Rat für deutsche Rechtschreibung: Keine Empfehlung fürs Gender-Sternchen

Rat für deutsche Rechtschreibung
Bild: Rat für deutsche Rechtschreibung

Mit Spannung hatten Gender-Aktivisten wie der in den Medien omnipräsente Berliner Professor Anatol Stefanowitsch und Duden-Redaktionsleiterin Dr. Kathrin Kunkel-Razum die Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung am 16.11.2018 an der Universität Passau erwartet, erhoffte man sich doch eine Empfehlung zur Einführung des Gender-Sternchens. Doch sie wurden enttäuscht.

Der Rat stellte stattdessen fest, dass die Erprobungsphase für Bezeichnungen des dritten Geschlechts in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv verläuft. Er will die Entwicklung nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen beeinflussen, sondern weiter beobachten.

Seit einem Jahr erarbeitet eine Arbeitsgruppe des Rats für deutsche Rechtschreibung Empfehlungen für eine „geschlechtergerechte Schreibung“, also die Art und Weise, wie durch Orthografie eine ausgewogene Sichtbarkeit der Geschlechter in der geschriebenen Sprache gestaltet werden kann.

Die derzeit weit verbreitete Praxis, von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form, im Plural oder in Passivkonstruktionen zu schreiben, wurde der Erwartung geschlechtergerechter Schreibung laut Rechtschreibrat bislang am ehesten gerecht. Doch treten zunehmend Schreibungen wie das Gender-Sternchen zur Bezeichnung weiterer Geschlechter im Schreibgebrauch auf.

Wie der Rat für deutsche Rechtsschreibung diese Entwicklungen bewertet und welche Empfehlungen an die staatlichen Stellen er daraus ableitet, hat er auf seiner Sitzung mitgeteilt und den folgenden Beschluss zur „geschlechtergerechten Schreibung“ gefasst:

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Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zur „geschlechtergerechten Schreibung“

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist sich bewusst, dass es einen Pluralismus grundsätzlicher kultureller, wissenschaftlicher, weltanschaulicher, sprachlicher und politischer Wahrnehmungen geschriebener Sprache als Darstellung von Lebenswirklichkeiten gibt. Angesichts der Verbindlichkeit des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung für Schulen sowie Verwaltung und Rechtspflege will er mit seinen Empfehlungen dazu beitragen, dass die Einheitlichkeit und damit Verständlichkeit der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum so weit wie möglich gesichert bleibt.

Dabei wird es wie bisher auch in Zukunft in unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften unterschiedliche Schreibweisen zur Darstellung der unterschiedlichen Geschlechter geben. Diese müssen zur Kenntnis genommen und geprüft werden, sie können aber nicht jeweils für sich Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit für die geschriebene Sprache beanspruchen.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung definiert die folgenden sechs Kriterien als Grundlage für eine „geschlechtergerechte Schreibung“:
Geschlechtergerechte Texte sollen

  • sachlich korrekt sein
  • verständlich und lesbar sein
  • vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen)
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten
  • übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen

Dabei ist jeweils auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Funktionen von Texten zu achten.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung stellt fest, dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.

Die Beobachtung der geschriebenen Sprache zeigt dazu derzeit neben verschiedenen grammatischen (Generisches Maskulinum, Passivkonstruktionen usw.) verschiedene orthographische Ausdrucksmittel wie Unterstrich (Gender-Gap), Asterisk (Gender-Stern) oder dem Zusatz männlich, weiblich, divers (m, w, d) nach dem generischen Maskulinum. Diese entsprechen in unterschiedlichem Umfang den Kriterien für geschlechtergerechte Schreibung.

Diese Entwicklung steht noch am Anfang. Sie wird sich durch die Verfassungsgerichtsentscheidungen in Deutschland und Österreich vermutlich beschleunigen. Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv. Sie soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beeinflusst werden.

Der Rat wird auch weiterhin hierzu Analysen zum Schreibgebrauch in verschiedenen Medien und Gruppen von Schreibenden vornehmen.

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Gruppenbild Rat für deutsche Rechtschreibung
Dem Rechtschreibrat gehören 41 Mitglieder aus sieben deutschsprachigen Ländern und Regionen an.

Über den Rat für deutsche Rechtschreibung

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist ein zwischenstaatliches Gremium, das von den staatlichen Stellen damit betraut wurde, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln.

Ihm gehören 41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Von diesen stammen achtzehn aus Deutschland, je neun aus Österreich und der Schweiz und je eines aus dem Fürstentum Liechtenstein, aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und von der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Das Großherzogtum Luxemburg ist mit einem Mitglied ohne Stimmrecht kooptiert.

Der Rat ist somit die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung und gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung tritt mindestens zweimal im Jahr zu einer Sitzung zusammen. Die Sitzungen im Plenum dienen dem Austausch von Positionen und der Klärung von Grundsatzfragen. Die Arbeitsgruppen tagen zwischen den Sitzungen je nach Erfordernis und bereiten Ergebnisse für den Rat auf.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung Rat für deutsche Rechtschreibung.]