Wort des Jahres in Österreich: „Schweigekanzler“ – Unwort: „Datenschutzgrundverordnung“, Jugendwort: „Oida“

Österreichische Wörter des Jahres 2018
Bild: GSÖD

Die österreichischen Wörter des Jahres lauten „Schweigekanzler“, „Nichtrauchervolksbegehren“ und „#MeToo“. Das gab die Gesellschaft für Österreichisches Deutsch (GSÖD) bekannt.

Wörter des Jahres 2018

1. Schweigekanzler (2.0)

Bei diesem Wort handelt es sich um einen terminologischen Wiedergänger, da es bereits 2005 Wort des Jahres war. Es wurde auch diesmal mit deutlichem Abstand an die erste Stelle gewählt.

Während der damalige Bundeskanzler Schüssel über Wochen überhaupt keine öffentliche Äußerung von sich gab, vermeidet Bundeskanzler Kurz wiederholt jedwede Reaktion zu für ihn unangenehmen Themen und zu Handlungen und Äußerungen von Mitgliedern der Koalitionspartei, bei denen die Öffentlichkeit eine klärende Aussage des Bundeskanzlers erwarten durfte. Dies hat ihm die Titulierung „Schweigekanzler 2.0“ durch einen führenden Politologen eingetragen.

2. Nichtrauchervolksbegehren

Das Nichtrauchervolksbegehren war ein wichtiges politisches Ereignis des Jahres 2018. Mit beinahe 900.000 Unterschriften wurde damit gegen die Entscheidung der Bundesregierung protestiert, Teile des Nichtraucherschutzgesetzes zurückzunehmen, das die Rauchfreiheit in Lokalen vorsah und von einer der beiden Koalitionsparteien in der Vorgängerregierung mitbeschlossen worden war.

Dass dann auch noch die in Aussicht gestellte Volksabstimmung nicht durchgeführt wurde, zeigt wiederkehrende und breit kritisierte Mechanismen der österreichischen Politik auf, die wohl wesentlich zur Wahl dieses Wortes beigetragen haben.

3. #MeToo

Dieser international verwendete Begriff steht für die Aufdeckung des Machtmissbrauchs mächtiger Männer in Spitzenpositionen gegenüber Frauen im Allgemeinen und in der Filmbranche im Besonderen. Die damit ausgelöste Bewegung hat wesentlich zu einer umfassenden Diskussion des Verhältnisses der Geschlechter untereinander beigetragen, die bis nach Österreich Auswirkungen hatte.

Kandidaten für das österreichische Wort des Jahres waren:

  • BVT-Affäre: Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, in deren Verlauf eine schwer bewaffnete Polizeitruppe eine Hausdurchsuchung durchführte und geheime Daten beschlagnahmte.
  • Digitalisierung: Ein Wort, das praktisch jede/n in irgendeiner Form betrifft – von der Arbeitswelt bis zum Ticketkauf bei den Öffis.
  • Ehe für alle: Durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs eingeführtes Recht, wonach auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe vor dem Standesamt eingehen können.
  • Gaulreiter: Alternativer Ausdruck für einen Innenminister, der darauf besteht, dass eine berittene Polizeieinheit eingerichtet wird.
  • Klimakatastrophe: Das Wort spricht für sich.
  • #MeToo: Name der Bewegung, die sexuelle Übergriffe (besonders) in der Arbeitswelt thematisiert und eine Protestwelle ausgelöst hat.
  • Nichtrauchervolksbegehren: Überaus erfolgreiches Volksbegehren, das mit fast 900.000 Unterschriften die Rauchfreiheit in Lokalen verlangt und trotzdem von der derzeitigen Regierung gesetzgebend nicht umgesetzt wird.
  • Orbanisierung: Politischer Vorgang, der von rechtsgerichteten Parteien ausgeht und bei dem die pluralistische Demokratie ersetzt und nach durch in ein autoritäres politisches System umgeformt wird.
  • Ponyzei: Origineller Ausdruck für die geplante berittene Polizeitruppe.
  • Schweigekanzler: Bezeichnung für einen Bundeskanzler, der zu wichtigen politischen Ereignissen und auch zu politisch befremdlichen Aussagen von Funktionären des Koalitionspartners nichts sagt und diese damit indirekt billigt.

Unwörter des Jahres 2018

1. Datenschutzgrundverordnung

Dieses Wortungetüm steht für die an sich wichtige Zielsetzung des Schutzes der privaten elektronischen Daten. Seine überaus komplizierte und mit hohem bürokratischen Aufwand verbundene Umsetzung – in Kombination mit der Tatsache, dass die großen internationalen Akteure im Umgang mit Daten von den Regelungen kaum betroffen sind – macht die Sache zu einer Perversion des gut gemeinten Vorhabens und den Begriff damit zu einem Unwort.

2. Konzentrierte Unterbringung

Diese Formulierung entwickelte sich aus einer Äußerung von Innenminister Kickl, der Asylwerber „konzentriert an einem Ort halten“ wollte, um die Asylverfahren zu verkürzen. Den Anklang an die „Konzentrationslager“ nahm er in Kauf, denn das „sei keine Provokation“, was für einen auf die Verfassung vereidigten Innenminister doch eine bemerkenswerte Äußerung ist und nur als Unwort klassifiziert werden kann.

3. Arbeitszeitflexibilisierung

Obwohl eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowohl für Arbeitnehmer, als auch Arbeitgeber grundsätzlich eine positive Maßnahme sein kann, hat die vor kurzem von der Bundesregierung eingeführte Reform zu einem Ungleichgewicht zugunsten der Arbeitgeber geführt, sodass viele Arbeitnehmer das Gefühl haben, erpressbar zu sein, wenn Sie der Forderung, Überstunden „freiwillig“ zu übernehmen, nicht nachkommen. Das macht das Wort zu einem verhüllenden Ausdruck und damit zu einem Unwort.

Kandidaten für das österreichische Unwort des Jahres waren:

  • Anlandeplattform: Verhüllender Begriff des Bundeskanzlers für Lager in nordafrikanischen Ländern, in denen künftig Flüchtlinge interniert werden sollen. Sie sollen dort um Asyl ansuchen müssen, damit sie als Flüchtlinge nicht nach Europa gelangen.
  • Arbeitszeitflexibilisierung: Begriff, der die Möglichkeit zur Verlängerung der Normalarbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und damit eine potenzielle Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verhüllend umschreibt.
  • Datenschutzgrundverordnung: Name der EU-Verordnung, mit der private Daten geschützt werden sollen, die jedoch zu großem bürokratischen Aufwand führt, ohne dass das gewünschte Ziel breitflächig erreicht wird.
  • Einzelfälle: Wiederkehrende Entschuldigung der FPÖ für oft menschenverachtende bzw. hetzerische Aussagen mancher ihrer Funktionäre. Mittlerweile ist eine große Zahl solcher „Einzelfälle“ dokumentiert, daher wird der Ausdruck auch sarkastisch verwendet.
  • Funktionärsmilliarde: Begriff der Regierung, wonach durch die Verringerung der Zahl der (großteils) ehrenamtlich arbeitenden Funktionäre der Krankenkassen eine Milliarde Euro eingespart werden könne. Motto: eine „Patientenmilliarde statt einer Funktionärsmilliarde“. Rechnungshofpräsidentin Kraker hat dies als unzutreffend bezeichnet: „Es fehlen transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen.“
  • Gold-plating: Versuch der österreichischen Bundesregierung bis zu 489 nationale Standards auf das Niveau der EU-Mindestvorgaben zu senken und damit (de facto) zu verschlechtern.
  • konzentrierte Unterbringung: Innenminister Kickl will Asylwerber „konzentriert an einem Ort halten“, um die Verfahren zu verkürzen. Den Anklang an die „NS-Konzentrationslager“ nimmt er in Kauf, denn das „sei keine Provokation“.
  • Listenhund: Tier einer Hunderasse, die als „Kampfhunde“, „auffällige“ Hunde bzw. als „Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential“ auf der Liste der gefährlichen Hunde steht.
  • Neuer Stil: Schlüsselbegriff der derzeitigen Bundesregierung, mit dem ausgedrückt werden soll, dass sie öffentlich nicht streitet und konsequent arbeitet. „Was wir uns vorgenommen haben, wird zügig umgesetzt“ – selbst wenn es dagegen massiven Widerstand gibt.
  • stichhaltige Gerüchte: Ausspruch von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zu US-Milliardär G. Soros, wonach dieser „Migrantenströme nach Europa unterstütze“. Mit dem Attribut „stichhaltig“ wird versucht, nicht abgesicherte bzw. falsche Annahmen als Fakten zu tarnen. Zugleich schließen sich die Begriffe „stichhaltig“ und „Gerücht“ gegenseitig aus.

Jugendwörter des Jahres 2018

1. Oida

Oba geh! Dieses genuin österreichische Wort wird ja schon seit längerem verwendet, der Umfang seiner Bedeutungen ist jedoch größer geworden und reicht vom erstaunten Ausruf mit verschiedenen Bedeutungen bis hin zu einer wenig verhüllten Drohung. Es ist diese semantische Vielseitigkeit und universelle Einsetzbarkeit in vielen kommunikativen Situationen, die es zu einem echten Jugendwort macht.

Zu seiner Wahl zum Jugendwort des Jahres hat möglicherweise auch der Umstand beigetragen, dass ein junger Mann für die Verwendung des Wortes im Gespräch mit einem Polizisten unverständlicherweise eine Verwaltungsstrafe von 100 Euro aufgebrummt bekam.

2. nice

Ein Superlativwort, das früher verwendete Wörter wie „super“, „klass“, „spitze“, „toll“ usw. ersetzt hat und daher von Kindern und Jugendlichen in allen Situationen eingesetzt wird, wenn etwas „nice“, also „super“ ist.

3. Bellgadse

„Gadse“ ist die lautmalerische Aussprache des Wortes „Katze“. Eine „Bellgadse“ ist eine Katze, die wie ein Hund bellt. Das Kunstwort bezeichnet Hunde als bellende Katzen.

Kandidaten für das österreichischen Jugendwort des Jahres waren:

  • Appler: Eine Person, die mit ihrem Apple-Produkt angibt, also ein Apple-Prahler.
  • Bellgadse: „Gadse“ ist die lautmalerische Aussprache des Wortes Katze. Eine „Bellgadse“ ist eine Katze, die wie ein Hund bellt. Das Kunstwort bezeichnet Hunde als bellende Katzen.
  • fly sein: Wenn man gut drauf ist und dass man selbst relaxed ist.
  • gespidert: Zustand des Display eines Handys, nachdem es zu Bruch gegangen ist.
  • ghosten: Wenn der Dating-Partner das Interesse an jemandem verloren hat, kann es schnell dazu kommen, dass er/sie „ghostet“, d.h. er/sie wird dann in der Dating App unsichtbar.
  • nice: Universelles Füllwort, das überall eingesetzt werden kann und damit unverwüstlich ist.
  • Oida: Urösterreichisches Wort mit zahlreichen Bedeutungen, dessen Verwendung von der Wiener Polizei neuerdings als „Anstandsverletzung“ betrachtet wird.
  • ragequit: In der Gaming-Szene eine besonders aufbrausende Art, ein laufendes Online-Spiel zu verlassen.
  • Selfmord: Durch ein Selfie zu Tode kommen bzw. extrem viele Selfies machen.
  • zuckerbergen: Abgeleitet vom Namen des Gründers von Facebook, Mark Zuckerberg. Jemanden „stalken“, beharrlich verfolgen.

Sprüche des Jahres 2018

1. „Was ist mit Ihnen, Frau Minister!?“

Ungläubige Frage von Matthias Strolz, dem früheren Vorsitzenden der NEOS-Partei, die er im Rahmen einer Parlamentsdiskussion über die Abschaffung des Nichtraucherschutzgesetzes an die Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein richtete, weil diese zuvor die Abschaffung des Nichtraucherschutzes und damit indirekt das gesundheitsschädliche Rauchen verteidigt hatte.

2. „Kein Geheimdienst, der noch bei Trost ist, wird mit Österreich noch Daten austauschen – außer vielleicht den Wetterdienst.“

3. „Kasperl und Pezi sind gerettet!“

Kandidaten für den österreichischen Spruch des Jahres waren:

  • „Frau Minister, was ist mit Ihnen?!“: Emotionale Frage von Matthias Strolz, dem früheren Vorsitzenden der NEOS, an Gesundheitsministerin Hartinger-Klein während der Diskussion des Initiativantrages der Regierung für ein Gesetz, wonach für unbegrenzte Zeit wieder in Lokalen geraucht werden darf.
  • „Mahrer übernimmt!“: Running Gag auf Twitter, wonach ÖVP-Multifunktionär Harald Mahrer, der wegen seiner zahlreichen Posten in der Kritik steht, sogar als „logischer Nachfolger“ für Christian Kern, den zurückgetretenen Vorsitzenden der SPÖ, ins Spiel gebracht wurde.
  • „Kasperl und Pezi sind gerettet!“: Allgemeines Aufatmen, weil Universalkünstler André Heller das Urania-Puppentheater in Wien übernommen hat, das von der Schließung bedroht war, da der Direktor in Pension ging.
  • „Kein Geheimdienst, der noch bei Trost ist, wird mit Österreich noch Daten austauschen – außer vielleicht den Wetterdienst.“: SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer in der Parlamentsdebatte über die BVT-Affäre.

Unsprüche des Jahres 2018

1. „Man kann sicher von 150 Euro im Monat leben.“

Kernaussage des Interviews auf oe24.tv mit Sozialministerin Hartinger-Klein. Man werde trotz der geplanten Kürzung der Mindestsicherung „leben können“, sagte Hartinger-Klein. Auf die Frage des Interviewers, wie man von 150 Euro leben könne, antwortete sie: „Wenn man die Wohnung auch noch bekommt, dann sicher.“ Der Ausspruch hat große Empörung und wochenlange Diskussionen ausgelöst.

2. „Ich habe die Balkanroute geschlossen!“

3. „Wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert hat, ist ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen!“

Kandidaten für den österreichischen Unspruch des Jahres waren:

  • „Genau das Gegenteil ist der Fall!“: Bei manchen Kommentaren auf seiner Social Media Seite sieht sich FPÖ-Vorsitzender Strache wiederholt zu einer Reaktion veranlasst. Strache antwortet darauf oft einleitend: „Genau das Gegenteil ist der Fall!“
  • „Ich habe die Balkanroute geschlossen!“: Behauptung von Bundeskanzler Kurz, die einem Faktencheck nicht standhält, da einige Nachbarstaaten am Balkan und die Türkei dafür verantwortlich waren, dass die Anzahl der Flüchtlinge stark zurückgegangen ist.
  • „Man kann sicher von 150 Euro im Monat leben!“: Kernaussage des Interviews auf oe24.tv mit Sozialministerin Hartinger-Klein. Man werde trotz der geplanten Kürzung der Mindestsicherung „leben können“, sagte Hartinger-Klein. Auf die Bemerkung des Interviewers, „wenn man von 150 Euro leben kann“, antwortete sie: „Wenn man die Wohnung auch noch bekommt, dann sicher.“
  • „Wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert hat, ist ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen.“: In einem Leserbrief ausgedrückte Meinung über Franz Jägerstätter, der aus christlicher Überzeugung während des Nazi-Regimes den Kriegsdienst verweigerte und hingerichtet wurde. Der Leserbrief stammte von Hubert Keyl, kurzzeitiger Kandidat für einen Posten als Bundesverwaltungsrichter und einst enger Mitarbeiter des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ).

Hinweise zur Wahl 2018

Die heurige Wahl fand vom 10.09. bis 02.12.2018 statt. An der Wahl nahmen insgesamt 11.726 Personen teil (Vorwahl: 994, Wahl: 10.732 Teilnehmer), was eine Steigerung von 27 % gegenüber dem Vorjahr darstellt.

Im Rahmen der Vorwahl wurden in den 5 Kategorien insgesamt 2.103 Einsendungen mit 1.213 einzelnen Wörtern und Sprüchen vorgenommen. Aus diesen wählte die Jury am 25.10.2018 jeweils 10 Kandidatenwörter für das Wort / Unwort / Jugendwort und jeweils 4 Kandidatensprüche aus, die ab dem 26.10.2018 zur Wahl gestellt wurden.

Die Jury tagte am 03.12.2018 abermals und bestimmte anhand der Abstimmungsergebnisse die Wörter und Sprüche des Jahres 2018, die am 06.12.2018 via Austria Presse Agentur (APA) bekannt gegeben wurden.

Die Jury besteht aus insgesamt elf Personen. Davon sind neun Mitglieder an den vier Grazer Universitäten tätig. Mit dabei ist weiters ein Vertreter der Nachrichtenagentur APA und eine Vertreterin des Public Relations Verbands Austria (PRVA).

[Text: GSÖD. Quelle: Presseaussendung GSÖD, 2018-12-05.]