EU: Kommission und Parlament wollen Übersetzungen von öffentlichen Urkunden überflüssig machen

Berlaymont-Gebäude
Das Berlaymont-Gebäude ist Sitz der Europäischen Kommission. - Bild: Andersen Pecorone, Lizenz CC BY 2.0

Das Europäische Parlament hat am 09.06.2016 eine von der EU-Kommission vorgeschlagene Verordnung angenommen, die dafür sorgen soll, dass sich der bürokratische Aufwand und die Kosten für Bürger verringern, die eine in der EU ausgestellte öffentliche Urkunde in einem anderen EU-Land vorlegen müssen.

Aufwand und Kosten entstehen für die Betroffenen durch die zurzeit noch erforderliche Legalisation/Apostille im Herkunftsland und die beglaubigte Übersetzung im Zielland. Um diese zu entlasten, werden folgende Maßnahmen ergriffen:

(1) Entbürokratisierung durch Wegfall von Apostille und Legalisation

Bürger, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben oder in einen anderen Mitgliedstaat ziehen möchten, müssen die Echtheit ihrer öffentlichen Urkunden (z. B. Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden) mit einem Echtheitsvermerk nachweisen.

Für öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden und den Behörden eines anderen EU-Mitgliedstaats vorgelegt werden, ist nach der neuen Verordnung ein solcher Echtheitsvermerk (Legalisation) nicht mehr notwendig, und der damit verbundene Verwaltungsaufwand entfällt.

Die Verordnung behandelt lediglich die Echtheit öffentlicher Urkunden, sodass die Mitgliedstaaten weiterhin ihre innerstaatlichen Vorschriften über die Anerkennung des Inhalts und die Rechtswirkung einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten öffentlichen Urkunde anwenden werden.

(2) Einsparung von Übersetzungskosten durch mehrsprachige Standardformulare

Durch die Verordnung wird außerdem die Pflicht für Unionsbürger abgeschafft, in jedem Fall eine beglaubigte Kopie und eine beglaubigte Übersetzung ihrer öffentlichen Urkunden beizubringen.

Stattdessen sollen mehrsprachige Standardformulare in allen EU-Sprachen entwickelt werden, die den öffentlichen Urkunden als Übersetzungshilfe beigefügt werden sollen. Im Idealfall sollen dann keine Übersetzungen mehr erforderlich sein.

Internet-Zentralregister zur Überprüfung der Echtheit von Urkunden

Die Verordnung enthält Vorkehrungen zur Unterbindung von Betrug: Hat die empfangende Behörde berechtigte Zweifel an der Echtheit einer öffentlichen Urkunde, kann sie deren Echtheit bei der ausstellenden Behörde des anderen EU-Mitgliedstaats über eine bestehende IT-Plattform prüfen (das Binnenmarkt-Informationssystem IMI).

Die Verordnung gilt für öffentliche Urkunden über:

  • Geburt
  • die Tatsache, dass eine Person am Leben ist
  • Tod
  • Name
  • Eheschließung (einschließlich Ehefähigkeit und Familienstand)
  • Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe
  • eingetragene Partnerschaft (einschließlich der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen und Status der eingetragenen Partnerschaft)
  • Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft, Trennung ohne Auflösung der Partnerschaft oder Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft
  • Abstammung
  • Adoption
  • Wohnsitz und/oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts
  • Staatsangehörigkeit
  • Vorstrafenfreiheit
  • das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament

Mehrsprachige Formulare

Mit der Verordnung werden mehrsprachige Formulare als Übersetzungshilfen für öffentliche Urkunden im Hinblick auf Folgendes eingeführt:

  • Geburt
  • die Tatsache, dass eine Person am Leben ist
  • Tod
  • Eheschließung (einschließlich Ehefähigkeit und Familienstand)
  • eingetragene Partnerschaft (einschließlich der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen und Status der eingetragenen Partnerschaft)
  • Wohnsitz und/oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts
  • Vorstrafenfreiheit.

Mitgliedstaaten haben zur Umsetzung mehrere Jahre Zeit

Die Mitgliedstaaten haben ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung zweieinhalb Jahre Zeit, um alle Maßnahmen zu ergreifen, die für eine reibungslose Anwendung der Verordnung nach Ablauf dieser Frist erforderlich sind.

Erfahrungsgemäß lassen sich viele Staaten – auch Deutschland – sehr viel Zeit, EU-Recht in nationales Recht umzusetzen. Die von der EU vorgegebenen Fristen werden dabei oft nicht eingehalten und um mehrere Jahre überschritten.

Justiz-Kommissarin: „Damit helfen wir den Menschen, sich frei in der EU zu bewegen.“

„Das sind gute Neuigkeiten für Menschen, die in ein anderes EU-Land ziehen, um dort z. B. zu studieren oder zu arbeiten“, so Věra Jourová, Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung. „Die Bürger sind häufig mit kostspieligen und zeitaufwändigen Verwaltungsverfahren konfrontiert, wenn sie eine öffentliche Urkunde vorlegen müssen, um in dem Land, in dem sie wohnen, heiraten zu können oder einen Arbeitsplatz zu bekommen. Heute wird dieser Praxis ein Ende gesetzt. Damit helfen wir den Menschen, sich frei in der Europäischen Union zu bewegen.“

EU-Bürger hatten sich über bürokratischen Aufwand und Kosten beklagt

Rund 13 Millionen EU-Bürger leben in einem anderen EU-Land als ihrem Herkunftsland. Laut einer Eurobarometer-Umfrage meinen 73 % der Unionsbürger, dass Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Nutzung öffentlicher Urkunden im EU-Ausland zu erleichtern. Die Bürger beklagen sich oft über den bürokratischen Aufwand und die Kosten, die mit der Ausstellung einer öffentlichen Urkunde, die in einem anderen EU-Land als echt anerkannt werden soll, verbunden sind. Diese zeitaufwändigen Formalitäten sind unverhältnismäßig und unnötig und beeinträchtigen die Bürger dabei, ihre Rechte gemäß den Verträgen auszuüben.

Erfolg hängt von praktischer Umsetzung ab

Ob sich der bürokratische Aufwand für die Bürger tatsächlich spürbar verringert, hängt von der konkreten Umsetzung in jedem einzelnen Mitgliedstaat, bei jeder einzelnen Behörde und bei jedem einzelnen Urkundenformular ab.

Es reicht schon ein fremdsprachiger Stempel auf der ansonsten zwei- oder mehrsprachigen Urkunde, und der Bürger muss doch zum gerichtlich vereidigten Übersetzer laufen.

Ihre gemischten Erfahrungen mit den schon seit vielen Jahren ausgestellten „internationalen Urkunden“ hat die Übersetzerin Anna Janas bereits 2013 auf ihrer Website beschrieben:

[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung Europäische Kommission, 2016-06-09.]