Die Feuerwehr der Stadt Arnsberg im Sauerland geht bei der Bewältigung ihrer Einsätze neue Wege und ist ab sofort darauf vorbereitet, an Schadensstellen bei Bedarf auch mehrsprachig mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Hierfür übergab der Koordinator des Projekts zur interkulturellen Öffnung der Arnsberger Wehr, Feuerwehr-Pressesprecher Peter Krämer, am 24. März 2014 die ersten Exemplare eines „Einsatz-Wörterbuchs“ an Bürgermeister Hans-Josef Vogel und Wehrführer Bernd Löhr.
Was steckt hinter diesem neuartigen Ansatz?
Die Auswirkungen einer sich stetig wandelnden Gesellschaft machen auch vor der Arbeit der Arnsberger Feuerwehr nicht halt. So wird die Bevölkerung auch in der Ruhr-Stadt nicht nur immer älter, sondern auch immer bunter. Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen leben in Arnsberg. Sie alle gleichermaßen zu schützen, ist die Aufgabe der Feuerwehr.
Im Einsatzfall können sich für die Blauröcke aber Probleme dadurch ergeben, dass Personen, die sich in einer Notlage befinden und mit denen die Wehrleute kommunizieren müssen, über nur geringe oder gar keine Deutschkenntnisse verfügen.
Die Feuerwehr der Stadt Arnsberg möchte daher mit einem Einsatz-Wörterbuch insbesondere ihren Führungskräften, die in der Funktion eines Einsatzleiters in Kontakt mit Menschen kommen, die der deutschen Sprache nicht oder nur teilweise mächtig sind, eine sprachliche Hilfestellung an die Hand geben. Diese soll sie dazu in die Lage versetzen, in einer Einsatzsituation in der jeweils erforderlichen Sprache die wichtigsten Anweisungen zu geben und Fragen zu stellen, um die für einen erfolgreichen Einsatzverlauf erforderlichen Informationen zu übermitteln und zu erhalten.
Hierbei sind die in dem Wörterbuch aufgeführten Fragestellungen so formuliert, dass entweder eine „Ja/Nein“-Antwort möglich ist, welche durch Nicken oder Kopfschütteln gegeben werden kann, oder die Übermittlung der erbetenen Information durch Zeigen möglich ist.
Alle Fahrzeuge der Arnsberger Wehr werden ausgestattet
Damit die Wörterbücher bei allen Einsätzen zur Hand sind, wird künftig auf jedem der insgesamt 62 Einsatzfahrzeuge der Arnsberger Feuerwehr ein Exemplar dieses mehrsprachigen Führungsmittels mitgeführt. Mit seinem kompakten DIN-A5-Querformat passt es in jedes Handschuhfach, und durch seine übersichtliche grafische Gestaltung, für die die Arnsberger Druckerei F. W. Becker verantwortlich zeichnet, kann das Wörterbuch auch bei der besonderen Stressbelastung, die ein Feuerwehr-Einsatz für die Einsatzleiter mit sich bringt, schnell und verlässlich eingesetzt werden. Zudem erhalten die in der Stadt Arnsberg ansässigen Kulturvereine mehrere Exemplare des Wörterbuchs, damit auch dort bekannt ist, auf welche Weise die Feuerwehr in Zukunft bei einem Ernstfall mit ihren Landsleuten kommunizieren kann.
Das Einsatz-Wörterbuch der Arnsberger Feuerwehr ist landesweit einzigartig. Seine Herstellung wurde mit finanziellen Mitteln der BürgerStiftung Arnsberg realisiert. Bürgermeister Vogel und Wehrführer Löhr dankten der Vertreterin der BürgerStiftung Arnsberg, Frau Petra Schmitz-Hermes, die ebenfalls an der Übergabe teilnahm, für diese Unterstützung. „Besonders in Zeiten knapper öffentlicher Mittel ist diese Form der öffentlich-privaten Kooperation richtungsweisend und ein erfolgreiches Modell der gemeinsamen Übernahme von Verantwortung für unsere Zivilgesellschaft.“, so Bürgermeister Vogel.
Einsatz-Wörterbuch wurde in interaktivem Prozess entwickelt
Auch das Zusammentragen der Übersetzungen in dem Wörterbuch erfolgte im Rahmen eines neuartigen interaktiven Prozesses. Im ersten Schritt wurden die erforderlichen Anweisungen und Fragen, die in dem Nachschlagewerk Berücksichtigung finden sollten, durch einen Arbeitskreis aus interessierten Angehörigen der Arnsberger Wehr gesammelt.
Dann kam es zu einem ersten Praxis-Test im Rahmen des „Dies Internationalis“, dem Arnsberger Fest der Kulturen am 08. Juni 2013 auf der Neheimer Marktplatte. Hier wurden Passanten mit einem mehrsprachigen Hintergrund gebeten, die in Tabellen vorgefertigten Sätze in ihre jeweilige Muttersprache zu übersetzen. Die Resonanz der Gäste auf diesen Aufruf der Feuerwehr war sehr erfreulich, so dass innerhalb eines Tages der Großteil des Wörterbuches mit Übersetzungen gefüllt werden konnte.
Abschließende Prüfung durch Sprachenprofis
An der weiteren fremdsprachlichen Aufbereitung beteiligten sich Angehörige des Fremdsprachenzentrums der Universität Bielefeld unter der Leitung von Frau Dr. Susanne Hecht sowie Parthena Soulidou von der Technischen Universität Dortmund. Die Universitäten gewährten diese Unterstützung unproblematisch und kostenlos.
Die abschließende Ergänzung und Verifizierung der bereits gesammelten Übersetzungen oblag Richard Schneider vom Übersetzungsbüro Schneider in Soest, der die Lektoratsarbeit von neun muttersprachlichen Berufsübersetzern finanzierte. Hierfür dankt die Arnsberger Feuerwehr ausdrücklich.
Ein besonderer Dank gilt darüber hinaus Dr. Ahmet Arslan, Islamkundelehrer aus Meschede, ohne dessen wertvolle und kontinuierliche Unterstützung dieses Wörterbuch und das gesamte Projekt des interkulturellen Dialogs der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Arnsberg in dieser Form heute wohl nicht existieren würden.
„Arnsberger Feuerwehr noch besser auf Ernstfall vorbereitet“
Abschließend blickte Arnsbergs Wehrführer Bernd Löhr im Rahmen des Übergabe-Termins optimistisch in die Zukunft: „Ich freue mich sehr darüber, dass wir mit Hilfe von Institutionen und Experten, aber vor allem auch mit der Unterstützung von unseren Feuerwehrangehörigen dieses Einsatz-Wörterbuch Realität werden lassen konnten. Und ich bin schon sehr gespannt auf seine ersten Bewährungsproben im Einsatz – obgleich ich natürlich hoffe, dass dies nicht allzu oft vorkommen möge. Doch sollte dieser besondere Ernstfall eintreten, ist die Arnsberger Feuerwehr mit dem Einsatz-Wörterbuch ab sofort noch besser auf ihn vorbereitet.“
Sat.1 und WDR berichten über Wörterbuchprojekt
Das Einsatz-Wörterbuch der Feuerwehr der Stadt Arnsberg ist nun auch Gegenstand der landesweiten medialen Berichterstattung. Ende März war ein Kamera-Team des Fernsehsenders Sat.1 an der Feuerwache in Alt-Arnsberg und hat einen Beitrag für die Sendung „17:30 Sat.1 NRW: Aktuell“ gedreht.
Neben Statements von Bürgermeister Hans-Josef Vogel und Feuerwehr-Pressesprecher Peter Krämer zum Hintergrund der Erstellung des Wörterbuchs hatte auch die Mannschaft der hauptamtlichen Wachabteilung einen Auftritt.
Sie sprachen einige der in dem Wörterbuch enthaltenen Fragen und Anweisungen in verschiedenen Sprachen in die Kamera. Zudem machte die Kamera-Crew von Sat.1 die Probe aufs Exempel und erprobte, ob sich das Einsatz-Wörterbuch auch im Notfall bewährt.
Hierfür wurde zum einen eine Unfall-Szene nachgestellt, in der Brandmeister Benjamin Hugo mit Hilfe des Wörterbuchs auf Polnisch einige Fragen zum körperlichen Befinden an das Unfallopfer richtete. Zudem testete Pressesprecher Peter Krämer, ob er sich auf Russisch gegenüber der Vorsitzenden des in Neheim beheimateten Russischen Kulturvereins Nadezda, ihres Zeichens Sprachlehrerin, verständlich machen kann.
Die rund zweieinhalbstündigen Dreharbeiten waren für alle Beteiligten ein zwar herausforderndes, aber auch ein ebenso spannendes und bereicherndes Erlebnis. Die Arnsberger Wehr konnte sich somit schon mal auf die erste Bewährungsprobe des Einsatz-Wörterbuchs im Real-Einsatz vorbereiten, auch wenn dessen Gebrauch im Sinne der Betroffenen hoffentlich nicht allzu häufig erforderlich sein wird.
Mitte April 2014 berichtete auch das Fernsehen des WDR (Westdeutscher Rundfunk) über das Wörterbuchprojekt der Arnsberger Feuerwehr.
Weiterführende Links
[Text: Peter Krämer, Pressesprecher Feuerwehr Arnsberg. Quelle: Feuerwehr Arnsberg, Februar/März 2014. Bild: Feuerwehr Arnsberg.]