Problem für Sprachdienstleister: Wie lassen sich Miniprojekte kostendeckend abwickeln?

ProjektmanagementFür viele Firmen, die seit Jahren regelmäßig ihre technische Dokumentation übersetzen lassen, klingt die Nachricht zunächst gut: Immer mehr Übersetzungsprojekte haben einen geringen Umfang und daher verhältnismäßig niedrige Kosten.

Zahl der Kleinprojekte nimmt durch Modularität der technischen Dokumentation und Einsatz von Translation-Memory-Systemen zu

Die Gründe für die zunehmende Zahl von Kleinprojekten sind vielfältig. Als Erstes stellen Unternehmen Produkte oder Software modular her. Das bedeutet, dass sie dieselben Komponenten in unterschiedlichen Endprodukten einbauen. Das betrifft logischerweise auch die dazugehörigen Informationen.

Ferner sorgen die heutigen Redaktionssysteme dafür, dass dieselben Inhalte nach Bedarf in unterschiedlichen Dokumentationen erscheinen und das sogar in allen verfügbaren Sprachversionen. Schließlich helfen Translation-Memory-Systeme, die Mengen an Neuübersetzungen weiter zu reduzieren, indem sie vorhandene Sätze paarweise mit deren Übersetzung in einer Datenbank speichern.

Für die Organisation und für die Qualität der Übersetzungen bleibt dies allerdings nicht ohne Folgen.

Verwaltungsaufwand für Sprachdienstleister unverhältnismäßig hoch

Es gibt viele Aufgaben, die unabhängig von der Größe eines Projektes zu bewältigen sind und immer gleich bleiben: Ein Projekt anlegen, einen oder mehrere Übersetzer mit der Übersetzung beauftragen, die Qualität der Übersetzungen sichern, die Rechnungen von Lieferanten prüfen oder die Leistungen abrechnen.

Dieser Aufwand ist da, egal ob eine halbe Seite oder 200 Seiten zu übersetzen sind. Zwar mag jede einzelne Handlung an und für sich wenige Minuten in Anspruch nehmen, aber diese Minuten summieren sich rasch zu Stunden, besonders dann, wenn Kommunikation zwischen mehreren Personen stattfindet und wenn mehrere Arbeitsschritte einzuhalten sind.

Dateihandling und Projektmanagement wie bei Großprojekten

Auch das Dateihandling und Projektmanagement erfolgt unabhängig von der Anzahl der zu übersetzenden Wörter. Dateien zu kopieren, in Translation-Memory-Systeme zu importieren, zu speichern, zu versenden, usw. sind Aufwendungen, die die Menge an zu übersetzenden Texten wenig beeinflussen. Vielmehr führt das Arbeiten mit Redaktionssystemen sogar dazu, dass Projektmanager anstatt wie früher eine einzelne große Projektdatei eine Vielzahl kleinerer XML-Dateien zu verwalten haben.

Wenn z. B. bei einem Projekt, das in 20 Sprachen zu übersetzen ist, ein Projektmanager 100 Minidateien durch sechs Bearbeitungsschritte weiterreicht, muss er sehr schnell mehrere Hundert einzelne Objekte sorgfältig überwachen, um Fehler zu vermeiden. Hinzu kommt, dass alle Datenbestände und Arbeitsmittel (Translation-Memorys und Terminologien) unabhängig vom Projektumfang gepflegt werden müssen.

Hoher Aufwand für Terminologieabgleich und Qualitätssicherung

Wer Wert darauf legt, seine Terminologie zu erfassen und zu vereinheitlichen, muss ebenfalls bei kleineren Projekten prüfen, ob sie neue Termini enthalten. Auch dieser Aufwand kann bei Miniprojekten überproportional groß sein: Vorhandene Terminologie laden, sie mit dem neuen Text abgleichen und noch nicht erfasste Termini identifizieren.

Der Aufwand für die Qualitätssicherung ist zudem bei kleinen Projekten proportional höher als bei großen Projekten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zuerst einmal werden oft vorhandene Übersetzungen eingespielt und gesperrt. Zwar wird vom Übersetzer bzw. vom Revisor nicht erwartet, dass er sich mit bereits vorhandenen Übersetzungen beschäftigt, da sie meistens nicht bezahlt werden, aber sie sind da und sollen dazu beitragen, Kontextinformationen zu vermitteln. Konkret heißt das, dass der Übersetzer bzw. der Revisor sie zumindest mitlesen muss. Und das kostet Zeit.

Da aufgrund von Terminologieabweichungen manchmal Unstimmigkeiten in den vorhandenen Übersetzungen vorkommen können, entsteht bei gewissenhafter Arbeit noch ein zusätzlicher Abstimmungsaufwand.

Fehlender Kontext, viele beteiligte Autoren und Übersetzer

Ferner ist bei kleineren Aktualisierungsprojekten ebenfalls nicht auszuschließen, dass der Kontext fehlt, was wiederum Klärungsbedarf verursacht. Man denke z. B. an die Übersetzung eines isolierten Satzes wie: „Sie sind direkt an den Seitenwänden gelagert“, was ohne Kontext- oder Hintergrundinformationen nicht zu schaffen ist.

Als weiterer Grund für den erhöhten Qualitätssicherungsaufwand gilt die Tatsache, dass je länger mit Redaktionssystemen bzw. mit Translation-Memory-Systemen gearbeitet wird, desto mehr Autoren und Übersetzer an der Erstellung des Inhalts beteiligt sind. Dadurch kommen zwangsläufig stilistische oder terminologische Unterschiede zum Tragen, die bei der Qualitätssicherung Mehraufwand verursachen.

Auch für die Auftraggeber bringen kleine Projekte nicht nur Vorteile. Der Auftraggeber muss unabhängig von der Projektgröße den gesamten Ablauf organisieren, verbuchen und überwachen.

Kleinprojekte für Sprachdienstleister oft Verlustgeschäft

Auftragnehmer haben das Problem, dass die in absoluten Größen relativ niedrigen Margen nicht immer ausreichen, um den tatsächlichen Verwaltungsaufwand abzudecken. Zwar hoffen viele im Rahmen einer Mischkalkulation, dass die großen Projekte, die ja hoffentlich nicht ganz verschwinden werden, die Einbußen kompensieren.

Aber diese Rechnung geht nicht immer auf. In einem solchen Fall besteht das Risiko, dass an Kernleistungen wie der Qualitätssicherung oder der Auswahl qualifizierter (und daher ausgelasteter und nicht spottbilliger) Fachübersetzer gespart wird.

Kostendämpfung durch Automatisierung der Prozessschritte und Workflow-Systeme

Viele professionelle Dienstleister versuchen, aus der Quadratur des Kreises eine Tugend zu machen. Sie schaffen es, einige der Nachteile, die kleine Projektgrößen mit sich bringen, mit Investitionen, mit optimierten Produktionsprozessen und mit Technologien auszugleichen.

So gibt es inzwischen viele Übersetzungsdienstleister, die Workflowsysteme einsetzen (entweder eigene Entwicklungen oder marktgängige Produkte wie Plunet bzw. XTRF oder die Workflowfunktionen gängiger Übersetzungssysteme wie Across oder SDL WorldServer).

Mit diesen Workflowsystemen lassen sich einige der Prozessschritte automatisieren. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn die Beschaffenheit der Projekte und der Dateien gleich bleibt. Wenn z. B. Dateien immer wieder unterschiedlich formatiert sind, mehrere Ausgangssprachen und Texte in Grafiken enthalten oder wenn komplexe Bearbeitungsanweisungen vorliegen, die nur manuell umgesetzt werden können, dann ist eine Automatisierung einzelner Bearbeitungsschritte schwer realisierbar.

Mögliche Lösung: Terminologieextraktion und Dateihandling gesondert vergüten lassen – Auftraggeber sollen Eckdaten selbst in Verwaltungssystem eintragen

Wer sich langfristig stabile Übersetzungsleistungen und einen zuverlässigen Service sichern möchte, ist gut beraten, wenn er gemeinsam mit seinem Dienstleister die Probleme von Kleinaufträgen zu lösen versucht. Und tatsächlich lässt sich einiges tun. Zuerst einmal bei der Vergütung bestimmter Leistungen wie die Terminologieextraktion oder das Dateihandling, wenn dies finanziell vertretbar ist.

Wenn außerdem für den Auftraggeber die Möglichkeit besteht, Aufträge über ein Portal zu erteilen, ist es eine willkommene Unterstützung für alle Beteiligten. Der Auftraggeber kann bereits einige der Eckdaten fehlerfrei in das System eingeben wie z. B. seine Bestellnummer oder die Sprachkombinationen oder auch seine Anweisungen, sodass diese Daten nicht noch einmal vom Dienstleister erfasst werden müssen.

Darüber hinaus können Auftraggeber versuchen, sehr kleine Aufträge („Bitte übersetzen Sie diesen Satz in 20 Sprachen“) in einen Sammelauftrag zusammenzulegen.

[Text: D.O.G. GmbH, www.dog-gmbh.de. Quelle: D.O.G. news 1/2018, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion. Bild: Coloures-Pic / Fotolia.]