Gebärdensprachdolmetschen: In Innsbruck startet erster österreichischer FH-Bachelor-Studiengang

Innsbruck FH-Studiengang Gebärdensprachdolmetschen
Sie freuen sich über den ersten Bachelor-Studiengang in Gebärdensprachdolmetschen an einer Fachhochschule in Österreich: Monika Mück-Egg (Gehörlosenverband Tirol), Landesrätin Gabriele Fischer, Elisabeth Greil (Studiengangsleiterin), Landesrat Bernhard Tilg und Walter Draxl (Rektor der fh gesundheit). - Bild: Land Tirol

Kommunikationsprobleme zwischen Gehörlosen und Hörenden führen oftmals zum Ausschluss aus vielen Bereichen des täglichen Lebens, die für hörende Menschen selbstverständlich erscheinen.

Damit gehörlose Mitmenschen ohne Kommunikationsbarrieren als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft an Aktivitäten in sämtlichen Lebensbereichen teilnehmen können, braucht es eine sensible Unterstützung durch Gebärdensprachdolmetscher.

Nach einem einjährigen Akkreditierungsverfahren wurde der FH-Bachelor-Studiengang Gebärdensprachdolmetschen von der zuständigen Behörde, AQ Austria in Wien, an der fh gesundheit in Innsbruck zugelassen. Bereits im Oktober 2020 nehmen erstmals in Österreich 24 Studierende die Bachelorausbildung in der Gebärdensprache auf.

In Tirol kommen 10 Gebärdensprachdolmetscher auf 750 Gehörlose

Mit dem sechssemestrigen Bachelor-Studium wird der bundesweiten, aber auch starken Nachfrage in Tirol nach einer Ausbildung auf Fachhochschulniveau begegnet. Alleine in Tirol leben derzeit rund 750 Gehörlose, die von lediglich zehn Dolmetschern betreut werden. Der Bedarf ist damit weiterhin groß.

„Gebärdensprachdolmetscher sind aus dem täglichen Leben von gehörlosen Menschen nicht mehr wegzudenken. Sie helfen Betroffenen ihren Ausbildungsalltag, ihr Arbeitsleben oder die gesundheitliche Versorgung noch besser zu bewältigen. Diese Experten der Kommunikation zwischen hörenden und gehörlosen Menschen heben mit ihren Kenntnissen Sprachbarrieren auf“, halten Wissenschaftslandesrat Bernhard Tilg und Soziallandesrätin Gabriele Fischer fest: „Unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Elterngespräch an der Schule des hörenden Kindes, eines gehörlosen Elternteils oder einen Arzttermin handelt.“

„Hohe Priorität, um Mangelsituation entgegenzuwirken“

„Gebärdensprachdolmetscher werden überall dort dringend benötigt, wo gehörlose Menschen auf Hörende treffen. Da ein dringender Bedarf in Westösterreich gegeben ist, war die Sicherstellung der Finanzierung eines FH-Bachelor-Studiengangs seitens des Landes Tirol in Kooperation mit der fh gesundheit von hoher Priorität, um dieser Mangelsituation entgegenzuwirken“, bekräftigt Bernhard Tilg, in der Landesregierung zuständig für Gesundheit und Wissenschaft.

„Die UN-Behindertenrechtskonvention hat Inklusion zum Menschenrecht erklärt. Menschen mit Behinderung müssen sich demnach nicht an das Umfeld anpassen, dieses muss vielmehr so ausgestaltet sein, dass alle Menschen gleichberechtigt leben und an der Gesellschaft teilhaben können. Dazu wird durch gut ausgebildete Gebärdensprachdolmetscher ein Beitrag geleistet“, umschreibt Soziallandesrätin Fischer das neue Angebot.

Pressekonferenz Gebärdensprachdolmetschen FH Innsbruck
Das neue Studienangebot wurde auf einer Pressekonferenz vorgestellt – mit Gebärdendolmetscherin Claudia Bair. – Bild: Land Tirol

Praxisnahe Ausbildung auf Hochschulniveau

„Mit viel Engagement ist es uns gelungen, durch einen innovativen Antrag und ein ausgereiftes Curriculum die Gutachter und damit AQ Austria davon zu überzeugen, dass wir ab Herbst das wichtige und dringend notwendige Studium in Gebärdensprachdolmetschen anbieten können“, ergänzt Walter Draxl, FH-Rektor der fh gesundheit. Die Finanzierung des Bachelor-Studiengangs für diese gesellschaftlich wertvolle Berufsgruppe konnte durch eine Förderungszusage seitens des Landes Tirol in Höhe von jährlich 200.000 Euro gesichert werden.

Elisabeth Greil, Studiengangsleiterin an der fh gesundheit: „Der Beruf des Gebärdensprachdolmetschers ist eine vielfältige und sehr abwechslungsreiche Tätigkeit. Und genau deshalb ist es umso wichtiger, zukünftige Dolmetscher praxisnah und auf Hochschulniveau auszubilden. Diesen Anforderungen an eine professionelle Ausbildung wird die fh gesundheit perfekt gerecht – mit dem neuen BA-Studiengang Gebärdensprachdolmetschen.“

Monika Mück-Egg vom Gehörlosenverband Tirol informiert: „Durch dieses Bachelorstudium werden in drei Jahren weit mehr Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung stehen. Dadurch besteht dann für gehörlose Kunden endlich eine Wahlfreiheit und für Termine bei Ärzten, Ämtern oder beruflicher Belange können Dolmetscher rascher, ohne lange Wartezeit in Anspruch genommen werden.“

Sechssemestriges Studium für österreichische Gebärdensprache

Während des sechssemestrigen Studiums eignen sich die Studierenden übersetzerisches Fachwissen in der österreichischen Gebärdensprache für die zentralen Lebensbereiche Arbeit, Bildung und Gesundheit an. Außerdem zählen Behördengänge und politische Settings zum abwechslungsreichen Tätigkeitsfeld.

Das erforderliche Hintergrundwissen zu den Besonderheiten der Gehörlosenkultur und -gemeinschaft vermitteln entsprechende Lehrveranstaltungen. Auch der Datenschutz und der Umgang mit Videoprogrammen sind Thema der Ausbildung.

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Robert Schwarz / Land Tirol