Langenscheidt: „Babo“ ist Jugendwort des Jahres – Lob und Kritik von Jugend- und Sprachforschern

Jugendwort 2013, Jury-Mitglieder
Neun der insgesamt 13 Jury-Mitglieder, die 2013 im Anschluss an die Internet-Abstimmung über das Jugendwort entschieden haben.

Die Initiative Jugendwort des Jahres hat die Jugendwörter des Jahres 2013 bekannt gegeben:

  1. Babo (Boss, Anführer, Chef; aus dem Kurdischen)
  2. fame (toll, super, berühmt)
  3. gediegen (super, cool, lässig)
  4. in your face (Dir hab ich’s gegeben! Da hast Du’s!)
  5. Hakuna matata (Kein Problem. Alles klar.)

In den Vorjahren hatten es folgende Ausdrücke auf Platz 1 geschafft:

  • 2012: YOLO (you only live once)
  • 2011: Swag
  • 2010: Niveaulimbo
  • 2009: hartzen
  • 2008: Gammelfleischparty

Eine Aktion von Langenscheidt, YOU, YAEZ und Mädchen

Das „Jugendwort des Jahres“ ist eine Initiative der Langenscheidt GmbH & Co. KG in Kooperation mit der Jugendmesse YOU, der Jugendzeitung YAEZ und der Zeitschrift Mädchen.

Seit 2008 werden Jugendliche jährlich aufgerufen, auf www.jugendwort.de ihre Lieblingswörter einzureichen und zu diskutieren. Ab Mitte des Jahres heißt es dann: Ran ans Voting! 30 Wörter stehen zur Wahl und jeder darf bis 31. Oktober für seinen Favoriten stimmen.

Die Besten der Besten kommen in die nächste Runde und werden der Jury Anfang November vorgelegt. Diese wählt schließlich nach vielen Diskussionen aus den Top 15 des Online-Votings das Gewinnerwort sowie die Plätze 2 bis 5.

Beurteilungskriterien sind die sprachliche Kreativität, die Originalität, der Verbreitungsgrad des Wortes sowie aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse. Die besten Einreichungen haben zudem die Chance, in der jährlichen Ausgabe des Langenscheidt-Wörterbuchs „100% Jugendsprache“ zu erscheinen.

Kiezdeutsch-Forscherin Heike Wiese begrüßt die Wahl

Die Germanistin Heike Wiese (47), Professorin für die deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam, freut sich über die Wahl von „Babo“ zum Jugendwort des Jahres. Wiese ist Autorin des 2012 erschienen Buches Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht. Gegenüber Focus Online erklärt sie:

„Es hat mich positiv überrascht, weil es ein Wort ist, das man kennt. Früher kannte die Jugendwörter des Jahres, etwa Gammelfleischparty, niemand. […] Der Verlag will das Thema Jugendsprache in die Medien bringen. Er lässt Vorschläge im Internet einreichen, was das Humorige fördert. Das ist keine sprachwissenschaftliche Methode, soll es ja aber auch nicht sein. In diesem Fall hat es aber funktioniert, vielleicht eher ein Zufallstreffer, aber das Wort wird tatsächlich auch von Jugendlichen verwendet. […] Ich habe es als Anrede gehört: ,Wie geht’s, Babo?‘ Es geht in Richtung Chef und wird ironisch gebrochen benutzt. Im Berlinischen wäre es mit Meister zu vergleichen.“

Kritik vom Deutschen Jugendinstitut: „Bild der Jugend wird verzerrt“, „geschickter Marketing-Gag“

Der staatliche Jugendforscher Wolfgang Gaiser vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München kann der Aktion nicht viel abgewinnen: „Wenn Spaßformulierungen herausgehoben werden, als ob sie das Sprach- und Denkniveau der Jugend heute wären, verzerrt dies das Bild über die Jugend von heute. Wir haben aber eine gut ausgebildete, weltoffene, sprachkompetente Jugend in Deutschland.“ Das Bild der Jugend werde „unter solchen komischen Labels“ ins Negative gezogen.

Mit der Jugendwort-Wahl wirbt Langenscheidt stets auch für sein alljährlich zum selben Zeitpunkt erscheinendes Jugendsprache-Wörterbuch. Dazu meint Gaiser: „Mit solchen Spielereien Aufmerksamkeit für Verlagsprodukte zu erzielen und Leserschaften zu binden, ist ein geschickter Marketing-Gag.“

Das DJI wurde 1963 auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet. Es wird aus Steuergeldern des Bundes, der Länder, der EU und Forschungsmitteln finanziert. Mehr als 140 wissenschaftliche Mitarbeiter „untersuchen langfristig und systematisch die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen, Frauen, Männern und Familien“, wie es auf der Website des DJI heißt.

Anatol Stefanowitsch: „Scheitern lexikografischen Sachverstands“

Der in den sozialen Medien bestens bekannte Sprachforscher Dr. Anatol Stefanowitsch (43), zurzeit Professor für Sprachwissenschaft am Institut für englische Philologie der Freien Universität Berlin, stößt in dasselbe Horn, nimmt es aber mit Humor.

In dem gemeinsam mit zwei anderen Autoren betriebenen „Sprachlog“ hat er unter der Überschrift „Ich war jung und brauchte das Wort“ eine Glosse verfasst, in der er darüber mutmaßt, wie die Wahl zum Jugendwort des Jahres abläuft. Er beschreibt „die geheime Geschichte dieses Wörterwahl gewordenen Scheiterns lexikografischen Sachverstands“.

Stefanowitsch ist eine Art Bastian Sick für taz– und Emma-Leser_innen. Er wurde vor allem durch sein 2007 eingerichtetes „Bremer Sprachblog“ bekannt, in dem er sprachwissenschaftliche Themen allgemeinverständlich aufgriff und sich als Kritiker der Sprachkritiker profilierte.

Weiterführende Links zum Thema

www.sprachlog.de/2013/11/25/ich-war-jung-und-brauchte-das-wort

www.jugendwort.de

[Text: Richard Schneider. Quelle: jugendwort.de; Mittelbayerische, 2013-11-25; sprachlog, 2013-11-25; Focus Online, 2013-11-26. Bild: Langenscheidt.]