In den Achtzigerjahren kam der Begriff Political Correctness auf, der allgegenwärtig ist und nicht nur in den USA, sondern auch vermehrt in Deutschland auftaucht. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Wie kam es zu dem Phänomen Political Correctness?
Ursprung der Political Correctness
Der Ursprung der Political Correctness ist auf die USA zurückzuführen. Sowohl das Civil Rights Movement als auch das Womens Liberation Movement in den USA engagierte sich für die Belange einer Minderheit. Die Bürgerrechtsbewegung zielte auf eine gesellschaftliche und rechtliche Gleichberechtigung dunkelhäutiger Afrikaner ab. Der rassistisch motivierten Diskriminierung und Stigmatisierung, die sich ebenfalls im Sprachgebrauch manifestierte, sollte ein Ende gesetzt werden.
Das Ziel der US-Frauenbewegung war mit der Bürgerrechtsbewegung zu vergleichen, allerdings setzte sich erstere für die Rechte der Frauen ein, d. h. also für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen sowohl in der Rechtsprechung als auch im Sprachgebrauch. Das Womens Liberation Movement wollte eine Verbesserung der gesellschaftlichen Situation der Frauen, also Chancengleichheit der Frauen im öffentlichen Leben, und eine Veränderung in der Bewertung der Geschlechterrollen bzw. des gesellschaftlichen Frauenbildes, erreichen. Die Frauenbewegung ging davon aus, dass die verbale Kommunikation eine äußerst wichtige Rolle spielt und eine Wechselbeziehung zwischen Sprache und außersprachlicher Realität besteht. Aus diesem Grund formulierte sie eine umfangreiche Sprachkritik, um den Weg für einen umfassenden Sprachgebrauchswandel und gesellschaftlichen Bewusstseinswandel zu bahnen. Die feministische Sprachwissenschaft übte Kritik am Common Gender, das die Frauen sprachlich unsichtbar macht.
Die Sensibilisierung des allgemeinen Bewusstseins für sprachliche Diskriminierung ging sogar so weit, dass das Wort history kritisiert wurde. Dies kann nämlich als männlich dominierte history interpretiert werden. Aus diesem Grund sollte die Alternativbildung von herstory die Bedeutung von Frauen in der Geschichte unterstreichen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass das Wort history etymologisch gesehen nicht mit dem englischen Pronomen his in Verbindung steht. In diese Kategorie fallen auch die nachfolgenden Beispiele: mental, human und semantics wurde mit men, also Mann, assoziiert. Daher kam der Vorschlag, sie durch die Begriffe femtal, hufem und sefemtics zu ersetzen. Anzumerken ist jedoch, dass das Suffix -man auf das Altenglische zurückzuführen ist, wo es geschlechtsneutral war.
Zusammenfassend kann man trotz aller, teilweise fragwürdiger Vorschläge sagen, dass sich das Frauenbild in der US-amerikanischen Gesellschaft durch das Womens Liberation Movement nachhaltig verändert hat.
Political Correctness in Deutschland
Kommen wir nun zu dem Phänomen der Political Correctness in Deutschland. Deutschland gehörte bis zum 20. Jahrhundert nicht zu den klassischen Einwanderungsländern. Dennoch muss man in diesem Kontext auf den NS-Jargon verweisen, der in der Nachkriegszeit das Phänomen der „Historischen Korrektheit“, vergleichbar mit der Political Correctness der USA, thematisiert und stark kritisiert wurde. Die politische Neuorientierung in Deutschland führte zur Reflexion über die Vergangenheit. Heidrun Kämper schreibt in ihrem Buch Das 20. Jahrhundert: Sprachgeschichte Zeitgeschichte Folgendes:
Durch die Übersetzung von „Political Correctness“ als „Politische Korrektheit“ erscheint der Begriff „Historische Korrektheit“ als Möglichkeit zur Differenzierung eines bestimmten Normierungsanspruches. Das Denotat von „Historische Korrektheit“ impliziert zwar eine normengerechte Referenz auf Themen der jüngsten deutschen Vergangenheit, hinsichtlich des Sprachgebrauchs und historischer Erklärungsmodelle, allerdings nicht mit einem dogmatischen als vielmehr mit einem aufklärerischen und historisch legitimierten Ansatz. Die normengerechte Referenz wird dabei von der historischen Hypothek bestimmt, die der Nationalsozialismus heute darstellt.
Der/die/das-Problem im Deutschen
Im Vergleich zum Englischen hat die deutsche Sprache ein der/die/das-Problem des grammatischen Geschlechts. Mark Twain sagte vor über 130 Jahren:
Ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sächlich; Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen weiblich Kater natürlich inbegriffen; Mund, Hals, Busen, Ellenbogen, Finger, Nägel, Füße und Rumpf eines Menschen sind männlichen Geschlechts; was auf dem Hals sitzt, ist entweder männlich oder sächlich, aber das richtet sich nach dem Wort, das man dafür benutzt, und nicht etwa nach dem Geschlecht des tragenden Individuums, denn in Deutschland haben alle Frauen entweder einen männlichen „Kopf“ oder ein geschlechtsloses „Haupt“. Nase, Lippen, Schultern, Brust, Hände, Hüften und Zehen eines Menschen sind weiblich, und sein Haar, seine Ohren, Augen, Beine, Knie, sein Kinn, sein Herz und sein Gewissen haben gar kein Geschlecht.
Schließlich kam der amerikanische Schriftsteller Mark Twain zu dem Fazit:
Aufgrund meiner philologischen Studien bin ich überzeugt, dass ein begabter Mensch Englisch (außer Schreibung und Aussprache) in dreißig Stunden, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren lernen kann. Es liegt daher auf der Hand, dass die letztgenannte Sprache zurechtgestutzt und repariert werden sollte. Falls sie so bleibt, wie sie ist, sollte sie sanft und ehrerbietig zu den toten Sprachen gestellt werden, denn nur die Toten haben genügend Zeit, sie zu lernen.
Generisches Maskulinum
Ich möchte nicht weiter auf die geschichtlichen Hintergründe und die Minderheiten wie Homosexuelle, Behinderte und Kranke sowie ethnische Minderheiten eingehen und auf die feministische Sprachkritik in Deutschland sowie auf die aktuellen Entwicklungen in der Bundesrepublik zu sprechen kommen. Seit vielen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, liegt die Hauptforderung der feministischen Sprachkritik in der Übereinstimmung von natürlichem und grammatischem Geschlecht. Die Referenz auf Frauen soll dementsprechend durch feminine, die auf Männer durch maskuline Personenbezeichnungen ablaufen. Es ist jedoch zu beachten, dass das generische Maskulinum in der deutschen Sprache für die Bezeichnung einer nicht näher bestimmten Gruppe verwendet wird. Dem traditionellen Grammatikverständnis zufolge werden Frauen also durch diese Subsumierung unter maskulinische Bezeichnungen nicht diskriminiert. Abgesehen davon basiert die Dominanz der generischen Maskulina darauf, dass Männer in der Geschichte öffentliche Handlungsträger waren und Frauen einen nicht besonders großen Einfluss auf den semantischen Gehalt ausübten.
Alternativvorschläge
Frauen wie auch Männer sollen ausdrücklich im Sprachgebraucht berücksichtigt werden. Dies bedeutet also, dass sie explizit genannt bzw. angesprochen werden. Dieses ausdrückliche Nennen von Frauen und Männern in der Doppelform kann im Schriftbild wie folgt aussehen: Liebe Student/innen oder Liebe StudentInnen. Aktuell wird sogar geraten, das Partizip Studierende zu verwenden. Dadurch wird aber das der/die-Problem noch lange nicht gelöst. Fakt ist, dass weder die Schrägstrichlösung noch die „Innen-Form“ offiziell anerkannt ist. Vielmehr tendiert man nun dazu, beide Formen, d. h. also die männliche und weibliche, getrennt auszuschreiben: Liebe Studentinnen und Studenten (in der Reihenfolge).
Wie auch in der englischen Sprache ist es im Deutschen möglich, Komposita und Ableitungen zu feminisieren, um gesellschaftliche Stereotype aus dem Weg zu schaffen. Statt Vaterland könnte man so beispielsweise Mutterland sagen. Der neutrale Begriff wäre Heimatland. In diesem Zusammenhang einige äußert merkwürdige Vorschläge: Bankräuberin überfraut, 16 Fraudate errungen, Nun werden nach Mandarinen auch Fraudarinen gespritzt. Diese Diskussion hat oftmals zur Folge, dass auf Fluchtwörter ausgewichen wird, wie beispielsweise Arbeitskräfte statt Arbeiterinnen und Arbeiter.
Schlussbemerkung
Die Niederländer zum Beispiel haben dieses Problem der weiblichen und männlichen Formen im Plural nicht, da sie nur einen bestimmten Artikel für den Plural (de) und nur einen unbestimmten Artikel für den Plural (een) zur Verfügung haben.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass unter Political Correctness ein bestimmtes normengerechtes Verhalten zu verstehen ist. Im aktuellen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff einen sensibilisierten Sprachgebrauch. Zum Teil geht die Sprachkritik jedoch zu weit und fordert nicht umsetzbare Maßnahmen. Auch in diesem Artikel ist man zu keiner Lösung gekommen. Es wurden lediglich beide Seiten der Medaille gezeigt und vielleicht Denkanstöße gegeben. Eine Meinung muss sich zu diesem delikaten Thema jeder selbst bilden. Eventuell könnte die „Innen-Form“ das Problem einigermaßen lösen und eine Textverdoppelung durch die Nennung sowohl der femininen als auch maskulinen Form vermeiden. Zu guter letzt ein Zitat von Harald Jockusch, der sich gegen das verfrauschte Deutsch ausspricht: „Wer bringt den Mut auf, die deutsche Sprache von der Bürde der Textverdopplungen zu befreien? Mit dem Risiko, dass die ‚Efrauzen‘ überrascht sind, wie Georg Jappe gesagt hätte?“
Mehr zum Thema auf uepo.de:
25.03.2012: L@s niñ@s: Streit in Spanien wegen sexistischer Sprache
[Text: Jessica Antosik. Quelle: Sabine Wierlemann (2002): Political Correctness in den USA und in Deutschland. Berlin: Erich Schmidt; Heidrun Kämper / Harmut Schmidt (Hrsg.) (1998): Das 20. Jahrhundert: Sprachgeschichte Zeitgeschichte. Berlin: Jahrbuch 1997 des Instituts für deutsche Sprache; Sprachnachrichten, Nr. 53 (1/2012); alvit.de.]