Haftungsrisiko: OLG Köln verpflichtet Ärzte, Leistung von Laiendolmetschern zu prüfen oder Profis zu bestellen

Piktogrammheft (Diagnostik)
Die Bundeszahnärztekammer hat ein Piktogrammheft herausgegeben, das bei der Verständigung mit ausländischen Patienten helfen soll.

Stellen Sie sich vor, Sie müssen zum Zahnarzt, sprechen aber nicht dessen Sprache. Damit überhaupt eine Kommunikation zustande kommt, nehmen Sie einen Verwandten oder Bekannten mit. Wenn es nur darum geht, ein Karieslöchlein zu füllen, mag das noch angehen. Was aber, wenn eine Wurzelbehandlung oder kieferchirurgische Eingriffe notwendig sind?

Haftungsrisiko für Ärzte, wenn Aufklärungsgespräch nicht verstanden wurde

Nicht nur für Patienten ist dieses Szenario die reinste Horrorvorstellung. Auch die Zahnärzte selbst gehen ein hohes Haftungsrisiko ein, wie die Fachzeitschrift Zahnärztliche Mitteilungen (ZM) anmerkt.

„Der Zahnarzt darf erst dann mit der Behandlung beginnen, wenn der Patient in diese eingewilligt hat. Und diese Einwilligung setzt voraus, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde“, heißt es in dem Fachblatt. Aber wie kann sich der Arzt sicher sein, dass die Aufklärung über die Behandlung korrekt übersetzt wurde, wenn Bekannte oder Verwandte des Patienten sprachlich vermitteln, die nur unzureichend Deutsch sprechen?

OLG Köln: Ärzte müssen sich vergewissern, dass korrekt gedolmetscht wurde

Die Zeitschrift verweist auf ein Urteil des Oberlandesgericht (OLG) Köln vom 09.12.2015 (Aktenzeichen 5 U 184/14), das die Ärzte verpflichtet, sich von der Kompetenz des Laiendolmetschers ein Bild zu machen.

Verhandelt wurde ein Fall, bei dem es nach Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks zu einer unvollständigen Lähmung des Ischiasnervs kam. Der türkische Patient, der seine Ehefrau hatte dolmetschen lassen, verklagte daraufhin den Arzt auf 50.000 Euro Schmerzensgeld.

Die Begründung im Rahmen einer so genannten Aufklärungsrüge: „Seine Ehefrau spreche nur bruchstückhaft Deutsch, so dass ein Dolmetscher hätte hinzugezogen werden müssen. Die Aufklärung sei auch inhaltlich unzureichend gewesen, weil über Risiken nicht gesprochen worden sei.“

Diesen Vorwurf wies der behandelnde Arzt zurück. Die Ehefrau des Klägers habe während der gesamten Behandlung als Dolmetscherin übersetzt. Auch die Söhne seien teilweise bei Gesprächen mit den behandelnden Ärzten anwesend gewesen, um die Aussagen zu übersetzen. Der Kläger hätte jederzeit die Hinzuziehung eines Dolmetschers fordern oder die Leistung seiner Unterschrift unter dem Aufklärungsbogen verweigern können, was er aber nicht getan habe.

In diesem Fall wurde die Klage vom OLG nach eingehender Prüfung wie schon von der Vorinstanz am Landgericht letztendlich abgewiesen. Die Ehefrau sprach besser Deutsch als hinterher behauptet wurde. Behandlungsfehler konnten ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Das Gericht stellte jedoch klar:

Wird ein der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtiger Patient in deutscher Sprache aufgeklärt, und werden die Erläuterungen des aufklärenden Arztes – wie hier – durch einen Familienangehörigen übersetzt, muss der Arzt in geeigneter Weise überprüfen, ob der als Dolmetscher agierende Familienangehörige seine Erläuterungen verstanden hat. Hierzu muss der Arzt sich zumindest einen ungefähren Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers verschaffen.

 

Anschließend muss er durch eigene Beobachtung feststellen, dass dem Patienten übersetzt wird und er muss aus der Länge des Übersetzungsvorgangs den Schluss ziehen können, dass eine vollständige Übersetzung vorliegt.

 

Zum Schluss muss der Arzt sich durch Rückfrage an den Patienten einen Eindruck davon verschaffen, ob dieser die Aufklärung auch verstanden hat.

 

Hat der aufklärende Arzt Zweifel, ob der Patient seine Ausführungen verstanden hat oder muss er solche Zweifel haben, ist er gehalten, sich der Hilfe eines Dolmetschers zu bedienen, von dessen ausreichenden Sprachfähigkeiten er hinreichend sicher ausgehen kann.

 

[…] Zumindest im Fall einer umfangreichen und komplexen Aufklärung über eine nicht eilbedürfte Operation an der Hüfte, wie sie hier anstand, muss der aufklärende Arzt aber im Zweifelsfall durch Hinzuziehung eines professionellen Dolmetschers, eines gut sprachkundigen Angehörigen oder eines für eine Übersetzung geeigneten Mitglied des Krankenhauspersonals sicherstellen, dass der Patient dem Aufklärungsgespräch inhaltlich folgen kann.

Piktogrammheft (Abszess)

Zahnärzte behelfen sich mit Piktogrammen

„Die Bundeszahnärztekammer hat dies zum Anlass genommen, ein Piktogrammheft zu veröffentlichen, das die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Patient durch die grafische Darstellung typischer Behandlungssituationen erleichtert und vereinfacht“, so Prof. Dietmar Oesterreich, BZÄK-Vizepräsident. Das zehnseitige „Piktogrammheft für die Zahnarztpraxis – Kommunikation ohne Worte“ kann kostenlos als PDF-Datei von der Website der Kammer heruntergeladen werden.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider. Quelle: zm, 2016-09-16 (Heft 18/2016). Bild: BZÄK.]

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