Strukturreförmchen: BDÜ findet nicht den Mut zur grundlegenden Erneuerung

BDÜ-Logo
Bild: BDÜ

Der BDÜ hat am 04.01.2017 über seine Kanäle in den Sozialen Medien nicht ohne Stolz mitgeteilt:

Mit Beginn des Jahres 2017 werden alle Anträge zur Aufnahme als ordentliches Mitglied in den BDÜ nunmehr zentral bearbeitet, darauf haben sich Landesverbände und Verband der Konferenzdolmetscher im BDÜ verständigt.

Die Zentrale Bearbeitung der Aufnahmeanträge (ZBAA) schafft in den Geschäftsstellen der Mitgliedsverbände freie Ressourcen z. B. für die Werbung & Betreuung von Mitgliedern und sorgt für eine einheitliche Verfahrensweise.

Bereits im Vorjahr war dazu der Online-Aufnahmeantrag auf der Website des Verbands implementiert worden.

Auf die Frage von UEPO.de, ob dies ein erster Schritt hin zu einem Zentralverband sei, antwortete BDÜ-Präsident André Lindemann auf Twitter: „Nein! Wir schauen aber schon, wo Zentralisierung und wo Regionalisierung sinnvoll ist.“

Erfassung und Bearbeitung wird zentralisiert – Entscheidungskompetenz verbleibt bei Mitgliedsverbänden

Die zentrale Erfassung und Bearbeitung der online eingehenden Aufnahmeanträge durch die ZBAA ist als Beitrag zur Verschlankung und effizienteren Gestaltung der Verbandsorganisation gedacht.

Allerdings werden die Anträge lediglich zentral erfasst und bearbeitet, aber nicht entschieden. Die Entscheidung über die Aufnahme oder Ablehnung eines Mitgliedsantrags verbleibt letztendlich bei den 13 Mitgliedsverbänden.

Zweifellos befreit man deren Geschäftsstellen dadurch von lästiger Verwaltungsarbeit. Das Beispiel zeigt aber auch, dass viele Reformvorhaben nicht in die Tiefe gehen können und zwangsläufig auf halbem Wege stecken bleiben. Die natürliche Grenze besteht in der föderalen Struktur und der rechtlichen Eigenständigkeit der Mitgliedsverbände.

Gegenwärtige Struktur des BDÜ: 14 Vereine, 14 Vorstände

Der Bundesverband des BDÜ ist ein Dachverband mit 13 Mitgliedsverbänden. Diese setzen sich aus 12 Landesverbänden und dem Verband der Konferenzdolmetscher (VKD) zusammen.

Rechtlich sind die Mitgliedsverbände unabhängig (eigene eingetragene Vereine). Sie entscheiden nach eigenem Ermessen über die Aufnahme (und den Ausschluss) von Mitgliedern – wenn auch auf einheitlicher Grundlage.

Völlig unabhängig sind die Landesverbände und der VKD zum Beispiel auch in der Gestaltung der Mitgliedsbeiträge. Diese unterscheiden sich erheblich, weil jeder Mitgliedsverband seine eigene Beitragsordnung erlässt. So müssen bayerische BDÜ-Mitglieder fast doppelt so viel bezahlen wie diejenigen in Thüringen (siehe Link weiter unten).

Föderale Struktur versus Zentralverband

Die historisch gewachsene föderale Struktur des BDÜ mit 14 Vorstandsgremien ist von außen betrachtet für eine so kleine Branche wie die der Übersetzer und Dolmetscher unzeitgemäß und ineffizient. Für die angestrebte weitere Professionalisierung scheint ein Zentralverband ohne Landesverbände sinnvoller zu sein (also ein einziger eingetragener Verein statt wie zurzeit 14), zumal der BDÜ in der Außendarstellung ohnehin seit jeher suggeriert, ein einziger Verband zu sein.

Zentralisierung „light“ durch Zusammenlegung von Landesverbänden

Eine Abkehr von der föderalen Struktur ist im BDÜ allerdings nicht in Sicht. Andererseits wurde in der Vergangenheit jede sich bietende Gelegenheit genutzt, um Regionen zusammenzulegen und auf diese Weise Landesverbände „einzusparen“:

  • Der Landesverband Berlin wurde per Umbenennung auf Brandenburg ausgedehnt, nachdem 1996 der LV Brandenburg aus dem Dachverband ausgetreten war.
  • Die Landesverbände Bremen und Niedersachsen wurden zum LV „Bremen und Niedersachsen“ vereinigt.
  • Erst 2015 wurde der Landesverband „Bremen und Niedersachsen“ durch Umbenennung in „LV Nord“ auf die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein ausgedehnt. Zuvor war der BDÜ annähernd 20 Jahre lang nicht in Hamburg und Schleswig-Holstein vertreten, nachdem der Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein 1996 aus dem Bundesverband ausgetreten war.

Mehr zum Thema

Richard Schneider