Landgericht Görlitz: Russischdolmetscher zu Unrecht wegen Betrugs und Bestechung angeklagt

JustitiaVor dem Landgericht Görlitz musste sich ein 49-jähriger Russisch-Dolmetscher aus Görlitz verantworten, dem Betrug, Erpressung in über 30 Fällen und Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde. Er war für die Bundespolizei und die Ausländerbehörde tätig.

Laut Anklage soll er von den vernommenen Ausländern Gelder in Höhe von insgesamt rund 10.000 Euro kassiert haben.

Vor Gericht lösten sich jedoch die von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Anklagepunkte Betrug und Erpressung in Luft auf. Es wurde ledigliche eine Geldauflage in Höhe von 4.000 Euro wegen Steuerhinterziehung verhängt, zu zahlen an eine gemeinnützige Einrichtung.

Dienstanweisung der Ausländerbehörde, die Dolmetscher nicht mehr zu bezahlen

In der Sächsischen Zeitung heißt es:

Der 49-Jährige erzählte, dass er von der Bundespolizei und der Ausländerbehörde des Landkreises in Hunderten Fällen zum Dolmetschen gerufen wurde. Bis 2011 lief die Abrechnung über die Behörden. Das aber sei, wegen der Vielzahl der Fälle, offensichtlich zu teuer geworden. Für die Ausländerbehörde habe es deshalb die Dienstanweisung aus Dresden gegeben, Dolmetscher nicht mehr zu bezahlen. Die sollten sich das Geld ab sofort direkt von den Ausländern holen.

 

Das habe die Leiterin der kreislichen Ausländerbehörde dem Russisch-Dolmetscher auch so mitgeteilt und ihm gesagt, er solle so verfahren. […]

 

Anfangs schrieb der Görlitzer noch Rechnungen an die ukrainischen oder weißrussischen Adressen. Geld gesehen hat er da (natürlich) nicht. Also machte er schon in den Gesprächen unter den Augen der Ausländerbehörde klar, dass er Geld kostet und kassierte bar.

 

Die Ausländer erpresst zu haben, weist er weit von sich. „Ich habe lediglich das übersetzt, was mir aufgetragen wurde.“ Und natürlich sei die Behörde an einer freiwilligen Ausreise, bei der die Ausländer alle Kosten tragen, interessiert. Entsprechend wurde auf die Folgen aufmerksam gemacht, wenn es zu keiner freiwilligen Ausreise kommt. […]

Landgericht stellt Verfahren gegen Geldauflage ein

Das Gericht stellte nach den überzeugenden Ausführungen des Dolmetschers das Verfahren ein. Ursprünglich waren sieben Verhandlungstage und die Vernehmung von mehr als 40 Zeugen geplant.

„Der erlittene Schaden und Rufschaden für den Angeklagten ist viel größer als das, was hier vielleicht als Strafe zu erwarten wäre“, sagte Richter Theo Dahm laut Sächsischer Zeitung.

Pressemitteilung des Landgerichts Görlitz sachlich falsch

In der Medienmitteilung des Landgerichts Görlitz heißt es hingegen immer noch unzutreffend, dass eine „Geldbuße“ verhängt wurde (korrekt wäre „Geldauflage“), weil dem Dolmetscher vorgeworfen worden sei, „zu Unrecht von ausländischen Staatsangehörigen Geld für Übersetzungsleistungen verlangt zu haben“. Dabei wurde genau dieser Vorwurf entkräftet und fallengelassen.

Die Medienmitteilung im Wortlaut:

Verfahren gegen Dolmetscher gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt

 

Die Wirtschaftsstrafkammer hat das Verfahren gegen den Dolmetscher, dem zur Last gelegt wurde, zu Unrecht von ausländischen Staatsangehörigen Geld für Übersetzungsleistungen verlangt zu haben, mit Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten gegen Zahlung einer Geldbuße vorläufig eingestellt. Der Angeklagte hat binnen einer Frist von sechs Monaten 4000 Euro an eine gemeinnützige Organisation  zu zahlen. Kommt er dieser Auflage fristgerecht nach, wird das Verfahren endgültig eingestellt.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Radio Lausitz, 2016-11-02; Landgericht Görlitz, 2016-11-02. Bild: Richard Schneider.]