„Sinnentleerte Verfahren“? Dolmetscher drehen oft Däumchen bei Klagen gegen abgelehnte Asylanträge

JustitiaKeine einzige der vielen Zehntausend Klagen gegen abgelehnte Asylanträge kann ohne Dolmetscher verhandelt werden. Da hat die Fraktion der gerichtlich Vereidigten unter den Berufsdolmetschern auf Jahre hinaus mehr als genug zu tun, könnte man meinen. Dass es trotzdem oft anders läuft als gedacht, beschreibt die Rheinische Post.

Ein Foto zeigt einen Saal des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, in dem etwas verloren lediglich zwei Personen sitzen. Die Bildunterschrift lautet: „Richter Paul Heuser und Dolmetscherin Ifeta Dedolli warten auf Kläger – oft vergeblich.“

Die Plätze vor dem Richter bleiben jedenfalls leer, wie so oft. Kein Kläger, kein Anwalt, das Amt schickt sowieso selten einen Vertreter. Vor dem Richter sitzt nur die Dolmetscherin. […] Er wartet eine Viertelstunde, während die Morgensonne durch die hohen, staubigen Fenster auf viele leere Stühle scheint. Dann darf er die erste Verhandlung beenden. „Die Akte wird geöffnet und ergebnislos wieder geschlossen“, berichtet er seinem Diktiergerät.

Weil die Klagen aussichtslos sind, erscheinen die Kläger erst gar nicht. Die Dolmetscherin hat nichts zu dolmetschen und muss fürs Herumsitzen bezahlt werden.

Allein beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht seien in diesem Jahr schon mehr als 3.700 Klagen wegen abgelehnter Asylanträge eingegangen, davon gut die Hälfte „von abgelehnten Asylbewerbern aus Staaten, die früher zu Jugoslawien gehörten“. Im Gericht spreche man von einer extremen Belastung.

Es sind Klagen nahezu ohne Aussicht auf Erfolg: In keinem Verfahren ist es einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnten Asylbewerber aus diesen Ländern gelungen, vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht doch noch als politisch Verfolgter anerkannt zu werden.

Geklagt wird trotzdem, weil sich dadurch die Abschiebung um Monate – wenn nicht gar um Jahre – verzögern lässt. Eine Gerichtssprecherin sprach kürzlich von vielen „sinnentleerten Verfahren“.

Cottbus: 3.000 Verfahren stauen sich beim Verwaltungsgericht

Der RBB beschreibt, wie ein Prozess vor dem Verwaltungsgericht Cottbus abläuft:

Der Pakistani spricht kein Deutsch und nur wenig Englisch. Eine Dolmetscherin für Urdu musste gefunden werden. Sie kam am Morgen aus Berlin. Jeder Satz des Richters, jede Frage, jede Antwort muss gedolmetscht werden. Dabei hat Richter Störmer sicherzustellen, dass die Dolmetscherin ihn richtig verstanden hat. Anschließend muss er das Gesagte zusammenfassen und in sein Diktiergerät sprechen. Er allein ist in diesem Fall die Kammer, so führt er auch allein Protokoll.

„Wir werden mit Asyl-Eilverfahren geradezu zugeschüttet“, erklärt der Cottbuser Verwaltungsrichter Gregor Nocon. „Wir sind der Flaschenhals zwischen Erstaufnahmestelle und der ganz klassischen Verwaltungsarbeit in der Kommune.“

Dadurch könne man kaum noch die eigentlichen Aufgaben eines Verwaltungsgerichts wahrnehmen, so Nocon: „Die innerstaatliche Rechtspflege ist schon jetzt zum Erliegen gekommen.“

In Frankfurt an der Oder hatten die Verwaltungsrichter bereits 2014 mehr Asylverfahren als klassische Verfahren zu bearbeiten, weil in deren Bezirk die Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt liegt.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Rheinische Post, 2015-08-27; rbb online, 2015-09-02. Bild: Richard Schneider.]