JVEG-Novellierung abgeschlossen: Künftig 85 € pro Stunde, 1,80 € pro Zeile, 0,42 € pro Kilometer

Bundestag
Blick durch die transparente Kuppel in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags. - Bild: CocoParisienne / Pixabay

Der Deutsche Bundestag hat am 27. November 2020 das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 verabschiedet. Damit werden eine Vielzahl von Anpassungen des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts angestoßen, zu denen auch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) gehört.

Im JVEG werden die Honorare der Gerichtsdolmetscher und -übersetzer gesetzlich festgeschrieben. Die bisherigen Honorarsätze galten seit 2013. Die jetzt beschlossenen neuen Sätze treten am 1. Januar 2021 in Kraft und werden voraussichtlich ebenfalls für sieben bis zehn Jahre unverändert bleiben.

Die Änderungen im Überblick

  • Stundensatz, JVEG § 9 „Honorare für Sachverständige und für Dolmetscher“, (5):
    Der Stundensatz von Gerichtsdolmetschern wird von 70,00/75,00 Euro (konsekutiv/simultan) auf einheitlich 85,00 Euro angehoben.
  • Zeilensatz:
    Der Zeilensatz für Übersetzungen steigt von 1,55/1,75/1,85/2,05 Euro auf 1,80/1,95/1,95/2,10 Euro.
    JVEG § 11 „Honorar für Übersetzungen“ im neuen Wortlaut:
    „Das Honorar für eine Übersetzung beträgt 1,80 Euro für jeweils angefangene 55 Anschläge des schriftlichen Textes, wenn der Text dem Übersetzer in editierbarer elektronischer Form zur Verfügung gestellt wird (Grundhonorar). Andernfalls beträgt das Honorar 1,95 Euro für jeweils angefangene 55 Anschläge (erhöhtes Honorar). Ist die Übersetzung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls besonders erschwert, insbesondere wegen der häufigen Verwendung von Fachausdrücken, der schweren Lesbarkeit des Textes, einer besonderen Eilbedürftigkeit oder weil es sich um eine in der Bundesrepublik Deutschland selten vorkommende Fremdsprache handelt, so beträgt das Grundhonorar 1,95 Euro und das erhöhte Honorar 2,10 Euro.“
  • Nacht- und Wochenendzuschlag von 20 %, JVEG § 9 (6), neu eingeführt:
    „Erbringt der Sachverständige oder der Dolmetscher seine Leistung zwischen 23 und 6 Uhr oder an Sonn- oder Feiertagen, so erhöht sich das Honorar um 20 Prozent, wenn die heranziehende Stelle feststellt, dass es notwendig ist, die Leistung zu dieser Zeit zu erbringen.“
  • Fahrtkostenersatz, JVEG § 5 (2) 2.:
    Bei der Fahrt zum Gericht mit dem eigenen Auto können statt bisher 0,30 Euro ab nächstes Jahr 0,42 Euro pro Kilometer bei der Fahrtkostenerstattung zugrundegelegt werden.

JVEG-Honorarsätze dienen auch außerhalb der Justiz als Referenz

In der bundesweiten Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank der Gerichte werden zurzeit 24.997 Personen aufgeführt (November 2020). Die Gesamtzahl der in Deutschland arbeitenden Berufssprachmittler (ohne Laiendolmetscher) wird auf 40.000 bis 45.000 geschätzt. Die im JVEG festgelegten Sätze gelten also nur für ungefähr die Hälfte der Berufsgruppe. Die andere Hälfte könnte sagen: Was geht mich das an?

Da das JVEG die einzige gesetzlich festgelegte Preisliste für unsere Berufsgruppe ist, dienen die Honorarsätze als Referenz sowie als Richt- und Vergleichswert auch über den Bereich der Justiz hinaus. Wer Schwierigkeiten hat, die eigenen Honorarvorstellungen in der Wirtschaft durchzusetzen, kann Kunden auf das JVEG verweisen und dessen Honorarsätze als Argumentationshilfe verwenden.

CDU/CSU: Dolmetscher besonders wichtige Helfer der Gerichte

In einer der letzten vorangegangenen Sitzungen des Rechtsausschusses erklärte die CDU/CSU, dass Dolmetscher (und Sachverständige) besonders wichtige Helfer der Gerichte seien und mit ihrer Arbeit „eine qualitativ hochwertige Rechtspflege“ ermöglichten. „Sie bedürfen einer angemessenen Vergütung.“

Die Fraktion der CDU/CSU habe sich für eine noch weitergehende Erhöhung der Vergütungen nach dem JVEG eingesetzt, nämlich für einen Stundensatz von 90 Euro. Dagegen habe es im Bundesrat jedoch Widerstand gegeben.

Wichtig sei letztlich, dass das Gesetz am 1. Januar 2021 in Kraft treten könne. In Zukunft solle es zu einer regelmäßigeren Anpassung der Gebühren kommen.

FDP mit Antrag auf Indexierung der Honorarsätze gescheitert

Die Fraktion der Freien Demokraten hatte kurzfristig noch einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Einführung einer Indexierung vorschlug. Dies hätte eine regelmäßige, gewissermaßen automatische Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren sowie der Honorare der Sachverständigen und Dolmetscher durch Ankoppelung an einen „sachgerechten Index“ (Verbraucherpreisindex, Inflationsrate oder Ähnliches) zur Folge gehabt. Die FDP argumentiert:

Es ist wichtig, dass nach Jahren nun endlich eine Anpassung der Gebühren an die aktuelle Lohnentwicklung stattfindet. Dennoch ist die Notwendigkeit eines erneuten gesetzgeberischen Tätigwerdens bereits jetzt absehbar.

Während andere Berufsgruppen ihre Preise für Produkte oder Dienstleistungen eigenständig erhöhen können, sind nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auf einen langwierigen politischen Willensbildungsprozess angewiesen. […]

Eine gelegentliche, punktuelle Erhöhung ihrer Gebühren erfolgte bislang nur alle acht bis zehn Jahre (zuletzt 1986, 1994, 2004, 2013 und nun 2021). Eine – mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weiterverfolgte – unregelmäßige Anpassung kann die Lücke in der Einkommensentwicklung im Vergleich zu den in Deutschland insgesamt erzielten Bruttolöhnen (Entwicklung der Bruttolöhne im Jahr 2014 +4,0 %; im Jahr 2015 +4,2 %; im Jahr 2016 +4,0 %; im Jahr 2017 +4,2 %; im Jahr 2018 +4,8 %; im Jahr 2019 +4,1 %; Quelle: Statistisches Bundesamt) oder dem Bruttolohn eines Richters allenfalls vorübergehend schließen. […]

Eine Vielzahl ausländischer Rechtsordnungen haben die Anwaltsvergütung längst dynamisiert. In den Niederlanden ist ein Index vorgesehen, der aus der Kombination mehrerer gebräuchlicher Indizes gebildet wird. In der Slowakei wird die Rechtsanwaltsvergütung an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt, und in Australien ist eine automatische Erhöhung bestimmter Teilbudgets im Justizhaushalt vorgesehen.

Das belgische Recht sieht zudem eine Dynamisierung der Übersetzer- und Dolmetschervergütung durch Ankoppelung an einen Index vor. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass qualifizierte Sprachmittlerinnen und Sprachmittler dem Justizsektor jederzeit in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Eine sachgerechte Indexierung der Vergütung, die zu einer regelmäßigen und moderaten Anpassung in kurzen zeitlichen Intervallen führt, ist auch hierzulande geboten.

Zustimmung fand der Entschließungsantrag nicht nur bei der FDP, sondern auch bei der Linken und den Grünen. Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD wurde er allerdings abgelehnt. Die AfD enthielt sich der Stimme.

Antrag der Grünen auf Streichung des Rahmenvertragsparagrafen abgelehnt

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte in den Tagen zuvor einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf in den Rechtsausschuss eingebracht. Dieser sah vor, den Paragraf 14 des JVEG ersatzlos zu streichen. Die Justiz hätte dann überhaupt keine Rahmenverträge mehr abschließen können. In dem Antrag heißt es:

Nach § 14 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) in derzeit geltender Fassung kann der Staat mit Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern, die häufiger herangezogen werden, eine Vereinbarung über die zu gewährende Vergütung treffen. Eine solche Vereinbarung soll einerseits der Vereinfachung der Abrechnungspraxis dienen und andererseits dazu beitragen, dass der Sachverständige ohne die Inanspruchnahme der Gerichte schnell zur seiner Vergütung gelangt.

Auch wenn die Zielsetzung der Norm unterstützenswert wäre, so hat sie in der Praxis negative Folgen: Die bisher bekannt gewordenen, im Rahmen von § 14 JVEG geschlossenen Verträge verlangen alle niedrigere Stundensätze und Auslagenpauschalen; höhere Vergütungen als im JVEG vorgesehen dürfen nicht vereinbart werden. Zum anderen müssen alle Aufträge nach den Vertragsvorgaben abgerechnet werden, auch wenn im Einzelfall keine Kostendeckung erreicht werden kann, weil ein besonders schwieriger Fall vorliegt.

Der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach § 14 JVEG hat für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzern insoweit mehr Nachteile als Vorteile. Die bisher bekannt gewordene Praxis bei der vertraglichen Ausgestaltung solcher Vereinbarungen zeigt auch, dass die staatlichen Stellen dieses Rechtsinstitut dazu benutzen, Honorare und Auslagenpauschalen nach unten zu drücken. Berechtigte werden auf diese Weise vertraglich gezwungen, sich mit Stundensätzen, Zeilensätzen und Auslagenpauschalen unterhalb der im Gesetz vorgesehenen Mindestsätze einverstanden zu erklären. Weigern Sie sich, erhalten sie keine Aufträge mehr.

Diese bedenkliche Praxis zum Nachteil der Dolmetscher, Übersetzer und Sachverständigen sollte, wie wird in der einschlägigen Literatur längst gefordert wird, „baldmöglichst vom Gesetzgeber unterbunden“ werden. § 14 JVEG solle bei nächster Gelegenheit „entweder ersatzlos gestrichen werden oder für die Vereinbarung höherer Stundensätze und Auslagenpauschalen geöffnet werden“ (vgl. zu alldem Bleutge, in BeckOK KostR, 31. Ed. 1.9.2020, Kommentierung zu §14 JVEG, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Es gehört zur Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens, die sprachlichen Barrieren für alle Beteiligten aus dem Weg zu räumen und auf fachkundige Expertise von Sachverständigen zurückzugreifen. Nur bei einer angemessenen Vergütung kann auch die Qualität entsprechender Dienstleistungen gesichert werden. Die insgesamt begrüßenswerte Anhebung der Regelsätze darf keinen höheren Anreiz zur Umgehung durch die Nutzung von Rahmenverträgen schaffen. Solche Rahmenverträge nach § 14 JVEG dürfen nicht länger als Druckmittel missbraucht werden, wie so häufig in der Praxis geschehen.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat diesen Änderungsantrag in seiner Sitzung am 25. November 2020 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen AfD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Parlament folgt Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses

Der entscheidenden Abstimmung im Deutschen Bundestag lagen eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses und ein Bericht des Haushaltsausschusses zur Finanzierbarkeit zugrunde. Der Bundestag selbst schreibt in seinem Bericht:

Auch die Honorare von Sachverständigen, Dolmetschern sowie von Übersetzern und die Entschädigungen für ehrenamtliche Richter sowie für Zeugen wurden nun angehoben. Wegen der damit verbundenen höheren Ausgaben des Staates in Rechtssachen werden auch die Gerichtsgebühren erhöht.

Die Erhöhung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung setzt sich laut Regierung zusammen aus strukturellen Verbesserungen im anwaltlichen Vergütungsrecht sowie einer linearen Erhöhung der Gebühren des RVG um zehn Prozent. In sozialrechtlichen Angelegenheiten steigen die Gebühren um weitere zehn Prozent. Die Gerichtsgebühren werden ebenfalls linear um zehn Prozent angehoben.

Die Vergütungssätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes für Sachverständige sowie Sprachmittler werden an die marktüblichen Honorare und die Entschädigungen für ehrenamtliche Richter sowie Zeugen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst.

Nachtrag: Es war nur eine Formalie, aber am 18.12.2020 hat abschließend der Bundesrat den vom Bundestag beschlossenen Regelungen zugestimmt. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt sollen die Änderungen wie geplant zum 01.01.2021 in Kraft treten.

Richard Schneider