Webbasierte Übersetzungssysteme gewinnen an Boden. Sie sind noch kein Massenphänomen, aber sie befinden sich seit wenigen Jahren deutlich auf dem Vormarsch. Es sind noch relativ neue Systeme, die seit etwa 10 Jahren ihren Einzug in die Toollandschaft gehalten haben.
Einer der ersten Anbieter webbasierter Übersetzungstechnologien war Lionbridge mit seinem Translation Workspace, das heute täglich durchschnittlich 2.000 Übersetzer benutzen. Es speichert 2 Milliarden Wörter an „linguistic assets“ (Translation Memories und vergleichbare Sprachressourcen). Seitdem sind viele weitere Hersteller hinzugekommen. Sie bieten rein webbasierte Systeme oder auch Hybridsysteme an, die auch als Client/Server-Lösung verfügbar sind.
Mobil, nicht an ein Betriebssystem gebunden, leicht skalierbar
Der Grund für den wachsenden Erfolg dieses Modells liegt bei der schnell wachsenden Internet-Gemeinschaft, zu der die große Mehrheit der professionellen Übersetzer und ihrer Auftraggeber gehört. Sie sind mobil, arbeiten an verschiedenen Geräten und sind nicht mehr wie früher an ein Betriebssystem gebunden. Web-Anwendungen können überall und zu jeder Zeit benutzt werden, sie sind leicht skalierbar, sind kompatibel mit allen Betriebssystemen (z. B. Windows, Mac, Linux).
Der Benutzer benötigt lediglich einen Browser und eine Internet-Verbindung. Die auf einem Webserver installierte Software ist immer auf dem aktuellsten Stand. Es ist keine Investition notwendig. Außerdem sind Cloud-Systeme für die kooperative Arbeit ideal geeignet.
Wer „Cloud“ hört, macht sich logischerweise Gedanken über das Thema Vertraulichkeit. Hierfür gibt es private Cloud-Systeme, in die nur Benutzer mit entsprechenden Zugangsrechten gelangen.
Wie funktionieren webbasierte Übersetzungssysteme?
Die gesamte Infrastruktur für die Verwaltung und Übersetzung von Projekten befindet sich auf einem Internet-Server. Damit sind sowohl die Übersetzungsprogramme als auch die Sprachressourcen wie Translation Memory und Terminologie gemeint.
Ein Übersetzungsdienstleister oder ein Industrieunternehmen stellt das System für die Abwicklung der eigenen Übersetzungsprojekte bereit. Vom Projektmanager bis zum Lektor verwenden die verschiedenen Teilnehmer an der Produktionskette diese Infrastruktur entsprechend ihrer Rechte und Aufgaben. Sie arbeiten on- oder offline. Einige Hersteller haben spezielle Übersetzungsanwendungen entwickelt, die auf unterschiedlichen Endgeräten wie Tablet-Computern installiert werden können.
Webbasierte Translation-Memory-Systeme verfügen über alle Standardfunktionen klassischer TMS. Sie bieten ein Translation Memory (wird in der Offline-Version mit dem Web synchronisiert), einen Editor, Filter für unterschiedliche Datenformate, Wörterbuch, Anschluss zu maschinellen Übersetzungssystemen und einiges mehr.
Die meisten Anbieter unterstützen Datenaustauschstandards wie XLIFF und TMX, sodass man Web-Projekte herunterladen, in einem herkömmlichen Übersetzungssystem wie SDL Studio, Star Transit oder memoQ übersetzen und wieder hochladen kann. Auf dem Server sorgt eine Workflow-Komponente mit Terminverfolgung und Analysefunktion dafür, dass Übersetzungsprojekte planmäßig verlaufen und abgerechnet werden.
Was kostet das?
Die Preise für diese Systeme sind von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich, wobei sie im Vergleich zu client-/serverbasierten Lösungen der traditionellen Anbieter attraktiv sind. Meistens sieht das Preismodell eine monatliche oder jährliche Gebühr vor. Einige Anbieter verbinden das Preismodell mit dem Volumen der Wörter, die mit dem System übersetzt werden.
Neben dem Übersetzen in einem rein privaten Cloud bieten einige Firmen eine Art Hybrid-Lösung, bei der Unternehmen neben ihrem privaten Cloud-Bereich zusätzlich Zugang zu einer offenen Plattform haben, auf der sie ihre Übersetzungsprojekte ausschreiben können. Diese Art „Crowdsourcing“ ist allerdings aufgrund der mangelnden Kontrolle über die Qualifikation der Dienstleister für die Übersetzung professioneller Dokumente nicht zu empfehlen, auch wenn diese Plattform gewisse Mechanismen eingerichtet hat, um die Qualität der Übersetzungen zu prüfen. Einer der führenden Anbieter solcher Hybrid-Lösungen, die Firma Lingotek, bietet seinen Kunden den Zugang zu mehr als 500.000 Übersetzern.
Verschmelzung von webbasierten und traditionellen Übersetzungsumgebungen?
Auf längere Sicht werden webbasierte Übersetzungssysteme und traditionelle Translation-Memory-Umgebungen ineinander übergehen. Webbasierte Übersetzungssysteme werden bis Ende des Jahrzehnts zur normalen Arbeitsumgebung von Übersetzern und Unternehmen gehören.
[Text: D.O.G. news. Quelle: D.O.G. news, 03/2013, Wiedergabe mit freundlichen Genehmigung von Dr. François Massion. Bild: wordbee, cloudwords, D.O.G.]