Österreichischer Staatspreis für literarische Übersetzung geht an Iva Ivanova und Erna Pfeiffer

Wappen Österreich
Wappen der Republik Österreich - Bild: gemeinfrei

Die Preisträger des Österreichischen Staatspreises für literarische Übersetzung 2020 stehen fest: Ausgezeichnet werden die Germanistin Iva Ivanova (68) und die Romanistin (und Diplom-Dolmetscherin) Erna Pfeiffer (67) mit jeweils 10.000 Euro. Es handelt es sich um die höchstdotierten Übersetzerpreise Österreichs.

Die Übergabe soll im kommenden Jahr in noch nicht festgelegter Form erfolgen. Üblicherweise werden die Preise im Rahmen einer Feierstunde mit geladenen Gästen im Literaturhaus Wien übergeben, aber in Pandemiezeiten gilt bekanntlich die Devise „nix is fix“.

„Schöpferinnen literarischer Doppelgänger“

Andrea Mayer
Andrea Mayer – Bild: BMKÖS

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer gratuliert den Preisträgerinnen und betont die Unverzichtbarkeit dieser Profession: „Selbst Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, sind auf Übersetzerinnen und Übersetzer angewiesen. Auch wer fremdsprachige Literatur kennenlernen möchte, kann auf sie nicht verzichten.“

Mayer weiter:

Ohne Übersetzerinnen und Übersetzer wäre ein weltweiter Wissens-, Kultur- und Literaturtransfer nicht möglich. Ohne sie gäbe es nicht den breiten Zugang zur Weltliteratur, der für uns so selbstverständlich ist.

Iva Ivanova und Erna Pfeiffer sind Schöpferinnen literarischer Doppelgänger. Sie sind Meisterinnen der schönen Kunst der literarischen Wiederholung. Ich gratuliere den Ausgezeichneten von ganzem Herzen.

Ehemalige Deutschlehrerin Ivanova übersetzt seit 38 Jahren ins Bulgarische

Iva Ivanova, geboren 1952 in Samokov (Bulgarien), studierte Germanistik in Sofia. Nach dem Abschluss des Studiums unterrichtete sie mehrere Jahre als Deutschlehrerin an verschiedenen Sofioter Gymnasien.

Seit 1982 arbeitet sie als freiberufliche Übersetzerin. Bekannt ist sie für ihre Übersetzungen aus dem Deutschen, u. a. Franz Kafka, Stefan Zweig, Elias Canetti, Max Frisch, Lion Feuchtwanger, Juli Zeh und Alex Capus.

Von Klassikern wie Kafka bis hin zu Debutpublikationen unbekannter Autoren

Zur Begründung der Wahl Ivanovas schreibt der Beirat:

Iva Ivanova
Iva Ivanova – Bild: privat

Die bulgarische Germanistin Iva Ivanova ist die diesjährige Trägerin des Staatspreises für literarische Übersetzung aus dem Deutschen in eine Fremdsprache (Bulgarisch). Die zweifache Trägerin des Großen Jahrespreises des Bulgarischen Übersetzerverbandes (1985, 2012) hat sich in den letzten dreißig Jahren mit Übertragungen emblematischer Prosawerke, Essays und Briefwechselsammlungen von Repräsentanten der neueren deutschen Literatur aus Österreich(-Ungarn) wie Franz Kafka, Stefan Zweig und Elias Canetti, aber auch aus der Schweiz (Max Frisch) und Deutschland (Lion Feuchtwanger) einen Namen gemacht.

Ein weiteres Profil ihrer Tätigkeit besteht in der Auswahl und Übersetzung von Schlüsselwerken der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur, insbesondere von prämierten Debutpublikationen talentierter junger Autorinnen und Autoren, deren Texte durch Ivanovas Engagement für den Kulturtransfer ihren ersten Durchbruch vor einem fremdsprachigen Publikum erfahren.

Besonders hervorgehoben hat die Jury die Fähigkeit Ivanovas, durch die souveräne Wiedergabe der Originaltexte in der Zielsprache der semantischen Vielschichtigkeit der Vorlagen getreu zu bleiben, zugleich aber auch die feinsten Schattierungen ihrer Form beizubehalten und somit die intellektuellen und ästhetischen Komponenten ihrer Wahrnehmung mit der Fülle ihrer emotionalen Wirkung untrennbar zu verbinden.

Pfeiffer: Dozentin, Übersetzerin, Herausgeberin mit Leidenschaft fürs Spanische

Erna Pfeiffer, geboren 1953 in Graz, hat Studien aus Romanistik, Slawistik sowie Dolmetschen und Übersetzen aus Spanisch und Russisch absolviert, und zwar in Graz, am Instituto Caro y Cuervo in Bogotá (Kolumbien) und an der Hochschule St. Gallen (Schweiz). Von 1997 bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand 2014 war sie Außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Romanistik der Karl-Franzens-Universität Graz.

Als literarische Übersetzerin hat sie zahlreiche Bücher aus dem Spanischen ins Deutsche übertragen, darunter Benito Pérez Galdós, Miguel de Unamuno, Gioconda Belli, Carmen Boullosa, Luisa Valenzuela, Alicia Kozameh, Luisa Futoransky sowie Susana Szwarc.

Als Herausgeberin hat sie mehrere Anthologien mit Texten und Interviews zeitgenössischer lateinamerikanischer Autorinnen und Autoren publiziert.

Keine Quereinsteigerin, sondern Diplom-Dolmetscherin

Erna Pfeiffer
Erna Pfeiffer – Bild: privat

Pfeiffer ist keine Quereinsteigerin in die Übersetzerei. Sie hat in den 1970er Jahren am damaligen Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung (IÜD) der Universität Graz studiert und die Fachprüfung für Übersetzer sowie die Diplomprüfung für Dolmetscher (Spanisch) abgelegt.

Später hat sie für einige Jahre an derselben Einrichtung auch unterrichtet, die heute als Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (ITAT) bekannt ist.

„Literaturvermittlerin im besten Sinn“

Zur Wahl Pfeiffers erläutert die Jury:

Erna Pfeiffer, emeritierte Professorin für Romanistik an der Universität Graz und bereits mehrfach für ihre Übersetzungen ausgezeichnet, erhält den diesjährigen Staatspreis für literarische Übersetzung aus einer Fremdsprache (Spanisch) ins Deutsche.

Ihr reiches übersetzerisches Oeuvre umfasst Prosawerke sowie Essays und Lyrik iberoamerikanischer Autorinnen und Autoren wie Carmen Boullosa, Gioconda Belli, Luisa Valenzuela, Alicia Kozameh, Luisa Futoransky, Benito Pérez Galdós oder Miguel de Unamuno, die sie mit höchster Sensibilität und sprachschöpferischer Kraft für ein deutschsprachiges Lesepublikum erschlossen hat.

Als Übersetzerin vieler bislang unentdeckter Autorinnen und als Herausgeberin und Organisatorin literarischer Events ist Erna Pfeiffer Literaturvermittlerin im besten Sinn.

Zweimal 10.000 Euro aus der Staatskasse

Der Österreichische Staatspreis für literarische Übersetzung wird jährlich vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport vergeben und ist zweigeteilt: Ein Teil wird für die hervorragende Übersetzung österreichischer Literatur in eine Fremdsprache zuerkannt, der zweite für die hervorragende Übersetzung fremdsprachiger Literatur ins Deutsche. Die Preise sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert.

Die Nominierung der beiden Preisträgerinnen erfolgt durch den Beirat für literarische Übersetzung, dem derzeit Mag. Ute Eisinger, Dr. Waltraud Kolb, DDr. Michael Rössner, Dr. Velizar Sadovski und Dr. Monica Wenusch angehören.

Heike Warmuth / BMKÖS