Baden-Württemberg kann alles – außer Dolmetschen: Blamage mit „halbautomatischem Synchronsystem“

Bühne
Links und rechts der Bühne: Bildschirme mit einer automatisch generierten Untertitelung der Reden.

Höchste Politprominenz im Schwabenland: Der französische Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel waren am vergangenen Samstag Gäste des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).

Bei einem Festakt unter freiem Himmel wurde vor dem Ludwigsburger Schloss der berühmten Rede von Charles de Gaulle „an die deutsche Jugend“ gedacht, die vor 50 Jahren just an jener Stelle gehalten wurde. Zusammen mit dem wenig später unterzeichneten Élysée-Vertrag und der Gründung des deutsch-französischen Jugendwerks wurde 1962 die Grundlage für die Aussöhnung der beiden „Erbfeinde“ gelegt.

Die Sonne schien, die Festreden waren kurz und gut, und das Publikum war begeistert, zumal den ganzen Tag über im Schlosspark auf drei Bühnen ein abwechslungsreiches Programm und abends noch ein Popkonzert geboten wurde. Eine rundum gelungene Veranstaltung zur Feier der deutsch-französischen Freundschaft.

Automatisch übersetzte Untertitelung irritiert und amüsiert französische Gäste

Nur eines trübte die Stimmung – zumindest bei den französischsprachigen Gästen -, wie die Schwäbische Post schreibt:

Doch schon nach dem ersten Satz des Grünen stöhnt im Pulk der Journalisten eine französische Kollegin auf: „Eine Katastrophe, diese Übersetzung.“

In der Tat, was zeitgleich über die rechts und links der Bühne aufgehängten Großbildschirme flimmert, muss Gästen, die auf das Französische angewiesen sind, in weiten Teilen ein Rätsel bleiben. Wenn Kretschmann an Reims erinnert, wo die deutsch-französische Aussöhnung im Juli 1962 ihren Anfang nahm, wird daraus zum Beispiel ein in keinem Wörterbuch notiertes „“rince““.

Die Übersetzung stammt von einem halbautomatischen, kanadischen Synchronsystem, ist später von achselzuckenden Mitarbeitern des Staatsministeriums zu hören.

Untertitelung
Bei dieser maschinell übersetzten Passage ist nur „Deutsche“ und „Ihnen“ falsch. Richtig müsste es „Deutschen“ und „ihnen“ heißen.

Die elsässische Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace zitiert genüßlich die abstrusesten Fehlleistungen der Software:

Surtout, ne pas rire. La délégation élyséenne, dans la cour du château de Ludwigsburg, s’efforce de garder son sérieux. Sur les écrans qui encadrent le pupitre où s’exprime Angela Merkel, la traduction de son propos en français semble être le fruit d’un ordinateur tournant sous LSD.

Les jeunes chômeurs deviennent de « jeunes chauffages ». Le rétablissement de l’Allemagne est son « abolissement ». La cathédrale de Reims où fut signé le traité de l’Élysée est celle « de rince ». Charles de Gaulle, lors de sa rencontre avec Conrad Adenauer, a « félicité ses odeurs ». Ainsi de suite et sans la moindre trêve.

Quand la Chancelière note que « si on veut se comprendre […] la connaissance de la langue de l’autre est indispensable », les ministres Pierre Moscovici et Bernard Cazeneuve restent imperturbables. « C’est le symbole qui importe », soupire un collaborateur du président de la République.

Dolmetscher wären besser und billiger gewesen

Warum die Organisatoren auf Dolmetscher verzichtet und stattdessen auf nicht ausgereifte Technik gesetzt haben, bleibt rätselhaft. Am Geld kann es nicht gelegen haben. Ein Dolmetscher wäre preiswerter und besser gewesen – zumal der französische Staatspräsident, der mit mehreren Ministern angereist war, sicherlich ohnehin einen (wenn nicht gar mehrere) erstklassige Sprachmittler in seiner Begleitung hatte.

Beim zweisprachigen Programmheft scheint man hingegen auf Qualität gesetzt zu haben. Der französische Text liest sich nicht wie eine maschinelle Übersetzung.

De Gaulle benötigte weder Dolmetscher noch Dolmetschsysteme

Charles de Gaulle benötigte 1962 übrigens weder ein „halbautomatisches Synchronsystem“ noch einen Dolmetscher. Er hielt seine Rede auf Deutsch. Einige Auszüge können Sie sich bei Soundcloud anhören (2:34 Minuten).

Kretschmann, Hollande, Merkel
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links), der französische Staatspräsident Hollande und die deutsche Kanzlerin beim Bad in der Menge.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Schwäbische Post, 2012-09-24; Pressemitteilung Staatsministerium Baden-Württemberg, 2012-09-22; Dernières Nouvelles d’Alsace, 2012-09-23. Bild: Presse- und Bilderservice Staatsministerium Baden-Württemberg, Pressestelle der Landesregierung.]