Theorie der Punkte und Striche: Die Geschichte der deutschen Interpunktionslehre

Theorie der Punkte und Striche
Bild: Universitätsverlag Winter, 3D_Maennchen/Pixabay, Montage: UEPO.de

Eines vorweg: Bei der „Theorie der Punkte und Striche“ handelt es sich nicht um ein Nachschlagewerk zur richtigen Zeichensetzung. Auch der historische Gebrauch von Satzzeichen im Verlauf der Jahrhunderte wird nicht fortlaufend dokumentiert.

Der Autor Karsten Rinas, Dozent für Sprachwissenschaft an der Palacký-Universität im tschechischen Olmütz, beschäftigt sich vielmehr mit der Philosophie der Zeichensetzung – von den theoretischen Grundlagen der Antike bis zur Jetztzeit. Dabei veranschaulicht er deren Abhängigkeit von Strömungen des Zeitgeistes.

Von „Satzkerben“ und „Lärmstangen“

Beim intensiven Quellenstudium hat er interessante, aber wieder in Vergessenheit geratene deutsche Bezeichnungen zutage gefördert, beispielsweise Satzkerbe (Komma), Lärmstange (Ausrufezeichen), Ruh-Zeichen (Gedankenstrich), Schriftscheidung, Verwunderungszeichen und Gänseaugen.

Auch der Schrägstrich, der vielen mit dem Computer aufgewachsenenen Deutschen nur als Slash bekannt ist, existierte schon im Mittelalter und wurde damals als Virgel bezeichnet (vgl. französisch virgule oder italienisch virgola). Die Virgel war der Vorläufer des Kommas und wurde im 18. Jahrhundert von diesem verdrängt.

Im Klappentext heißt es:

Interpunktionsregeln sind eine spezifische Form der Sprachanalyse; sie operieren mit sprachlichen Kategorien (z. B. ‚Text‘, ‚Satz‘), und sie müssen auf Anwendungskontexte bezogen werden (z. B. auf grammatische oder semantische Konstellationen).

In dieser Studie wird die Entwicklung dieser Sprachanalyse im deutschen Sprachraum verfolgt, wobei die antike Lehre als dominierender Ausgangspunkt gewürdigt wird. Besondere Aufmerksamkeit wird der Genese zentraler analytischer Konzepte gewidmet (etwa ‚Rede‘, ‚Periode‘ und ‚Satz‘). Diese Entwicklungen werden im Kontext der allgemeinen Linguistikgeschichte betrachtet.

Zudem wird der Einfluss anderer Disziplinen reflektiert, also Impulse aus Gebieten wie Rhetorik, Stilistik, Poetik, Musiktheorie, Logik und Philosophie. Darüber hinaus werden diese Wandlungen kulturhistorisch verortet. So hat der ‚Geist des Barock‘ in der deutschen Interpunktionslehre ebenso seine Spuren hinterlassen wie der Sturm und Drang oder der Deutsche Idealismus.

Einige Überschriften lauten: Oralität und Literalität, Die Autonomie der Schriftsprache, Erste Schritte zur Syntaktifizierung, Wandel in der Syntaxtheorie: Von der Rede zum Satz, Die Begründung der Standardlehre: Heynatz und Adelung; Konrad Duden und die Interpunktionslehre, Die Interpunktionslehre als Stiefkind der Orthographie, Der schwindende Einfluss des Duden, Interpunktion und Politik, Interpunktion und Geschlecht.

Über den Autor

Karsten Rinas studierte Germanistik, Philosophie und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Köln. 1997 ging er als DAAD-Lektor nach Tschechien. Seit 2006 lehrt er als Dozent für Sprachwissenschaft an der Palacký-Universität in Olomouc/Olmütz.

Bibliografische Angaben

  • Karsten Rinas (2017): Theorie der Punkte und Striche – Die Geschichte der deutschen Interpunktionslehre. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. 492 Seiten, 45,00 Euro, ISBN: 978-3-8253-6800-5.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider.]