Die Aktion „Anglizismus des Jahres“ hat soeben die Ergebnisse der Wahl zum Anglizismus des Jahres 2017 bekannt gegeben:
Platz 1: Influencer
Das Wort „Influencer“ bezeichnet (meist jüngere) Menschen, die allein durch ihre große Reichweite in den sozialen Medien in der Lage sind, die öffentliche Meinung mitzugestalten.
Es stammt aus der Werbebranche: „Influencer Marketing“ bezeichnet eine Form der meist nicht kenntlich gemachten Werbung, bei der die Influencer ihre Fans (scheinbar oder tatsächlich) an ihrem Alltag teilhaben lassen und dabei Marken und Produkte erwähnen und vorführen.
Im Englischen ist das Wort schon seit dem späten 17. Jahrhundert als Bezeichnung für Personen mit institutioneller Macht (wie Staats- und Kirchenoberhäupter) belegt, später wurde es auf Menschen ausgedehnt, deren Einfluss in der ihnen zugesprochenen Autorität liegt.
Aus dieser Verwendung hat sich in den letzten zehn Jahren die 2010 ins Deutsche entlehnte, auf soziale Netzwerke bezogene Bedeutung entwickelt. Das Wort fristete zunächst ein Nischendasein in der Fachsprache der Werbebranche und breitete sich erst 2016 langsam in den allgemeinen Sprachgebrauch aus. Im Jahr 2017 vervielfachte sich seine Gebrauchshäufigkeit dann sprungartig: das Referenzkorpus des Instituts für Deutsche Sprache zeigt einen Anstieg in Zeitungstexten von 0,2 auf etwas über 2 Vorkommen pro einer Million Wörter.
Überzeugt hat die Jury an „Influencer“ neben dem starken und anhaltenden Häufigkeitsanstieg im öffentlichen Sprachgebrauch vor allem, dass es sich hier um den klassischen Fall eines Lehnwortes handelt, das eine durch kulturellen oder technischen Wandel entstandene lexikalische Lücke füllt. Solche Lehnwörter stellen nicht nur den direktesten Weg dar, den Wortschatz zu erweitern, sie führen auch zu einer Ausdifferenzierung der Ausdrucksmöglichkeiten.
Während das Englische Menschen, deren Einfluss sich aus ihrer Reichweite in den sozialen Medien ergibt, durch das Kompositum „social media influencer“ von anderen Arten von „influencers“ unterscheiden muss, hat das Deutsche mit dem Lehnwort Influencer ein Wort, das diese Bedeutung ohne weitere Zusätze vermittelt und so die manchmal verwendeten Alternativen Vorbild, Meinungsführer, Meinungsmacher, Meinungsbildner oder Trendsetter nicht etwa verdrängt, sondern ergänzt.
Die gute Integration des Wortes zeigt sich u. a. daran, dass es bereits über eine feminine Form (Influencerin) verfügt, die bei englischen Lehnwörtern auf -er häufig länger auf sich warten lässt. Damit ist das Wort Influencer eine Bereicherung der deutschen Sprache – auch für diejenigen, die dem damit bezeichneten Phänomen kritisch gegenüberstehen.
Platz 2: Blockchain
Das Wort „Blockchain“ bezeichnet eine Datenbank, bei der jeder Datensatz (oder Block) eine verschlüsselte Kurzform des vorangehenden enthält, sodass kein Datensatz manipuliert werden kann, ohne die so entstandene „Kette“ (chain) zu zerstören. Dass dieser trockene Fachbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch 2017 allgegenwärtig war, lag am Hype um die Kryptowährung Bitcoin, deren Transaktionen in einer solchen Datenbank festgehalten werden.
Für die Jury reichte es trotz dieser Allgegenwart nur für den zweiten Platz, da noch nicht klar ist, ob das Wort sich außerhalb der Fachsprache tatsächlich etablieren wird.
Platz 3: nice
Wörter für „schön, gut, toll“ haben in der Jugendsprache eine kurze Halbwertzeit, und „nice“ (auch: „nais“) macht nach einer Hochphase um 2015 herum bereits Platz für Nachfolger wie „stabil“ und „lit“.
Die Jury sieht aber Anzeichen dafür, dass junge Erwachsene das Wort beibehalten und es sich sogar unter älteren Sprechern ausbreitet. Den Rückgang in der Jugendsprache würde das beschleunigen, aber dem Wort könnte es so gelingen, sich – wie einst sein entfernter Vorfahre „cool“ – in den allgemeinen Sprachgebrauch zu retten. Dort träfe es auf etablierte Redewendungen wie „(Mr.) Nice Guy“ und „nice-to-have“, wäre also der größeren Sprachgemeinschaft schon vertraut.
Über den Wettbewerb „Anglizismus des Jahres“
Sprachgemeinschaften haben überall und zu jeder Zeit Wörter aus anderen Sprachen entlehnt. Als globale Verkehrssprache spielt dabei derzeit das Englische für alle großen Sprachen eine wichtige Rolle als Gebersprache.
Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ würdigt seit 2010 jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. Bisherige Anglizismen des Jahres waren „leaken“ (2010), „Shitstorm“ (2011), „Crowdfunding“ (2012), die Nachsilbe „-gate“ (2013), „Blackfacing“ (2014), „Refugees Welcome“ (2015) und „Fake News“ (2016).
Über die Jury
Gründer der Initiative „Anglizismus des Jahres“ und Vorsitzender der Jury ist Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Unterstützt wird er seit 2010 von der Anglistin Dr. Susanne Flach (Université de Neuchâtel) und der Germanistin Dr. Kristin Kopf (Universität Münster).
Seit letztem Jahr wird die Wörterwahl lexikografisch begleitet durch die Arbeitsstelle „Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache“ (DWDS) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, vertreten durch die Jurymitglieder Dr. Alexander Geyken (Leiter des DWDS) und Dr. Lothar Lemnitzer (der außerdem die „Wortwarte“ betreibt). Für die Häufigkeitsdaten sorgt seit diesem Jahr neben dem DWDS auch das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, in der Jury vertreten durch den Leiter des Programmbereichs Korpuslinguistik, Dr. Marc Kupietz.
Weiterführende Links
[Text: Anglizismus des Jahres. Quelle: Pressemitteilung Anglizismus des Jahres, 2018-01-30. Bild: Anglizismus des Jahres, Ben Stefanowitsch.]