Nach dem Europäischen Parlament hat am 15. April 2019 auch der Europäische Rat (von Journalisten gerne „Ministerrat“ genannt) als Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union für eine Reform des Urheberrechts gestimmt. Die im Verlauf mehrerer Jahre ausgearbeitete „Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ ist damit beschlossen und muss nun von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Verwertung geschützter Inhalte nur mit Lizenz und Vergütung
Der VdÜ begrüßt als Verband der Literaturübersetzer diese Entscheidung. Kreative werden seiner Ansicht nach dadurch europaweit gleich auf zweifache Weise gestärkt:
- Gegenüber den Internetplattformen, die jetzt dazu gebracht werden können, urheberrechtlich geschützte Inhalte nur mit Lizenzvereinbarungen und angemessener Vergütung zu nutzen.
- Durch die Stärkung der Vertretungsvollmacht von Verbänden und Gewerkschaften. Ein Verbandsklagerecht tue dringend not.
Reform ermöglicht Verlegerbeteiligung an Ausschüttungen der VG Wort
Darüber hinaus begrüßt der VdÜ ebenso wie der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) die Möglichkeit, dass eine Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Wort jetzt durch nationale Gesetzgebung umgesetzt werden kann.
Der VdÜ hat sich als Berufsverband der Literaturübersetzer im gesamten Gesetzgebungsverfahren der Richtlinie stets für eine solche Möglichkeit der Verlegerbeteiligung aufgrund der gesetzlichen Ansprüche ausgesprochen und hat sich aktiv dafür eingesetzt.
VdÜ-Vorsitzende Patricia Klobusiczky: „Wir freuen uns“
Patricia Klobusiczky ist 1. Vorsitzende des VdÜ. Sie sagt zur nun beschlossenen EU-Urheberrechtsreform:
Wir freuen uns über die Entscheidung des Europäischen Rats. Sie stärkt die Rechte von uns Urheber*innen in verschiedener Weise. Unser Verband hat sich aktiv für die Richtlinie eingesetzt, besonders für die damit verbundene Möglichkeit der Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Wort, die wir für ein Gebot der Fairness halten.
Unseren Mitgliedern ist das nicht leicht zu vermitteln, denn die Übersetzervergütung hält mit dem inflationsbedingten Kaufkraftverlust bei weitem nicht Schritt. Die meisten Verlage ignorieren die vom BGH festgesetzte Vergütung für Literaturübersetzungen. Eine prekäre wirtschaftliche Situation unserer Mitglieder ist die Folge, Altersarmut die Regel.
Darum wenden wir uns heute, am Tag dieser begrüßenswerten Entscheidung, mit einem Appell an Verlage, Börsenverein und Gesetzgeber. Denn Fairness muss auf Gegenseitigkeit beruhen.
Trotz Gesetzesreformen seit 20 Jahren keine angemessene Vergütung
Gleichzeitig weist der Verband in einer Pressemitteilung darauf hin, dass literarische Übersetzer trotz diverser Gesetzesreformen in den vergangenen 20 Jahren auch heute noch nicht angemessen vergütet werden:
- „Die Bedingungen der von unseren Mitgliedern erstrittenen Urteile des BGH zur Übersetzervergütung werden nicht einmal von den seinerzeit verurteilten Verlagen umgesetzt. Überhaupt unterläuft ein großer Teil der Verlage mit als allgemeine Geschäftsbedingungen formulierten Verträgen die gerichtlichen Vorgaben.“
- „Eine übergeordnete Kontrolle dieser AGB als Verband ist uns aus Rechtsgründen bisher verwehrt. Die EU-Richtlinie eröffnet jetzt den Weg zu einem Verbandsklagerecht. Gut so, denn klagende einzelne Übersetzer/innen verlieren ihren Auftraggeber. Zudem verjähren individuelle Ansprüche viel zu schnell.“
- „Unsere Gemeinsame Vergütungsregel für Übersetzungen aus dem Jahr 2014 wird von den Vertragspartnern unserer Mitglieder bei weitem nicht flächendeckend verwendet – immerhin aber von den sechs Verlagen, mit denen sie aufgestellt wurde.“
- „Unsere Honorarumfragen ergeben, dass die vertragliche Grundvergütung (Normseitenhonorar) insgesamt sogar sinkt. Selbst da, wo Übersetzer/innen dem in ihren Verträgen entgegenwirken können, gleicht die Entwicklung der Grundvergütung bei weitem nicht die Inflation aus.“
- „Eine zusätzliche Altersvorsorge ist der Vielzahl unserer Mitglieder schlicht unmöglich. Unsere Rentenansprüche sinken. Altersarmut ist die Regel.“
Eine Verbesserung der vertraglichen Situation belletristischer Übersetzer sei deshalb dringender denn je geboten.
Zur EU-Urheberrechtsreform
Die Reform will das Urheberrecht ans Internet-Zeitalter anpassen und die nationalen Unterschiede verringern. Auf diese Weise soll auch ein fairerer finanzieller Ausgleich zwischen den Urhebern und Verwertern herbeigeführt werden. Letztendlich sollen Künstler und Kreative dadurch für ihre Arbeit besser honoriert werden.
Kritiker befürchten, dass in der gegenwärtigen Form der Bestimmungen eher die Verwerter und weniger die Urheber von den Neuregelungen profitieren werden. Für milliardenschwere Plattformen sei es leichter, die Vorgaben umzusetzen als für kleinere Anbieter, was den Trend zur Bildung von Monopolen fördere.
Besonders großen Widerspruch in der kontrovers geführten Debatte rief die wahrscheinlich unumgängliche Einrichtung von Upload-Filtern hervor. Um Sanktionen zu vermeiden, dürften Plattformen wie YouTube grundsätzlich eher zu viel als zu wenig filtern. Dadurch sei das Internet in seiner bisherigen Form in Gefahr.
Richard Schneider