Straelener Übersetzerpreis 2020 geht an Hans-Christian Oeser, Förderpreis an André Hansen

Straelener Übersetzerpreis 2020
Die beiden ausgezeichneten Übersetzungen von Hans-Christian Oeser (links) und André Hansen. - Bild: Steidl, Aufbau

Der mit mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW würdigt dieses Jahr herausragende Übersetzungen in die deutsche Sprache.

Der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an den Literaturübersetzer Hans-Christian Oeser (69), der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis an André Hansen (35).

Hans-Christian Oeser für Romanübersetzung und Lebenswerk ausgezeichnet

Hans-Christian Oeser
Hans-Christian Oeser – Bild: Barbara Schaper

Der Straelener Übersetzerpreis 2020 geht an Hans-Christian Oeser für seine, so die Jury, „meisterhafte Übersetzung“ von Sebastian Barrys Roman Tage ohne Ende aus dem Englischen, erschienen 2018 im Steidl Verlag.

Der Preis würdigt zugleich Oesers übersetzerisches Lebenswerk, zu dem u. a. Übersetzungen von Autoren wie Maeve Brennan, Christopher Isherwood und Mark Twain gehören.

In Sebastian Barrys Roman erleben der Erzähler Thomas McNulty, ein irischer Einwanderer, und sein Freund und Partner John Cole als Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg und in den Indianerkriegen exzessive Grausamkeit und existenzielle Verlorenheit. Für diese brutal-poetische Ich-Aussprache, gehalten in einem scheinbar mündlichen Kunstidiom, findet Hans-Christian Oeser in seiner Übersetzung einen dynamischen Stil von großer Musikalität, oszillierend zwischen sarkastischer Lakonie, treffender Härte und zartester Lyrik, der immer wieder Menschlichkeit aufscheinen lässt.

Hans-Christian Oeser, geb. 1950 in Wiesbaden, lebt als Herausgeber und Literaturübersetzer in Dublin und Berlin. Seit Anfang der Achtzigerjahre übersetzt er aus dem Englischen ins Deutsche, unter anderem Werke der Iren Sebastian Barry, Brendan Behan, Maeve Brennan, Anne Enright, Bernard MacLaverty, William Trevor und Oscar Wilde, der Briten Christopher Isherwood, D. H. Lawrence, Ian McEwan, Muriel Spark und Virginia Woolf sowie der Amerikaner Ray Bradbury, Stephen Crane, F. Scott Fitzgerald und Mark Twain.

Darüber hinaus ist Oeser Autor mehrerer Reisebücher über Dublin und Irland, eines Oscar-Wilde-ABCs und einer James-Joyce-Biografie (mit Jürgen Schneider). Insgesamt veröffentlichte er mehr als 200 Buchtitel. 1997 erhielt er den Europäischen Übersetzerpreis Prix Aristeion, 2010 den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis, 2014 den Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis.

Preise fürs Lebenswerk sind steuerfrei

Der Hinweis, dass der Hauptpreis auch für das Lebenswerk vergeben wurde, ist übrigens steuerlich relevant: In Deutschland sind Preisgelder fürs Lebenswerk – ebenso wie Lottogewinne – steuerfrei, Preise für die Übersetzung einzelner Werke müssen hingegen als normale Betriebseinnahme versteuert werden.

Förderpreis für André Hansen

André Hansen
André Hansen – Bild: Marcel Wolf

Der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis 2020 geht an André Hansen (35) für den aus dem französischen übersetzten Roman Zwei Brüder von Mahir Guven (Aufbau Verlag, 2019).

Die Jury überzeugte vor allem seine mutige und einfallsreiche Übertragung umgangssprachlicher Register. In den beiden Erzählstimmen der titelgebenden Brüder mischen sich diverse migrantisch geprägte Substrate, von religiösen Diskursen über Jugendsprache und Taxifahrerjargon bis hin zum Rap. Hansens Übersetzung gibt diese Stimmen glaubwürdig und geschmeidig wieder.

André Hansen, geb. 1985 in Rostock, hat in Mainz, Dijon und Bologna Romanistik und Komparatistik studiert. Bereits im Studium begeisterte er sich für die Thematik des Übersetzens. Erste Aufträge erledigte er im Bereich der Philosophie. Im Jahr 2012 absolvierte er die staatliche Übersetzerprüfung. Seit seiner Teilnahme am Georges-Arthur-Goldschmidt-Programm für junge Literaturübersetzerinnen und -übersetzer 2016 übersetzt er für zahlreiche Verlage Literatur und Sachtexte. Im Herbst 2018 nahm er außerdem mit einem eigenen Romanprojekt an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin teil. Er lebt in Berlin.

Gemeinsam mit Preis der Leipziger Buchmesse höchstdotierter deutscher Übersetzerpreis

Der seit 2001 vergebene Straelener Übersetzerpreis bildet mit seinem Preisgeld von 20.000 Euro für den Hauptpreis gemeinsam mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung die Doppelspitze der höchstdotierten deutschen Übersetzerpreise – mehr geht nicht.

Die normalerweise im Juni stattfindende Übergabezeremonie in Straelen fällt in diesem Jahr wahrscheinlich wegen der Corona-Pandemie aus. Ob die Preisverleihung verschoben oder anderweitig vollzogen wird, ist derzeit noch unklar.

rs, EÜK Straelen, Kunststiftung NRW