„Missstände beim BAMF bringen Dolmetscher in Generalverdacht“ – BFJ bietet Behörden Zusammenarbeit an

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Die im Bundesforum Justizdolmetscher und -übersetzer (BFJ) zusammenarbeitenden Verbände ATICOM, BGN, VbDÜ, VVDÜ und VVU haben sich angesichts der Negativschlagzeilen zur Dolmetschsituation beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 1. Juni 2018 in einem offenen Brief an die Behörde gewandt:

In den vergangenen Wochen häufen sich Berichte über Missstände in Außen- und Regionalstellen des BAMF, Affären um unrechtmäßige Asylbescheide und Korruption.

Dabei nehmen Schlagzeilen wie „Warum 2100 Dolmetscher nicht mehr für das Bamf arbeiten dürfen“ (SZ, 21.04.2018), „Bamf-Affäre: Dolmetscher und Vermittler unter Verdacht“ (SZ, 27.05.2018), und „Bamf-Affäre: Dolmetscher soll Antragsteller abkassiert haben“ (StN, 28.05.2018) unseren Berufsstand in die Pflicht.

1. Dies veranlasst uns zunächst zu folgenden Hinweisen:

1.1 Laut Homepage des BAMF (Stand von heute) erwartet dieses von seinen freiberuflichen Sprachmittler/innen Sprachsicherheit des Deutschen in Wort und Schrift (d.h. Sprachniveau C1, aber nur in der Regel und auch das erst seit Sommer 2017), wünschenswerter Weise Sprachkenntnis zu rechtlichen/medizinischen Begrifflichkeiten, Zustimmung zu rechtlich notwendigen Sicherheitsüberprüfungen, Bereitschaft zum Einsatz an den verschiedenen Standorten des Bundesamtes und Mitwirkung bei der Aufklärung über die Herkunftsregion oder Herkunftsland des Antragstellers anhand sprachlicher Auffälligkeiten.

Nachweise der Sprachsicherheit in der anderen Arbeitssprache, die ausreichende Beherrschung von Dolmetschtechniken, eine allgemeine Beeidigung oder Ermächtigung, die grundsätzlich eine entsprechende Eignungsprüfung voraussetzt, oder gar die Zugehörigkeit zu einem Berufsverband, welche mit der Beachtung einer Berufs- und Ehrenordnung verbunden ist, werden unverständlicherweise nicht verlangt.

Außerdem ist auch eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass die Tätigkeit der Dolmetscher/innen nicht mit der Tätigkeit der Sprachsachverständigen zu vereinbaren ist, offenbar nicht erfolgt. Letztere ist aber Kern der Aufklärung über Herkunft der Antragsteller.

Berücksichtigt man weiter, dass die Tätigkeit der freiberuflichen Dolmetscher/innen durch das BAMF noch unterhalb des Niveaus des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vergütet wird, bleiben nur drei Schlüsse:

  • Dolmetschen wird als Tätigkeit missverstanden, für die die – teilweise nicht überprüfte – Kenntnis von zwei Sprachen ausreicht.
  • Der Einsatz qualifizierter Sprachmittler/innen und die angemessene Honorierung ihrer Dienstleistung wird nicht als notwendige Voraussetzung für ein rechtsstaatliches Verfahren angesehen.
  • Der Qualitätsverlust wird offenbar in Kauf genommen, weil er durch eine kurzfristige Kostenersparnis ausgeglichen und damit gerechtfertigt wird.

Dies rächt sich nach unserer Auffassung nicht nur in den spektakulären Fällen, die Eingang in die Presseberichterstattung gefunden haben, sondern generell. Der Fehler kann dann nur in überproportional vielen und kostenaufwändigen Gerichtsverfahren korrigiert werden.

1.2 Unsere Kolleginnen und Kollegen stehen den oben genannten Schlagzeilen hilflos gegenüber. Ihre hohe Qualifizierung, Professionalität und Erfahrung verhindern nicht, dass sie sich seit Wochen einem Generalverdacht, nichts zu können außer vielleicht zwei Sprachen und potentielle Mittäter zu sein, ausgesetzt sehen.

Wenn ihre Leistung und Expertise nicht einmal von Bundesbehörden anerkannt zu werden scheint, kann kaum erwartet werden, dass dies durch andere Behörden, den freien Markt oder die Öffentlichkeit geschieht.

2. Deswegen bieten wir erneut unsere Sachkenntnis und Erfahrung im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit an.

Vorstehendes betrifft im Übrigen nicht nur die Sprachmittlung im Asylwesen, sondern auch diejenige im Strafverfahren: Dort erfolgt die Beauftragung von Dolmetscher/innen durch Polizei und Gerichte allzu häufig auf vergleichbar niedrigem Niveau wie beim BAMF, was dann genauso zu Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen minderer, weil weit unter dem Marktpreis eingekaufter Qualität führt. Darüber hinaus kommt es dabei häufig zur Verletzung des Vertraulichkeitsgebots, wenn nämlich statt persönlich über Agenturen geladen wird.

Dies kann durch ein Verständnis für die Erfordernisse und Möglichkeiten der professionellen Sprachmittlung und ein angemessenes Qualitätsmanagement verhindert werden.

Dragoslava Gradinčević-Savić, stellvertretende Vorsitzende ATICOM – Fachverband der Berufsübersetzer und Berufsdolmetscher e.V.

Caroline Snijders, Vorsitzende BGN – Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/-innen in Norddeutschland e.V.

Leon Adoni, 2. Vorsitzender VbDÜ – Verein öffentlich bestellter und beeidigter Dolmetscher und Übersetzer Bayern e.V.

Natascha Dalügge-Momme, Vorsitzende VVDÜ – Verein Vereidigter Dolmetscher und Übersetzer e.V.

Evangelos Doumanidis, Vorsitzender VVU – Verband allgemein beeidigter Verhandlungsdolmetscher und öffentlich bestellter und beeidigter Urkundenübersetzer in Baden-Württemberg e.V.

Über das Bundesforum Justizdolmetscher und -übersetzer (BFJ)

Im Jahr 2013 ist aus dem ehemaligen – 2009 in Berlin gegründeten – Berliner Kreis das BFJ hervorgegangen. Die im BFJ zusammengechlossenen Verbände Treffen sich zweimal pro Jahr und betreiben einen regen Informations-, Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu allen Fragen des Gerichtsdolmetschens und -übersetzens.

Gegenwärtige Schwerpunkte sind die Honorare der Dolmetscher und Übersetzer nach dem JVEG, die Umsetzung zu den nationalen Vorgaben für die Ladungspraxis bei den Gerichten und Behörden, die Professionalisierung des Berufsstandes im Justiz- und Behördenbereich, die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren. Darüber hinaus wird diskutiert, ob eine Dachvereinigung eingerichtet werden sollte.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Mitteilung des BFJ via ATICOM. Bild: BFJ.]