„1 bis 2 Stunden pro Begriff“ – Terminologiearbeit kostet Geld – Wie den Chef überzeugen?

GeldDank der Aktivitäten des Deutschen Terminologie-Tags (DTT) und der Gesellschaft für technische Kommunikation (tekom) ist Terminologie heute ein anerkanntes Werkzeug von Redakteuren und Übersetzern. Diese Spezialisten braucht man nicht zu bekehren. Sie erleben, wie die Modularisierung von Dokumenten und Übersetzungen und die wachsende Arbeitsteilung klare terminologische Regelungen notwendiger denn je machen.

1 bis 2 Stunden Arbeit pro Begriff

Wenn man die Arbeitskosten aller Beteiligten korrekt zusammenaddiert, die am Aufbau eines Firmenwörterbuchs in 5 oder 10 Sprachen mit entsprechenden Definitionen und Zusatzinformationen arbeiten, kommt man auf beträchtliche Summen. Sehr leicht erreicht man in der gesamten Terminologieerstellungskette 1 bis 2 Stunden Arbeit pro Begriff.

Dazu kommen noch Investitionen in Software und in die regelmäßige Pflege der Terminologiebestände. Am Ende steht man vor der Herausforderung, Budgets in fünf- oder gar sechsstelliger Höhe zu beantragen.

Viele sind versucht, einen großen Teil des Arbeitsaufwands unter den Teppich zu kehren, in der Hoffnung, dadurch die Investition irgendwie durchboxen zu können. Sie erwähnen nicht, dass Produktentwickler Informationen für Definitionen liefern, Mitarbeiter in Auslandsniederlassungen Übersetzungen prüfen, ein Terminologiekreis die Einträge freigeben und IT-Mitarbeiter das Terminologieverwaltungssystem (TVS) und die Infrastruktur betreuen müssen. Sie sind auf den guten Willen dieser Experten angewiesen, die diese notwendigen Aufgaben parallel zu ihrem üblichen Pensum absolvieren.

Entscheider stehen Terminologieinvestitionen skeptisch gegenüber

Die meisten Entscheider stehen Terminologieinvestitionen mit großer Skepsis gegenüber. Egal wie attraktiv der errechnete ROI (Return on Investment) ist, ist der Nutzen für diese Entscheider oft nicht greifbar. Der größte Teil der Einsparungen besteht aus gewonnener Zeit für Recherche und für Kommunikation, und sie betrachten diese Zeitfaktoren als „Eh-da-Nutzen“, da die betroffenen Mitarbeiter größtenteils bereits auf der Gehaltsliste stehen.

Darüber hinaus ist das begrenzte Verständnis dieser Entscheider für Sprachqualität und Terminologiefragen nicht gerade förderlich. Sie beschäftigen sich ja sonst mit ganz anderen Themen.

Die Frage stellt sich also, ob eine klassische ROI-Analyse der richtige Weg für dieses Vorhaben ist. In der Tat werden Terminologieinvestitionen so dargestellt wie jede andere operative Investition, z. B. für die Anschaffung einer Maschine oder die Einstellung eines neuen Mitarbeiters.

Investitionen in Terminologiearbeit sind strategischer Natur und langfristig ausgelegt

Wenn man Terminologieinvestitionen genauer betrachtet, stellt man aber fest, dass sie mehr mit strategischen Investitionen gemeinsam haben: Sie sind langfristig ausgelegt, betreffen das ganze Unternehmen oder große Teile davon und sind nicht in allen Einzelheiten kalkulierbar, da mehrere Komponenten schwer zu ermitteln sind.

Genau dieser strategische Ansatz ist derjenige, der Entscheider umstimmen kann. Sie beschäftigen sich im Alltag mit der Unternehmensstrategie, mit der Optimierung der Produktion, mit dem Ausbau von Marktanteilen, mit Produktinnovationen o. ä. Der Argumentationsansatz lautet daher: „Terminologie hilft Ihnen, diese Ziele schneller und genauer zu erfüllen“.

Der Einstieg erfolgt über Wissen und Kommunikation. Es sind zwei Komponenten, die man in jeder Unternehmensstrategie findet. So hat zum Beispiel die Firma Vodafone Ende 2012 ihre neue Strategie „ONE“ gestartet. Sie stellt u. a. folgende Ziele in den Mittelpunkt: Verstehen, was die Kunden möchten; einen besseren Service bieten; innovative Produkte entwickeln. Es ist hier offensichtlich, dass Terminologie dem Erreichen dieser Ziele sehr gute Unterstützung bietet.

Wissen muss erarbeitet werden

Das Wissen ist nicht einfach vorhanden, sondern es ist ein Produkt, das gewonnen und aufgebaut werden muss. Das Wissen einzelner Personen muss in ein unternehmensweites Wissen umgewandelt werden. Erst dann kann das Unternehmen auf sein Know-how zugreifen, es einsetzen und es mit Mitarbeitern, Lieferanten, Partnern oder Kunden austauschen. Genauso muss es Wissen aus dem Markt und der Gesellschaft gewinnen, um es erfolgreich für seine Strategie verwenden zu können.

Wissen ist mehrsprachig

Was Strategen auch manchmal vergessen, ist, dass dieses Wissen in einem globalen Markt nicht nur „deutsch“, sondern auch fremdsprachig ist.

Strategisch gibt es eine Vielzahl von Projekten, bei denen Unternehmen Wissen einsetzen können, u. a. für:

  • Die Unterstützung komplexer Produktionsprozesse;
  • Die Schaffung neuer Wissensprodukte wie etwa eines intelligenten Verkaufsportals;
  • Den Aufbau eines Expertensystems (Support, Vertrieb …);
  • Die interaktive Kommunikation von Maschinen, Fahrzeugen, Geräten untereinander aber auch mit Benutzern;
  • Das Erkennen neuer Entwicklungen am Markt oder die Gewinnung strategischer Informationen;
  • Akquisitionen und strategische Kooperationen.

 

Mit dem Verständnis von Terminologie als „Wissensmaterie“ hat man also auf einmal die Möglichkeit, über strategische Investitionen zu reden, bei denen ganz andere Entscheidungsargumente gelten.

Welche Mitarbeiter sollen die Terminologiearbeit durchführen?

Wer soll aber diese Wissenssysteme, die die Firmenstrategie so gut bedienen, aufbauen? In vielen Firmen machen dies hauptverantwortlich zwei Expertengruppen. Zuerst einmal die „Wissensarchitekten“. Es sind Spezialisten, die für eine bestimmte Wissensaufgabe Begriffe extrahieren, diese strukturieren und miteinander verknüpfen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Ontologien.

Dann gibt es die Entwickler, die diese Ontologien softwaretechnisch umsetzen, Abfragemodelle für Informationen entwickeln und die Lösung in die geplante Arbeitsumgebung (z. B. Intranet oder Plattform) integrieren.

Nicht immer werden Terminologen beteiligt, obwohl sie ein ganz spezielles Know-how mitbringen, das die Effizienz, Treffsicherheit und Genauigkeit von Wissenssystemen spürbar verbessern würde. Sie erfassen mehrsprachig alle möglichen Benennungen zu einem Begriff und bauen somit Brücken zum Sprachgebrauch der Benutzer von Wissenssystemen. Durch den stetigen Aufbau der Firmenterminologie halten sie außerdem ein gut strukturiertes Reservoir an Begriffen mit dazugehörigen mehrsprachigen Benennungen bereit und beschleunigen dadurch die Umsetzung neuer strategischer Wissensprojekte.

Was wäre also für den Terminologen der nächste Schritt, um sein Investitionsvorhaben nach vorne zu bringen? Er muss zuerst einmal geeignete strategische Ziele im Unternehmen identifizieren und beteiligte Mitarbeiter oder Abteilungen ansprechen. Mit diesen Partnern kann er dann den spezifischen Beitrag der Terminologie ausarbeiten und auf dieser Basis konkrete Umsetzungsvorschläge eventuell mit der Produktion eines Prototyps anfertigen. In diesen Vorschlag wird er die Terminologieinvestitionen (Ressourcen / benötigte Software) einbetten.

DTT bietet Best-Practices-Ordner zur Terminologiearbeit

Sicherlich wird nach wie vor ein Großteil der Terminologieinvestitionen „klassisch“ beantragt. Eine Arbeitshilfe dazu findet sich beim DTT in der neuen Auflage des Best-Practices Ordners („Terminologiearbeit: Best-Practices 2.0“, 50 Euro, zu bestellen beim DTT). Aber für manche strategischen Projekte, die zweifellos in fast allen mittleren oder größeren Unternehmen vorhanden sind, öffnen sich für die Terminologie als Baumaterial des Wissens ganz neue Perspektiven.

[Text: D.O.G. Dokumentation ohne Grenzen GmbH. Quelle: D.O.G. news, 02/2014. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion. Bild: Fotolia.de.]