Literaturübersetzer Friedrich Griese gestorben

Friedrich Griese
Friedrich Griese

Friedrich Griese, aus dessen Werkstatt in Vielbrunn im Odenwald mehr als 200 Buchübersetzungen kamen, ist am 20. Juni 2012 im Alter von 71 Jahren überraschend gestorben.

Vor allem mit Sachbüchern aus dem Englischen, Polnischen, Französischen und Italienischen hat er sich einen Namen gemacht.

Dabei hatte er diese Sprachen nie studiert. Im Echo Online heißt es: „Englisch und Französisch nahm er aus der Schule mit. Polnisch belegte er an der Uni im Nebenfach, weil er für seine Diplomarbeit in den Studienfächern Philosophie und Soziologie in Warschau recherchieren musste. Italienisch kam hinzu, nachdem Griese kurzzeitig in dem Land gelebt hatte.“ Unter anderem übersetzte er Werke von Eccles, Popper, Lightman und Vidal.

Griese setzte sich stets für die Sache der Literaturübersetzer ein. Wenn bei einer Rezension der Name des Autors genannt, der des Übersetzers jedoch unterschlagen wurde, erinnerte er die Redaktion daran, dass dieses Glied in der Gedankenkette vom Autor zum Leser eine wichtige Rolle spielt und nicht unterschlagen werden sollte.

Im Literaturübersetzer-Verband VdÜ setzte sich Griese für eine faire Honorierung der Übersetzerleistung ein. Der VdÜ-Vorsitzende Hinrich Schmidt-Henkel würdigt Griese wie folgt:

Friedrich hat uns allen durch seine Vorstandsarbeit und seine lange, von Sachkenntnis und Professionalität geprägte Präsenz im Verband viel gegeben.

Er war ein Mann von beeindruckend umfangreicher Bildung und von großem Einsatz für die gemeinsame Sache. Stellvertretend seien genannt sein Wirken als Schriftführer des Verbandes und die jährliche Auswertung der Zahlen, die vom Börsenverein veröffentlicht wurden.

Dazu Friedrichs feine Lebensart, seine ganz typische Verbindung von beharrlichem Fleiß und Genuss – wir werden an diesen besonderen Menschen und auch von den Auftraggebern hoch geschätzten Übersetzer ein herzliches Andenken bewahren.

Friedrich Griese
Friedrich Griese 2009 bei einem Vortrag im Rahmen eines Workshops für Übersetzer polnischer Sachtexte, ausgerichtet vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt.

Griese arbeitete von Anfang an genau, sodass aufwendige Endkontrollen nicht mehr nötig waren.

„Ich bin der große Nachmacher“, scherzte er einmal in einem Interview mit Echo online. Aber sah sich auch als Bessermacher an, insbesondere dann, wenn er mit trockener Wissenschaftssprache in Kontakt kam. „Hölzerne Autoren verbessere ich grundsätzlich.“

Der breiteren Fachöffentlichkeit war Griese durch seine stets fundierten und humorvollen  Beiträge zum größten deutschsprachigen Online-Forum für Literaturübersetzer, der Mailingliste U-LITFOR, bekannt. Dort war er seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv und gehörte zu den Pionieren der Online-Kommunikation in der Übersetzungsbranche.

Kollegen haben ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet, das gut 60 Einträge umfasst. Darin wird der Verstorbene von Bekannten, Freunden und Kollegen unter anderem wie folgt charakterisiert:

  • „Seine kollegiale Hilfsbereitschaft, sein umfassendes Wissen und sein unermüdliches Engagement für unseren Berufsstand werden mir ebenso fehlen wie seine weltmännische Art und seine positive Einstellung zum Leben.“
  • „seine Ironie, unerschütterliche Lebensfreude“
  • „bescheidener, uneigennütziger Kollege mit immensem Wissen“
  • „Friedrich war mir nicht persönlich bekannt, aber seine Kommentare auf u-litfor habe ich immer sehr geschätzt. Hin und wieder hat er mir damit ein Schmunzeln entlockt.“
  • „scharfsinnige, humorvolle und warmherzige Beiträge und leidenschaftlicher Einsatz für unseren Berufsstand“
  • „Seiner Leidenschaftlichkeit wegen hielt ich ihn, bis ich ihn dann kennenlernte, für zwanzig Jahre jünger, als er war.“
  • „Im wahren Leben nie gesehen und doch seit Jahren ein vertrauter und geschätzter Bekannter und Kollege im Arbeitsalltag.“
  • „weise, gewieft und voll menschlicher Wärme“
  • „kluge, feinsinnige, großmütige Art“
  • „Menschenfreund“
  • „Herzlichkeit und Leidenschaft und zugleich analytische Klarheit“
  • „Was für eine Persönlichkeit, welch eine positive, humorvolle, aufrechte Präsenz!“
  • „Ich habe ihn nur per Mail und Telefon gekannt, aber ich bin sicher, wenn er noch mailen könnte, würde er uns schreiben: Lebt – es lohnt sich!“

Für die Lektorin und Herausgeberin Christina Knüllig war die berufliche Begegnung mit Griese ein „Erweckungserlebnis“. Unter der Überschrift „Wie gutes Übersetzen geht“ hat sie einen Nachruf verfasst, der auf der Website des Börsenblatts, dem Wochenmagazin für den deutschen Buchhandel, aufgerufen werden kann. Sie schließt mit den Worten:

Was bleibt? „Seine“ Bücher, ihr erzählerischer Schwung, der Leser umschmeichelt und Übersetzer animiert. Zartheit und Drastik im Ausdruck. Und schließlich die Frage: Wie geht gutes Übersetzen? Friedrich Griese hat einmal gesagt: „Wendig muss man sein, den Gegner im Auge behalten. Mal muss man schmeicheln, mal drängen.“ Übersetzen sei Nachmachen und Neubauen, Kniffe und Tricks inklusive. Friedrich Griese hat den übersetzerischen Tanz der Anverwandlung zur Perfektion gebracht.

Weiterführende Links

[Text: Jessica Antosik. Quelle: kondolenzbuch-online.de; echo-online.de, 03.07.2012; hoffmann-und-campe.de. Bild oben: Urheber unbekannt. Bild unten: Deutsches Polen-Institut.]