In einem Gerichtsverfahren gegen tschetschenische Islamisten im österreichischen Graz wurde die Tschetschenisch-Dolmetscherin entlassen, weil sie die Frau eines Zeugen ist.
Die Dolmetscherin hatte bereits die Aussagen von mehreren Personen gedolmetscht. Als dann ein weiterer Zeuge befragt werden sollte, erklärte die Frau, dass es sich dabei um ihren Mann handle. Der könne aber heute nicht kommen. Er lasse sich entschuldigen, weil er sich gerade in Russland aufhalte. Das habe er dem Gericht aber auch schon mitgeteilt.
Der Mann war in einem anderen Verfahren zum selben Themenkomplex angeklagt. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch eingestellt. Im aktuell laufenden Prozess wird er als Zeuge geführt.
„Das hätten Sie früher sagen müssen“, sagte der Staatsanwalt. Die Frau erwecke den Anschein der Befangenheit. Diese familiäre Verstrickung ergebe „ein extrem ungutes Bild“.
Beobachtern war bereits aufgefallen, dass sich die Dolmetscherin in den Verhandlungspausen mit einigen der rund 20 tschetschenischen Zuhörer unterhalten hatte.
Tschetschenisch-Dolmetscher sind schwer zu bekommen, werden oft eingeschüchtert
Allerdings räumte der Staatsanwalt ein, dass es „sehr schwer“ sei, Tschetschenisch-Dolmetscher zu bekommen: „Die anderen trauen sich alle nicht.“ Im Klartext: Tschetschenisch-Dolmetscher werden von ihren angeklagten Landsleuten häufig eingeschüchtert und erpresst. Das Ziel ist dabei eine Verschleppung des Prozesses.
Im aktuellen Fall wurde nach Entlassung der Tschetschenisch-Dolmetscherin für die Zeugenbefragungen nur noch eine ebenfalls anwesende Dolmetscherin für Russisch herangezogen. Nach Ansicht des Gerichts beherrschten die Zeugen tschetschenischer Herkunft hinreichend auch diese Sprache.
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[Text: Richard Schneider. Quelle: Oberösterreichische Nachrichten, 2016-03-11. Bild: Richard Schneider.]