Wer übernimmt die Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher einer Schülerin? Mit dieser Angelegenheit setzte sich das Augsburger Sozialgericht auseinander. Seit Monaten kämpfen die Eltern eines siebenjährigen, gehörlosen Mädchens für einen Gebärdensprachdolmetscher. Das Mädchen namens Melissa besucht eine herkömmliche Grundschule in Neu-Ulm. Bislang wurde sie von einem Dolmetscher unterstützt. Bis März 2013 wird der Gebärdensprachdolmetscher zunächst über ein Modellprojekt des Kultusministeriums finanziert. Allerdings ist unklar, wer die Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher langfristig tragen soll.
Anfang 2013 soll der Psychologe Oliver Rien feststellen, ob es für das Mädchen wirklich das Beste ist, die normale Grundschule zu besuchen oder nicht besser ein Förderzentrum. Darauf verständigten sich ihre Eltern und der Bezirk Schwaben in einem Vergleich. Die Siebenjährige möchte aber nach wie vor in die Neu-Ulmer Grundschule gehen. Probleme auf ihrer Schule scheint Melissa nicht zu haben. Es sind wohl alle ein wenig überrascht, dass es so gut läuft, erklärt Richterin Christiane Hohlen. In Melissas Zwischenzeugnis stehe, dass sie sich am Unterricht aktiv beteilige und ihre Leistungen überdurchschnittlich seien. In einem Förderzentrum wäre sie unterfordert.
Melissas Mutter betont in Gebärdensprache: Melissa ist noch so klein und dass sie auf solche Barrieren stößt, ist so schade. Eine Vertreterin des Bezirks sagt: Es ist nicht so, dass der Bezirk nicht zahlen will. Einen Antrag der Eltern auf einen Gebärdendolmetscher hatten die Behörden jedoch abgelehnt, da Melissa in einem Förderzentrum besser aufgehoben sei.
2011 hatte Bayern das Inklusionsgesetz beschlossen, das behinderten Schülern den Zugang zu herkömmlichen Schulen ermöglichen soll. In der Praxis zeigen sich allerdings einige Schwierigkeiten in der Umsetzung. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat der Freistaat Bayern bei der Inklusion noch viel Arbeit vor sich. Demzufolge besuchte im Schuljahr 2010/11 gut ein Fünftel aller behinderten Schüler in Bayern eine Regelschule. Der deutschlandweite Durchschnitt lag in diesem Zeitraum bei 22,3 Prozent. In Schleswig-Holstein, dem Spitzenreiter, gingen 49,9 Prozent aller Schüler mit Förderbedarf auf eine reguläre Schule.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: sueddeutsche.de, 26.07.2012.]