Schriftsteller Péter Nádas über die Zusammenarbeit mit Übersetzern

Beim Übersetzen literarischer Texte liegt der Fokus nicht nur auf der Übersetzung des Inhalts. Auch Syntax, Satzrhythmus und Metaphern spielen eine wichtige Rolle. Der ungarische Schriftsteller Péter Nádas (Bild oben) kennt sich damit bestens aus. Fast 20 Jahre lang hat er nach eigener Aussage an seinem dreibändigen Roman Parallelgeschichten gearbeitet. Das Buch, das bereits 2005 auf Ungarisch erschien, zeichnet die Geschichte einer ungarischen und einer deutschen Familie anhand scheinbar zusammenhangloser Episoden durch das 20. Jahrhundert nach. Nun ist das Werk dieses Jahr auch auf Deutsch erschienen. Seitdem werden sowohl der Autor aus auch die Übersetzerin Christina Viragh (Bild unten) mit Preisen ausgezeichnet.

Nádas ist sich darüber im Klaren, dass der Erfolg des Buchs zu einem großen Teil der herausragenden Übersetzung Christina Viraghs zu verdanken ist. „Man kann die Kunst des Übersetzens nicht hoch genug einschätzen“, erklärt er. Rund vier Jahre hat er mit Viragh an der deutschen Fassung gearbeitet. „Ungarisch und Deutsch sind so unermesslich unterschiedliche Sprachen, dass sich mannigfaltige Schwierigkeiten ergeben.“, berichtet Nadás. „Für manche ungarischen Begriffe gibt es gar keine deutsche Entsprechungen; wieder andere sind im Deutschen philosophisch besetzt, im Ungarischen aber nicht.“, erklärt Nadás.

Péter Nádas selbst spricht fließend Deutsch, traut sich allerdings nach eigenen Angaben aufgrund der fehlenden Sprachgewandheit, die für das Literaturübersetzen notwendig ist, nicht zu, die Anfertigung der Übersetzung zu übernehmen. „Ich habe Deutsch im Prinzip mehrfach neu lernen müssen. Das erste Mal habe ich es von meinen Großeltern gelernt, die eine Mischung aus Wienerisch und Jiddisch miteinander gesprochen haben. Das zweite Mal habe ich es dann im Sommerlager gelernt, von den anderen Kindern und Erziehern. Und die dritte Variante des Deutschen kam dann aus der Literatur“, so der Autor. „Früher habe ich zum Beispiel bestimmte Wortwendungen benutzt, die schon seit Goethe eigentlich niemand mehr gebraucht. Meine Freunde haben mich zum Beispiel lange Zeit damit aufgezogen, dass ich früher ‚wenn ich wohl vermute‘, statt ‚eventuell‘, oder ‚vielleicht‘ gesagt habe“, erzählt Nádas mit einem Schmunzeln.

ViraghSeit nunmehr 20 Jahren arbeitet er zusammen mit Übersetzern. Jedes Mal zeigt ihm die Auseinandersetzung mit zwei Sprachen seine Grenzen auf: „Manchmal will man der Übersetzerin etwas verständlich machen, was diese in ihrer anderen Sprache gar nicht verstehen kann. Die Schranken sind dort, wo die Muttersprache und die gelernte Sprache aneinandergrenzen. Ich müsste zweisprachig sein, um relativ unbehindert über diese Grenzen hin- und herwandeln zu können.“, führt er aus.

Der Autor Nádas und die Übersetzerin Viragh arbeiteten hauptsächlich in Rom zusammen. Das Buch war für die ungarischstämmige Übersetzerin eine regelrechte Mammutaufgabe. „2000 Seiten sind für jeden Übersetzer schwierig und zeitaufwendig genug. Aber wenn es um Literaturgrößen wie Nádas geht, wird das Übersetzen zur regelrechten Zumutung.“, so Viragh. Dabei müsse der Text insbesondere „furchtlos übersetzt werden“. Die Übersetzerin müsse zugunsten des eigentlichen Sinns des Textes auch mal Sätze aus dem Original fallen lassen, „um dann das herauszufischen, was die ‚gute Übersetzung‘ ist, nämlich ein neues Original“, berichtet Christina Viragh.

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2012-03-17: Europäischer Übersetzerpreis geht an Christina Viragh

[Text: Jessica Antosik. Quelle: budapester.hu, 9.12.2012. Bilder: Lesekreis, Lizenz CC-BY; Leipziger Messe GmbH / Stefan Hoyer.]