UNIVERSITAS Austria: „Geplante Vorladung der Trump-Dolmetscherin berufsethisch bedenklich“

Dagmar Jenner, Präsidentin UNIVERSITAS Austria
Dagmar Jenner, Präsidentin UNIVERSITAS Austria

In den USA haben in den vergangenen Tagen vor allem Politiker der demokratischen Opposition gefordert, die Dolmetscherin Marina Gross vor den Kongress zu zitieren, um sie zum Inhalt des Zwiegesprächs zwischen Trump und Putin zu befragen.

Gross ist eine erfahrene Dolmetscherin des US-Außenministeriums. Neben ihrem russischen Dolmetschkollegen war sie die einzige Zeugin der zweistündigen Besprechung unter vier Augen beim russisch-amerikanischen Gipfeltreffen in Helsinki am 16.08.2018.

Nach Ansicht des österreichen Übersetzerverbandes UNIVERSITAS Austria wirft die Forderung berufsethische wie rechtliche Bedenken auf. In einer Presseaussendung verdeutlicht der Verband seinen Standpunkt:

„Vertraulichkeit und Unparteilichkeit sind das Um und Auf unseres Berufes“, unterstreicht Dagmar Jenner, die Präsidentin von UNIVERSITAS Austria, dem Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, die zentrale Funktion dieses Berufes. „Wären wir nicht laut unserer verbandsinternen Ehrenordnung zur Verschwiegenheit verpflichtet, würde sich jedes vertrauliche Gespräch, ob im Geschäftsleben oder in der Diplomatie, ad absurdum führen.“

Anders als etwa bei der anwältlichen Verschwiegenheitspflicht ist im nicht reglementierten Gewerbe des Dolmetschens diese Pflicht allerdings nicht gesetzlich festgeschrieben.

Im hypothetischen, da bisher nicht vorgekommenen Fall einer Ladung vor einen Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments hätte eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher wohl keine Möglichkeit, die Aussage zu verweigern – und würde damit einen groben Verstoß gegen den Ehrenkodex begehen.

„Allein der Gedanke, anstatt sich auf den Hauptakteur der Ereignisse zu konzentrieren – aus amerikanischer Sicht Trump –, die Dolmetscherin in eine ethische Zwickmühle zu bringen, schätze ich als äußerst bedenklich ein“, so die Standesvertreterin.

Darüber hinaus befeuere diese Vorgangsweise leider den gängigen Argwohn gegenüber Dolmetschern, denen nicht zu trauen sei. „Diese Einschätzung steht unserem Selbstverständnis und unserer Berufspraxis diametral entgegen.“

Des Weiteren offenbart das Ansinnen ein weiteres Informationsdefizit über den Beruf des Dolmetschens: Die Dolmetscherin möge ihre Notizen zur Einsicht offenlegen. Dies ignoriert, dass die Notizentechnik beim Dolmetschen immer ein höchst individuelles System an Kürzeln, Symbolen und anderen Stützen für das Kurzzeitgedächtnis ist. Diese Notizen sind zur unmittelbaren Verwendung gedacht und besonders für Dritte im Nachhinein nicht nachvollziehbar.

Über UNIVERSITAS Austria

Logo UNIVERSITAS AustriaDer Berufsverband UNIVERSITAS Austria ist mit über 800 Mitgliedern die größte Interessenvertretung von Dolmetschern und Übersetzern in Österreich. Seit über 60 Jahren setzt er sich für bessere Rahmenbedingungen der Berufsausübung, die Information der Öffentlichkeit über das Berufsbild, die Professionalisierung und die ständige Weiterbildung der Mitglieder ein.

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[Text: UNIVERSITAS Austria. Quelle: Presseaussendung 2018-07-24. Bild: Sam Woodard, UNIVERSITAS Austria.]