Bundestag „empört“ über geplante Streichung deutscher Übersetzerstellen in Brüssel

Gunther Krichbaum leitet eine Sitzung des Europaausschusses. - Bild: Bilderdienst Bundestag / Achim Melde

Die Saarbrücker Zeitung hat am 14.12.2012 folgende Pressemitteilung verbreitet:

Eine von der EU-Kommission geplante Streichung deutscher Übersetzerstellen empört den Deutschen Bundestag. Der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU [im Bild oben ganz rechts]), nannte die Pläne gegenüber der Saarbrücker Zeitung „unverschämt“. Er erinnerte daran, dass der Bundestag erst im Sommer gefordert hatte, die deutschen Übersetzerleistungen mittelfristig deutlich zu steigern. „Es ist eine Respektlosigkeit gegenüber einem nationalen Parlament, wenn die Kommission mitten in laufenden Verhandlungen jetzt genau gegenteilige Fakten schafft“, sagte Krichbaum.

Laut dem neuesten Bericht des Brüsseler Verbindungsbüros des Bundestages will die Kommission im Zuge allgemeiner Personaleinsparungen in den nächsten fünf Jahren 22 der insgesamt 110 Übersetzerstellen in der deutschen Abteilung der Generaldirektion abbauen. Die bisher etwa gleich große englische Abteilung soll hingegen um 14 Stellen verstärkt werden. Der Abbau bei den deutschen Übersetzern geht mit einem Minus von 20 Prozent weit über die allgemeine Vorgabe von minus fünf Prozent in allen Bereichen hinaus.

Schon seit Jahren sind fehlende Deutsch-Übersetzungen im Bundestag ein Ärgernis. Deutsch ist neben Englisch und Französisch offiziell eine der drei Verfahrenssprachen der EU. Das bedeutet, dass alle Vorlagen in diese drei Sprachen übersetzt werden müssen. „Dies wurde jedoch in den letzten Jahren immer weniger gewährleistet und könnte mit der angestrebten Kürzung noch fraglicher werden“, heißt es in dem Vermerk des Brüsseler Verbindungsbüros des Bundestages.

Auch Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU [im Bild oben am Tisch dritter von rechts]) hatte am Dienstag in der Unions-Fraktionssitzung gegen die Kürzungen protestiert und nach Informationen der Saarbrücker Zeitung Kanzlerin Angela Merkel gebeten, das Thema in Brüssel noch einmal selbst vorzubringen.

Kritik des Bundestages scheinheilig

Bereits im Sommer 2012 hatte der Deutsche Bundestag die EU attackiert und sich darüber beschwert, dass zu wenige Übersetzungen ins Deutsche angefertigt würden und die Arbeit des Bundestages dadurch behindert werde (siehe Links weiter unten). In Brüssel waren diese Vorwürfe auf Unverständnis gestoßen.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Dagmar Roth-Behrendt (SPD) hatte die Kritik aus Berlin als „„eine wirkliche Frechheit““ bezeichnet. Denn genau diejenigen Fraktionen, die stets lautstark mehr Übersetzungen ins Deutsche forderten, würden der EU genauso lautstark vorwerfen, zu viel Geld auszugeben.

Auf Betreiben der nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten, allen voran der deutschen CDU/CSU-FDP-Regierung, muss die EU in den kommenden Jahren mehrere Milliarden Euro an Verwaltungsausgaben einsparen und die Mitarbeiterzahl insgesamt um 5 Prozent reduzieren. Diese Vorgaben werden jetzt Schritt für Schritt umgesetzt.

Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf die EU-Sprachendienste aus. Stellen von Übersetzern, die in den Ruhestand gehen, werden schon länger nicht mehr neu besetzt. Auf diese Weise soll und muss die Zahl der angestellten und verbeamteten Übersetzer in den nächsten Jahren spürbar um insgesamt 5 bis 10 Prozent reduziert werden. Unter diesen Umständen ist es vollkommen unmöglich, die Zahl der Deutsch-Übersetzer und die Zahl der Übersetzungen ins Deutsche zu erhöhen.

Der Bundestag kritisiert eine Situation, die die von ihm gewählte Bundesregierung – und nicht die EU – mitzuverantworten hat. Offenbar haben dies die Abgeordneten aber noch nicht begriffen. Oder sie wollen es nicht begreifen, weil das Eindreschen auf die EU eine gute Presse einbringt.

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Richard Schneider