BAMF hat technisch aufgerüstet: Software analysiert arabische Dialekte und transkribiert Namen einheitlich

Markus Richter
BAMF-Vizepräsident Markus Richter: "Die digitalen Programme haben unsere Erwartungen voll erfüllt." - Bild: Francisco Lopez / BAMF

Rund 60 Prozent der Asylantragsteller behaupten, ihre Ausweispapiere im Krieg oder auf der Flucht verloren zu haben. Angaben zur eigenen Identität sind daher nicht oder nur schwer nachprüfbar.

Um Betrüger zu entlarven, setzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunehmend auf Technik. In den vergangenen Jahren hat das Amt personell wie technisch „deutlich aufgerüstet“, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die mit BAMF-Vizepräsident Markus Richter gesprochen hat.

Seit September 2017 setzt das Amt die vier folgenden „technischen Assistenzsysteme“ ein, um Herkunftsangaben zu überprüfen:

(1) Software zur Dialekterkennung

Eine Sprachsoftware ermittelt anhand einer Sprechprobe des Bewerbers die Herkunftsregion des arabischen Dialekts. Keine andere Behörde auf der Welt könne das, so Richter. Das Amt habe auf diesem Gebiet Pionierarbeit leisten müssen.

Anfangs habe nicht alles reibungslos funktioniert, aber jetzt erkenne das Programm fünf Dialekte zuverlässig, weitere würden hinzukommen. Derzeit arbeite man am Kurdischen. Bislang seien 9.000 Sprachproben analysiert worden, die Fehlerquote liege inzwischen bei unter 20 Prozent.

Die Asylbehörden anderer Länder wie Österreich, den Niederlanden, Schweden und Frankreich hätten bereits ihr Interesse an der Software signalisiert, so der BAMF-Vizepräsident.

Anhörung mit Dolmetscher
Der bei der Anhörung anwesende Dolmetscher (rechts) hat früher arabische Personennamen transkribiert. Jetzt macht das eine Software. – Bild: BAMF

(2) Software zur Transkription und Analyse arabischer Personennamen

Die Umschrift arabischer Namen in das lateinische Alphabet ist nicht unproblematisch, da es verschiedene Verfahren dafür gibt. In Deutschland haben sich die Dolmetscher, denen beim BAMF diese Aufgabe oblag, nach den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) gerichtet. (Die DMG wurde 1845 gegründet und ist er älteste Orientalistenverband Deutschlands.)

Wie der stellvertretende Behördenleiter erläutert, habe das aber jeder Dolmetscher etwas anders gehandhabt. Durch die Technik sei jetzt eine einheitliche Schreibweise gewährleistet.

Darüber hinaus analysiert die Software den Aufbau des Namens. Auch daraus könne man Rückschlüsse auf die Herkunftsregion ziehen.

Arabische Personennamen bestehen aus mehreren Bestandteilen und bilden (ebenso wie spanische und portugiesische Nachnamen) die Familiengeschichte ab. Darüber hinaus kommen viele Namen vorrangig in bestimmten Regionen vor. Markus Richter: „Wir haben alle Telefonbücher des arabischen Raums ausgewertet.“

(3) Biometrische Analyse und Abgleich der Porträtfotos

Die bei der Registrierung gemachten Porträtfotos werden biometrisch analysiert und mit gespeicherten Bildern abgeglichen, um zu verhindern, dass sich Asylantragsteller mehrfach anmelden. (Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, hatte sich vierzehnmal unter verschiedenen Identitäten registrieren lassen und dadurch mehrfach Sozialleistungen kassiert.)

(4) Auslesen der Handydaten

In bislang 15.000 Fällen wurden die Daten von Smartphones ausgelesen, um Rückschlüsse auf die Herkunft der Besitzer zu ziehen. Dieser Vorgang darf sich allerdings ausschließlich auf die Vorwahlen der gespeicherten Telefonnummern, die in Chats verwendete Sprache und auf in Fotos eventuell (bei aktiviertem GPS) gespeicherte geografische Standortinformationen beziehen.

Eine inhaltliche Auswertung von Chat-Verläufen, E-Mails und weiterer Daten ist verboten, zudem muss jeder einzelne Auslesevorgang juristisch genehmigt werden und in Anwesenheit des Flüchtlings erfolgen.

Wie das Auslesen von Handy-Daten funktioniert und worauf es dabei ankommt, hat sich unter den Betroffenen schnell herumgesprochen. Laut Richter haben seine Mitarbeiter bereits Handys entdeckt, die identisch aufgebaut und mit bestimmten Kontaktdatenbanken und Fotogalerien präpariert waren, um ein Erfolg versprechendes Herkunftsland vorzutäuschen.

Blockchain-Technologie soll Datenzusammenführung erleichtern

Große Hoffnungen setzt das BAMF auf die Blockchain-Technologie, die eine Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Behörden, Systemen und Datenbanken ermöglichen soll.

Prüfverfahren beim BAMF
Das BAMF betreibt einen erheblichen Aufwand, um Betrüger zu entlarven. Von der Abnahme von Fingerabdrücken und ihrem Abgleich mit nationalen und internationalen Datenbanken über die Untersuchung von Ausweisen unter dem Mikroskop (oben rechts) und mit weiteren Verfahren bis hin zum Pass-Scanner der Bundesdruckerei (rechts unten). – Bild: BAMF, Collage: UEPO.de

Technik hat „Erwartungen voll erfüllt“

BAMF-Vizepräsident Markus Richter ist zufrieden: „Die digitalen Programme haben unsere Erwartungen voll erfüllt.“ Ein Fall wie der des deutschen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich ohne Arabisch-Kenntnisse als arabischer Flüchtling registrieren lassen konnte und danach Sozialleistungen bezog, könne sich nicht wiederholen.

Richter weist allerdings darauf hin, dass sich noch nicht alle Behörden konsequent am „Kerndatensystem“ beteiligen, obwohl sie es könnten. Daher seien weitere Fälle von Sozialleistungsbetrug nicht ganz auszuschließen.

Grundproblem der ungeregelten Migration nach wie vor nicht gelöst

Deutschland ist seit 50 Jahren ein Einwanderungsland, besitzt aber immer noch keine Einwanderungsgesetzgebung.

Nach der chaotischen Situation im Jahr 2015 hat sich die Lage zwar merklich beruhigt, aber immer noch strömen nach BAMF-Angaben Monat für Monat mehr als 10.000 Flüchtlinge nach Deutschland. Der Großteil kommt aus den Ländern Syrien, Iran und Irak.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: FAZ, 2018-11-06.]