sie mit ihrer Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Europäischen Einigung. Erst durch Übersetzungen werden Werke der Literatur einem breiten, internationalen Leserkreis zugänglich.

Der Europäische Übersetzerpreis

Der Europäische Übersetzerpreis wird alle zwei Jahre an herausragende Literaturübersetzer vergeben. Im Jahr 2005 wurde er von der Kulturstiftung der Stadt Offenburg und der Hubert Burda Stiftung ins Leben gerufen, wird von der Stadt Offenburg und der Hubert Burda Stiftung finanziert und seit 2006 alle zwei Jahre verliehen. Gewürdigt werden außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der literarischen Übersetzung aus der deutschen in eine Sprache der Europäischen Union und umgekehrt.

Der Hauptpreis ist mit 15.000 Euro dotiert. Außerdem setzt sich der Preis aus einem Förderpreis in Höhe von 5.000 Euro zusammen. Der Hauptpreisträger legt dabei den Förderpreisträger fest. Auf diese Weise haben die Übersetzer die Möglichkeit, sich verstärkt am Auswahlverfahren zu beteiligen.

Hauptpreisträger der Vorjahre waren:

  • 2006: Renate Schmidgall (Darmstadt) für ihre Übersetzungen aus dem Polnischen
  • 2008: Anne Weber (Paris) für ihre Übersetzungen ins Französische
  • 2010: Hanns Grössel (Köln) für seine Übersetzungen aus dem Dänischen, Französischen und Schwedischen

[Text: Jessica Antosik. Quelle: offenburg.de; hubert-burda-stiftung.de; wikipedia.de; taz.de, 13.03.2012; buchmarkt.de, 14.03.2012; focus.de, 14.03.2012. Bild: Leipziger Messe GmbH / Stefan Hoyer.]