Märchen der Gebrüder Grimm erstmals ins Tschetschenische übersetzt

Gebrüder GrimmDie Märchen von Jacob und Wilhelm Grimm wurden in fast alle europäischen Sprachen übertragen – nun auch erstmals ins Tschetschenische. Die regionale gesellschaftliche Organisation „Hoffnung Tschetscheniens“ mit der Journalistin Tamara Tschagajewa an der Spitze hat die Märchen in ihrem Heimatland herausgegeben.

Tschagajewa hat den internationalen Essaywettbewerb gewonnen, der von der Übersetzungsagentur „Prima Vista“ veranstaltet wurde. Ausgezeichnet wurde ihr Essay mit dem Titel „Alles begann mit dem Wörterbuch“. In einem Interview mit der Stimme Russlands beantwortete sie die Frage, was für sie der Sieg bei dem Wettbewerb und die übersetzerische Tätigkeit im Allgemeinen bedeutet:

Es war mir angenehm, von der Jury so bewertet zu werden. In erster Linie, weil ich dadurch dieses Problem anschneiden konnte. Und zwar das Problem der Sprache, die vor zwei Jahren von UNESCO-Experten in die Liste der verschwindenden Sprachen aufgenommen wurde. Es gibt noch ein Problem, auf das ich aufmerksam machen möchte: das Fehlen professioneller Übersetzer. Sie müssen herangebildet werden. Gerade deshalb haben wir wohl keine Märchen der Völker der Welt in unserer Muttersprache gehabt.

Tamara Tschagajewa kam zudem auf die Idee, Märchen von Andersen, den Gebrüdern Grimm und Charles Perrault in die tschetschenische Sprache zu übersetzen. Auf die Frage, wie sind auf diese Idee kam, antwortete sie Folgendes:

Das war tatsächlich eine impulsive Entscheidung, und das, was ich jetzt sagen will, ist die reine Wahrheit. Während des russisch-tschetschenischen Krieges ging ich mit der Familie nach Naltschik, das in einer benachbarten Region liegt. Wir wurden in ehemaligen Sanatorien untergebracht, die um jene Zeit nicht betrieben wurden. An eine Arbeit war gar nicht zu denken, darum gab es übergenug Freizeit. Was soll man in diesem Fall tun? Lesen! […] So kam es, dass ich einmal unter den ausgesonderten Büchern [in einer Bibliothek] ein russisch-tschetschenisches (und umgekehrt) Wörterbuch bemerkte.

Die Bücher waren draußen ausgelegt und warteten ihr weiteres trauriges Schicksal ab, von der Sonne versengt und vom Regen durchnässt. […] Da verfiel ich auf trostlose Gedanken: Wurde ein Wörterbuch, das sonst nie ausgesondert wird, weggeworfen, dann hat man wohl auch die Sprache, das Volk entsorgt, auf den Mist der Geschichte getan? Eine Ethnie, die in Russland zahlenmäßig an dritter Stelle rangiert!

Das Interview können Sie in voller Länge auf der Website der Stimme Russlands lesen.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: german.ruvr.ru, 02.10.2012. Bild: Stimme Russlands.]

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