Die Gerichtsdolmetscherin – Exposé für eine Vorabendserie im deutschen Fernsehen

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Die Darstellerin der Serie sollte auch verträumt dreinblicken können - für die Romanze mit dem verwitweten Richter. - Bild: Jan Steiner / Pixabay

In der Übersetzer-Lounge auf Xing entspann sich im Mai 2013 eine Diskussion darüber, durch welche Maßnahmen man das Image der Berufsgruppe nachhaltig fördern könne. UEPO-Herausgeber Richard Schneider schlug vor, eine Vorabendserie für das Fernsehen zu entwickeln:

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Gerichts- und Polizeidolmetscherin als Heldin des Alltags

Wenn schon, dann sollte zur Imageförderung eine ganze Fernsehserie oder Sendereihe über unsere Berufsgruppe gedreht werden. So wie die Tanzlehrer/Tanzschulen mit „Let’s dance“ und die Immobilienmakler mit „mieten – kaufen – wohnen“ ins Fernsehen gehievt und beglückt wurden. (Vorher hat jahrzehntelang niemand gedacht, dass man so etwas überhaupt im Fernsehen bringen kann.)

In der Hauptrolle stelle ich mir eine „taffe“, aber sympathische Gerichts- und Polizeidolmetscherin mittleren Alters vor. Eine Frau, die „weiß, was sie will“ und die „mit beiden Beinen im Leben steht“.

Hübsch, aber nicht zu hübsch, damit sich die Zuschauer(innen) mit ihr identifizieren können. Am besten eine geschiedene und alleinerziehende Mutter mit einer pubertierenden Göre. Den Ex (charmanter, aber treuloser Italiener) könnte man auch gelegentlich auftreten lassen.

In ihrer Freizeit dolmetscht und übersetzt sie ehrenamtlich für Amnesty International oder Greenpeace. Meist sieht man sie aber wie gesagt im Dienst von Justiz und Polizei – so käme sie mit Menschen jeglicher Couleur, interessanten Fällen und sämtlichen Höhen und Tiefen des Lebens in Berührung.

Einschüchterungs- und Erpressungsversuche durch Angeklagte sorgen für Spannung und Dramatik. Das Dolmetschen bei Eheschließungen und Telefondolmetschen bei Notfall-Entbindungen im Taxi wird die Zuschauer zu Tränen rühren.

Verklemmter Richter als Gegenspieler

Ihr großer Gegenspieler wäre ein Richter. Ein Mittfünfziger mit Brille und graumelierten Schläfen. Vor einem Jahr ist seine Frau verstorben, seitdem steckt er in einer Lebenskrise. Ihn plagen Selbstzweifel, die er mit autoritärem Auftreten zu überspielen sucht.

Im Lauf der Serie kommen sich die beiden näher … Der verklemmte Jurist wird zunehmend lockerer und gewinnt wieder Freude am Leben. In Staffel 2 wird dann geheiratet.

Gerichtsdolmetscher-Serie vereint mehrere Genres

Die Serie würde viele Aspekte vereinen, die bisher in separaten Genres wie Gerichtsshows, Polizei- und Frauenserien erzählt werden.

Und sie würde die Wirklichkeit unserer Berufsgruppe so zeigen, wie sie ist: interessant, vielseitig, spannend – ganz nah am Menschen und im Dienst der Völkerverständigung.

Nebenbei könnte man den Zuschauern endlich einmal erklären, was der Unterschied zwischen dem Dolmetschen und dem Übersetzen ist.

Auf jeden Fall ein potenzieller Quotenhit im Vorabendprogramm!

„Und täglich grüßt der Kostenbeamte“ – Themen gibt es genug

Welchen Titel soll unsere Fernsehserie haben? Hier das Ergebnis unseres Büro-Brainstormings:

„Lost in translation“ kommt nicht infrage. Eindeutig zu lang ist „Alles, was Sie schon immer übers Dolmetschen und Übersetzen wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten“. „Lola dolmetscht“ ist vielleicht ganz pfiffig. „Eine Übersetzerin namens Wanda“ klingt langweilig. Verworfen wurde der Vorschlag „Cordula – Schicksalsjahre einer Dolmetscherin“. In Anlehnung an einen Hitchcock-Klassiker und das Charakteristische unseres Berufs wäre aber „Die unsichtbare Dritte“ durchaus treffend.

Das wird auf jeden Fall ganz großes Kino. Deshalb können wir uns auch bei den Titeln der einzelnen Episoden ruhig an Kassenschlagern orientieren. In jeder Folge würde ein anderes Teilgebiet unserer Berufspraxis vorgestellt:

  • „Und täglich grüßt der Kostenbeamte“ (über die Abrechnungsmodalitäten des JVEG, Rahmenverträge usw.)
  • „Nicht ohne meinen Stempel“ (zum Thema beglaubigte Übersetzungen)
  • „Das TM des Grauens“ (über die Schwierigkeiten im Umgang mit Translation Memories)
  • „Vier Euro für ein Halleluja“ (über den Sprachendienst im Vatikan)
  • „Die unerträgliche Leichtigkeit des Heinz“ (wie ein Möchtegern-Dolmetscher mächtig auf die Nase fällt)
  • „Ich weiß, was du letzten Sommer übersetzt hast“ (unsere Heldin kommt einem Kollegen auf die Schliche, der für die Rüstungsindustrie / das Rotlichtmilieu / die Rockerszene oder eine andere gesellschaftlich geächtete Kundengruppe übersetzt)
  • „Fluch der Didaktik“ I, II und III (über das Sprachkursegeben an der Volkshochschule)

Sozialkritisch wird es in der Doppelfolge „Ganz unten“ zum Thema Dumping-Preise und „Endstation Altersarmut“ zur Vorsorgeproblematik der Freiberufler/Selbstständigen.
Aber es gibt auch viel Positives, etwa über die Freuden der Verbandsarbeit in „Wie ich lernte, den DVÜD zu lieben“ oder auch „Der diskrete Charme des BDÜ“.

Selbst die allgemeine Sprachwissenschaft soll nicht zu kurz kommen: In der Folge „Das Schweigen der Männer“ erläutert Ranga Yogeshwar in einer Gastrolle als aufstrebender Germersheimer Junior-Professor, warum Frauen sprachbegabter sind – und was die Natur sich dabei gedacht hat.

Damit hätten wir die erste Staffel schon komplett.

Wen soll ich eigentlich für die Hauptrolle kontaktieren? Collien Fernandes und Minh-Khai Phan-Thi hätten sicher Zeit. Wenn das zu exotisch ist, vielleicht auch einfach die sympathische Mariele Millowitsch?

Richard Schneider