In ihrer Neujahrsansprache vom 31.12.2020 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Soloselbstständigen direkt angesprochen:
„Bei vielen […] Soloselbstständigen […] herrschen Unsicherheit – ja, Existenzangst. Die Bundesregierung hat sie in dieser ganz unverschuldeten Notlage nicht alleingelassen. Staatliche Unterstützung in nie dagewesener Höhe hilft. […] Arbeitsplätze können so bewahrt werden.“
Richtig ist, dass die staatlichen Hilfsprogramme wie die Soforthilfe vom Frühjahr 2020 in Höhe von 9.000 Euro pro Kopf erstaunlich schnell und unbürokratisch bereitgestellt wurden.
Bei den meisten Soloselbstständigen – mindestens zwei Drittel der Übersetzer und Dolmetscher sind dieser Kategorie zuzurechnen – kam aber nur ein Bruchteil davon an, weil die Hilfe falsch konzipiert war.
Hilfen konnten nicht für Lebensunterhalt eingesetzt werden
Von einzelnen Bundesländern wie Baden-Württemberg und zum Teil auch Nordrhein-Westfalen abgesehen durfte die Soforthilfe nur für laufende Betriebsausgaben eingesetzt werden, also etwa für Tintenpatronen, Druckerpapier und Porto, aber zum Beispiel nicht für die Neuanschaffung von Computern oder Druckern.
Die Gelder durften ausdrücklich nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts, also etwa für Miete, Krankenkasse und Einkäufe des täglichen Bedarfs ausgegeben werden. Dies sind aber die Bereiche, in denen mangelnde Einnahmen am ehesten zu massiven Problemen mit schwerwiegenden Konsequenzen (Verlust von Versicherungsschutz oder Wohnung) führen können.
Die Vorgabe, dass nur die laufenden Betriebsausgaben eines Dreimonatszeitraums abgedeckt werden können, bedeutet, dass zwei Drittel bis drei Viertel des als Soforthilfe ausgezahlten Pauschalbetrags von 9.000 Euro zurückgezahlt werden müssen.
Für die Rückzahlung werden zwar großzügige Fristen gewährt, in Nordrhein-Westfalen bis September 2021. Wer aber typischerweise 6.000 Euro zurückzuzahlen hat, muss bis September 2021 Monat für Monat 666 Euro für die Schuldentilgung aufbringen.
Das könnte für diejenigen schwierig werden, die den Gesamtbetrag notgedrungen im Lauf des Jahres 2020 vollständig aufgebraucht haben und deren finanzielle Lage nach wie vor so prekär ist, dass eine Rückzahlung innerhalb der vorgesehenen Frist nicht oder nicht vollständig möglich ist.
Letztendlich nur Insolvenzverschleppung?
Im Rückblick hat sich die Soforthilfe als eine Art zinsloses Darlehen erwiesen. Wer durch den ersten Lockdown im März 2020 und den sich anschließenden gesamtwirtschaftlichen Einbruch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, konnte das Jahr damit überleben.
Die 2021 anstehende Rückzahlung dürfte diejenigen, die ihre wirtschaftliche Lage im Lauf der Monate nicht merklich bessern konnten, erneut in die Bredouille bringen. Etliche Soloselbstständige könnten dann gezwungen sein, doch noch Grundsicherung (umgangssprachlich Sozialhilfe/Hartz IV) zu beantragen.
Damit stellt sich die Frage, ob es für viele Betroffene unter Umständen nicht besser gewesen wäre, gleich die so genannte Grundsicherung zu beantragen, statt das Problem durch die Soforthilfe um ein Jahr zu verschieben.
Die Grundsicherung übernimmt die Kosten für Miete, Krankenkasse und gewährt einige Hundert Euro für Lebensmitteleinkäufe. Der entscheidende Vorteil: Sie muss nicht zurückgezahlt werden.
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Richard Schneider