Dolmetschen für die Hamburger Polizei und Justiz: mickrige Bezahlung für gute Arbeit

GerichtssaalWer gute Arbeit leistet, sollte dafür auch angemessen bezahlt werden – doch geschieht das wirklich immer? Um dies zu prüfen, hat der ADÜ Nord im vergangenen Jahr einen besonderen Aufruf an die Kollegenschaft gerichtet.

Der ADÜ Nord hat Dolmetscher, die für die Hamburger Polizei und Justiz tätig sind, im Rahmen einer Online-Umfrage dazu befragt, wie sich die Hamburger Praxis der Vergütung aus ihrer Sicht darstellt.

Umfrageergebnisse bestätigen Befürchtungen

Die Ergebnisse dieser Umfrage liegen inzwischen vor und zeichnen wie die Ende 2015 erteilte Senatsantwort auf die Große Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion (siehe Link unten) ein düsteres Bild.

Die Justizdolmetscher sehen sich mit Regelungen und Strukturen konfrontiert, die vor allem einem Zweck zu dienen scheinen: den Hamburger Landeshaushalt ungeachtet eines zuletzt erquicklichen Haushaltsüberschusses auf Kosten der Justizdolmetschervergütungen zu „optimieren“.

Aushebelung des JVEG durch Rahmenverträge

Das Konzept der Polizei und Justiz besteht darin, die bundesrechtlichen Regelvergütungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) durch so genannte Rahmenverträge zu unterlaufen, beziehungsweise im Falle von Dolmetschaufträgen durch die Hamburger Polizei von vornherein zu ignorieren.

Die Hamburger Justiz verwendet den eigentlich der Verwaltungsvereinfachung dienenden § 14 JVEG als Hebel für Kosteneinsparungen, das heißt, sie schließt grundsätzlich Vergütungsvereinbarungen unter Gesetzestarif ab.

Polizei nicht an JVEG gebunden

PolizeiDa die Polizei nicht an das JVEG gebunden ist und in ihrem Bereich eine Monopolstellung innehat, nutzt sie ihre institutionelle Marktmacht entsprechend den Senatsvorgaben für eine eigene, „schlanke“ Vergütungspolitik. Hier liegen die gewährten Vergütungen sogar noch niedriger, nämlich bei etwa bei der Hälfte des regulären JVEG-Tarifs.

Tatsächliche Vergütung nicht existenzsichernd

Wem bekannt ist, dass die JVEG-Tarife nach dem Willen des Bundesgesetzgebers als
auskömmliche Freiberuflertarife gedacht sind, also eine existenzsichernde Vergütung darstellen sollen, der wird verstehen, dass das systematische und teils massive Unterlaufen der gesetzlichen Regelvergütungen weder für die Anbieterlandschaft noch für die Rechtspflege ohne Folgen bleiben kann.

Altersarmut für Gerichts- und Polizeidolmetscher vorprogrammiert?

Wer als Freiberufler nicht sehenden Auges am Fundament der eigenen Altersarmut mitarbeiten will, orientiert sich um und sucht sich zahlungswilligere Kunden als die Polizei und Justiz.

Wer, warum auch immer, auf Aufträge der Polizei und Justiz angewiesen ist, hat ein existenzielles wirtschaftliches Problem, für das die Senatspolitik mit ihren Vorgaben für die Justiz- und Innenbehörde in erheblichem Maße mitverantwortlich ist.

Insgesamt betätigen sich die Justizdolmetscher in einem stark unterfinanzierten Sondermarkt, der nur deshalb noch nicht zusammengebrochen ist, weil manche Berufskolleginnen und -kollegen aufgrund ökonomischer Zwänge kurzfristige Sonderopfer zu Lasten der eigenen Altersvorsorge erbringen. Andere betreiben in der eigenen Geschäftstätigkeit eine Art erzwungene Quersubventionierung zugunsten des Staates.

Wer es sich leisten kann, arbeitet nicht mehr für Polizei und Justiz

Die Folge dieser Vergütungspolitik: eine Abwanderung der kaufmännisch denkenden Köpfe und ein zähneknirschendes Kooperieren der Übrigen. Es bedarf keiner besonderen Phantasie zu erkennen, dass sich die Zwickmühle aus Loyalität zur Stadt Hamburg einerseits und kaufmännischer Rationalität andererseits zwangsläufig auf die Qualität der bei der Polizei und in der Justiz erbrachten Dolmetschleistungen auswirken muss – und damit letztlich auf die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

ADÜ Nord leistet Aufklärungsarbeit und sucht Verbündete in Politik und Gesellschaft

ADÜ NordDer ADÜ Nord betrachtet die beschriebene Situation bereits seit geraumer Zeit mit großer Sorge und setzt sich für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten der Justizdolmetscher ein.

Hierzu gehört nicht nur Aufklärungsarbeit über die bestehenden Missstände, zum Beispiel durch die nun vorliegenden Ergebnisse unserer Online-Umfrage. Der Verband sucht auch die Zusammenarbeit mit denjenigen politischen und gesellschaftlichen Kräften, die das berechtigte Anliegen der für die Justiz und Polizei tätigen Dolmetscher und Übersetzer unterstützen und die Brisanz der Situation erkannt haben.

Der vor allem in Hamburg und Schleswig-Holstein tätige Berufsverband will kontinuierlich daran arbeiten, eine Allianz mit unseren Unterstützern zu schmieden, um mit vereinten Kräften auf die politisch Verantwortlichen einzuwirken.

Weiterführende Links

www.adue-nord.de

[Text: ADÜ Nord. Quelle: Mitteilung ADÜ Nord, 2016-03-04. Bild: SAS / Fotolia, Gerhard Seibert / Fotolia, ADÜ Nord.]