Congree Language Technologies übernimmt Saarbrücker IAI Linguistic Content AG

Stefan Kreckwitz
Stefan Kreckwitz ist Geschäftsführer der Congree Language Technologies GmbH. - (Bild: Congree, Montage: UEPO.de).

Die Congree Language Technologies GmbH, Softwarehersteller im Bereich Autorenunterstützung und Content-Optimierung, verstärkt sich mit Team und Assets der IAI Linguistic Content AG.

Dabei handelt es sich aber nicht um die Übernahme eines Konkurrenten, sondern beide Unternehmen sind als Sprösslinge des Saarbrücker Instituts für Angewandte Informationsforschung (IAI) im Grunde seit jeher Geschwister. So heißt es in der Pressemitteilung, dass hier nun „zusammenwächst, was zusammengehört“.

Aus linguistischer Spitzentechnologie Standardsoftware machen

IAI Linguistic Content AG„Wir arbeiteten seit Gründung eng und partnerschaftlich mit Congree zusammen“, sagt Dr. Paul Schmidt, Vorstandsvorsitzender der IAI Linguistic Content AG. „Congree hat eindrucksvoll gezeigt, wie man aus linguistischer Spitzentechnologie eine Standardsoftware macht, die heute bei mehr als 200 Firmen im Einsatz ist. Wir freuen uns, als Teil von Congree unsere Erfahrung von mehr als 35 Jahren Forschung und Entwicklung im Bereich der Sprachtechnologie einzubringen.“

Durch die Zusammenführung der gemeinsamen Kompetenzen kann Congree künftig Weiterentwicklungen des Congree Authoring Servers beschleunigen. Zudem erweitert sich das Portfolio von Congree um Softwarelösungen und Dienstleistungen, die Unternehmen die Möglichkeit geben, ihre sprachlichen Daten mit linguistischer Intelligenz zu optimieren.

Gemeinsames Unternehmen bietet „Mix aus linguistischem Know-how und Software“

Stefan Kreckwitz, CEO der Congree Language Technologies GmbH, sagt zum Zusammenschluss:

„Viele Unternehmen sind durch schlechten Content blockiert. Sprachliche Altdaten behindern den Weg in die Digitalisierung. Das Internet of Things (IoT) erfordert Metadaten, die nicht vorhanden sind. Und Mitarbeiter verbringen einen hohen Anteil der Arbeitszeit mit der vergeblichen Suche nach Informationen. Wir sind nun mit einem einzigartigen Mix aus linguistischem Know-how und Software bestens dafür aufgestellt, Unternehmen bei den sprachlichen Herausforderungen von Digitalisierung und IoT zu helfen.“

Standort Saarbrücken bleibt bestehen

Der Standort Saarbrücken bleibt mit allen Mitarbeitern bestehen. Neben Karlsruhe und San Francisco ist Saarbrücken damit nun der dritte Congree-Standort.

Dr. Paul Schmidt
tekom-Jahrestagung 2018: Dr. Paul Schmidt erläutert Interessenten die Lösungen der IAI Linguistic Content AG zur Metadatengenerierung und Bereinigung sprachlicher Altdaten. – Bild: IAILC

Geschichte der IAI Linguistic Content AG

Die IAI Linguistic Content AG wurde im Dezember 2014 von Mitarbeitern des Instituts für Angewandte Informationsforschung (IAI) der Universität des Saarlandes in Saarbrücken gegründet.

Das IAI hat seit 1985 als Institut der Universität den Auftrag, Wissens- und Technologietransfer im Bereich der Informationsforschung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Im Lauf seiner 30-jährigen Geschichte hat das IAI über 30 nationale und internationale Förderprojekte im Bereich Sprachtechnologie durchgeführt und einen Teil der resultierenden Forschungsergebnisse in industrielle Anwendungen zur Sprachverarbeitung eingebracht.

Das Institut ist hauptsächlich in vier Forschungsbereichen tätig:

  • Maschinelle Übersetzung (z. B. PRESEMT)
  • eLearning und Fremdsprachen (z. B. Uni-Deutsch)
  • Inhaltserschließung (z. B. WISSMER )
  • Technische Dokumentation (z. B. TETRIS )

Aus den umgesetzten Projekten sind industrielle Anwendungen hervorgegangen wie das Sprachkontrollwerkzeug Duden Korrektor und die Software zur Sprachqualitätssicherung CLAT, die auch in der Autorenunterstützung der Congree Language Technologies enthalten ist.

Ein weiteres Softwaresystem, das seinen Weg in die Anwendung gefunden hat, ist AUTINDEX, das zur Verschlagwortung und zur inhaltlichen Erschließung von Dokumentbeständen dient. AUTINDEX wird v. a. bei Anbietern qualitativ hochwertiger Informationen eingesetzt.

Auf dieser langen Tradition setzt die IAI Linguistic Content AG auf und nutzt die entstandenen Software- und Analysekomponenten sowie die Expertise der Mitarbeiter für neue, innovative Anwendungen im Bereich Sprachtechnologie. Dabei steht der Kundennutzen durch einfache Abwicklung der Dienstleistungen im Mittelpunkt.

Universität des Saarlandes
Eine Erfolgsgeschichte: Die Computerlinguistik an der Universität des Saarlandes und das ebenfalls auf dem Campus angesiedelte Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das in Saarbrücken einen seiner wichtigsten Standorte unterhält. – Bild: Oliver Dietze / UdS

Geschichte des Instituts für Angewandte Informationsforschung (IAI)

Die Verarbeitung von sprachlichen Daten an der Universität des Saarlandes hat eine lange Geschichte: sie reicht zurück bis in die späten 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, als das erste maschinenlesbare Wörterbuch des Deutschen zur Analyse von Texten geschaffen wurde (SADAW = Saarbrücker Deutsches Analysewörterbuch, SATAN = Saarbrücker Textanalyse).

Der Pionier Hans Eggers und sein Schüler Harald Zimmermann (der später der Gründungsdirektor des IAI werden sollte), waren von diesem Problem so fasziniert, dass sie ihm ihr Leben widmeten. Hans Eggers steht dabei für das wissenschaftliche Interesse an einer Entwicklung von Algorithmen, die das sprachliche Denken modellieren sollten, Harald Zimmermann für das praktische Interesse, „Programme zur automatischen Sprachanalyse (und später: zur maschinellen Übersetzung) zu entwickeln, die in der Lage sind, diesbezügliche menschliche Arbeiten zu entlasten oder – wie wir glaubten – zunehmend auch ersetzen zu können.“

Seine Initiative war es auch, die zur Gründung von GFAI und IAI im Jahre 1985/86 führte. Saarländische Institutionen und Firmen gründeten die GFAI (Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Informationsforschung e. V.) als gemeinnützigen Verein, der als ausführende Stelle das IAI einsetzte. Ein Kooperationsvertrag mit der Universität des Saarlandes regelte die Einrichtung des IAI als eines der ersten An-Institute in der Bundesrepublik. Das IAI übernahm an Stelle der Universität den EU-Auftrag für die deutsche Komponente des Projekts EUROTRA zur Maschinellen Übersetzung. Harald Zimmermann holte dann Johann Haller als Projektleiter in das IAI, der ihm 1990 nach der Berufung als Professor an die Universität des Saarlandes in das Direktorium des IAI folgte.

Daneben war das EUROTRA-Projekt auch der Katalysator für die Einrichtung der allgemeinen Computerlinguistik an der Universität, die heute mit fünf Lehrstühlen zu den wichtigsten der Bundesrepublik gehört und ihrerseits an Einrichtung und Forschungstätigkeit im DFKI (dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) eine wichtige Rolle spielt.

Das IAI konnte in den EUROTRA-Jahren und bis Ende des Jahrtausends mit anderen linguistischen EU-Projekten einen großen Fundus an sprachlichen Materialien sowie reichlich Erfahrung in der Konstruktion von Wörterbüchern und Grammatiken erwerben. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Computer rückte dann auch der praktische Einsatz näher. Zunächst waren es wieder weitsichtige Pioniere aus Industrieunternehmen und Förderinstitutionen (z. B. bei EDS, BMW, den Projektträgern der GID (später GMD bzw. DLR)), die einzelne Anwendungen in der Sprach- und Terminologiekontrolle und der Maschinellen Übersetzung mit dem IAI betrieben.

Erfolgreiche Praxisanwendung Duden Korrektor

Einen wichtigen Durchbruch brachte die Kooperation mit dem Dudenverlag, der Anfang des neuen Jahrtausends zur ersten Version des Duden Korrektors (damals noch Sprachassistent) führen sollte. Im Laufe der Jahre gewann dieses Produkt eine Reihe von Preisen sowie alle Vergleichswettbewerbe mit anderen Korrekturwerkzeugen.

Zusammenarbeit mit der Industrie

Gestützt auf den gestiegenen Bekanntheitsgrad und die gewonnenen Erfahrungen, konnte sich das IAI auch mit dem neuen Werkzeug CLAT (Controlled Language Authoring Tool) bei industriellen Anwendern durchsetzen. Alle Unternehmen der deutschen Automobilindustrie – von BMW über Porsche bis Volkswagen – benutzen dieses Werkzeug heute zur Qualitätssicherung und Kosteneinsparung. Auch andere Industrieunternehmen wie die Heidelberger Druckmaschinen AG als weltgrößter Hersteller von Druckmaschinen sowie mehrere Unternehmensbereiche bei Siemens vertrauen auf die vom IAI gelieferte Software. SUN Microsystems verwendet eine spezielle Version für englische Texte (SunProof).

Daneben ist ein zweites Werkzeug zum Knowledge Management und zur Automatischen Indexierung im Einsatz. AUTINDEX wird bei Bibliotheken, großen Organisationen und Datenbanken zum automatischen Abgleich von Texten mit Schlagwortlisten, Thesauri und Ontologien verwendet. Spezialversionen für Verlage erzeugen automatische Stichwortverzeichnisse.

Zwanzig Mitarbeiter, viele davon inzwischen promoviert und mit einer langjährigen Erfahrung ausgestattet, garantieren heute erstklassige Qualität in der Sprachprüfung, beim Extrahieren und Validieren von Terminologie sowie im Wissensmanagement. Auch nationale und EU-Förderprojekte werden von den Spezialisten mit Erfolg immer wieder eingeworben.

Trennung von Forschung und industrieller Anwendung

2010 hat das IAI seine Sprachprüfsoftware in ein Joint Venture – die Firma Congree – eingebracht und damit einen ersten Schritt getan, Forschungsaktivitäten und kommerzielle Aktivitäten zu trennen. Dieser Schritt wurde vollständig im Jahre 2014 vollzogen, als Mitarbeiter die IAI Linguistic Content AG gründeten.

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