Auch Fledermäuse nutzen Babysprache, wenn sie mit dem Nachwuchs kommunizieren

Sackflügelfledermaus
Mutter-Jungtier-Paar der Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) im Tagesquartier. Das Jungtier (dunkle Fellfarbe) hält sich am Bauch der Mutter (helle Fellfarbe) fest. - Bild: Michael Stifter

Babysprache oder motherese ist ein außergewöhnlicher Fall von sozialer Interaktion zwischen Eltern und Kind und spielt eine entscheidende Rolle beim Spracherwerb von Kleinkindern. Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht wurde, beschreibt zum ersten Mal ein Phänomen in Fledermausrufen, welches der Babysprache beim Menschen ähnelt.

Forscherinnen des Museums für Naturkunde Berlin entdeckten, dass die Weibchen der Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) die Klangfarbe der Stimme veränderten, je nachdem, ob sie ihre Lautäußerungen an ihre Jungtiere oder einen erwachsenen Artgenossen richteten.

Phänomen des kindgerechten Sprechens mit Säuglingen

Wenn Eltern mit ihren Babys sprechen, verwenden sie eine hohe Stimmlage, ein langsameres Sprechtempo und sprechen die Wörter klarer aus; sie sprechen in der sogenannten Babysprache, im Englischen auch motherese genannt. Interessanterweise verändert sich auch konsequent die Klangfarbe der elterlichen Stimme, je nachdem ob Eltern mit ihrem Kind oder einem anderen Erwachsenen sprechen.

Diese spezielle Form von sozialem Feedback spielt für die Sprachentwicklung des Kindes eine wichtige Rolle. Durch die akustischen Merkmale von motherese können Kleinkinder beispielsweise einfacher erkennen, wo ein Wort anfängt und wo es aufhört. Außerdem führt die spezielle Klangfarbe und Tonlage zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit beim Kind.

Allerdings gibt es bisher nur zwei Berichte zu einem vergleichbaren Phänomen im Tierreich, nämlich bei Zebrafinken und bei Totenkopfäffchen. Bei Fledermäusen gab es bisher noch keine Studien zu diesem Thema.

Ahana A. Fernandez
Mit Ultraschall-Richtmikrofon auf der Pirsch: Ahana A. Fernandez vom Berliner Museum für Naturkunde hat seit 2015 mehrere Monate pro Jahr wilde Fledermauspopulationen in Costa Rica und Panama belauscht. – Bild: Michael Stifter

Beobachtung wilder Fledermauskolonien in Mittelamerika

Zwei Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin, Ahana A. Fernandez und Mirjam Knörnschild, untersuchten an Jungtiere gerichtete Lautäußerungen von Weibchen der Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata).

Fernandez beobachtete wilde Fledermauskolonien in Costa Rica und Panama und nahm Lautäußerungen von erwachsenen Weibchen auf. Diese waren entweder an ihre eigenen Jungtiere oder an andere erwachsene Artgenossen gerichtet.

Sie verwendete eine analytische Methode, die ursprünglich für menschliche Stimmerkennung entwickelt wurde, um sogenannte „akustische Merkmale“ einer Stimme zu extrahieren. Diese Merkmale erfassen sowohl gängige akustische Parameter wie zum Beispiel die Tonhöhe, aber auch die Klangfarbe einer Stimme.

Auch Fledermausweibchen ändern Stimmlage, wenn sie mit Jungtieren sprechen

Die Analyse zeigte, dass sich – genau wie beim Menschen – der Klang der Stimme der Fledermausweibchen konsequent veränderte, je nachdem, ob sie sich an ihre Jungtiere oder an erwachsene Artgenossen richteten.

Es ist noch ungeklärt, was die genaue Funktion dieser Jungtier-gerichteten Lautäußerungen ist: Einerseits treten sie auf, wenn Mutter und Jungtier sich nach einer Trennung wieder vereinen. Andererseits werden sie auch produziert, während die Jungtiere damit beschäftigt sind, Lautäußerungen zu üben – ein Verhalten welches dem kanonischen Babbeln von Kleinkindern sehr ähnlich ist.

„Es wäre denkbar, dass diese Jungtier-gerichteten Lautäußerungen eine ähnliche Funktion haben wie motherese bei Kleinkindern: ein allgemeines positives Feedback für Jungtiere während ihrer Babbel-Übungen“, erklärt Fernandez.

Aktueller Hinweis: Einheimische Fledermäuse keine Überträger von SARS-CoV 2

Die Corona-Krise hat inzwischen auch Auswirkungen auf Fledermäuse sowie alle, die sich mit den Tieren beschäftigen. Weltweit gibt es Berichte über eine Verfolgung und Tötung von Fledermäusen, weil sie als Quelle für das neuartige Corona-Virus angesehen werden.

Verschiedene in diesem Bereich tätige Organisationen haben ein Faktenpapier zusammengestellt, das den derzeitigen Stand der Forschung beschreibt. Demnach geht von dem Kontakt zu Fledermäusen keine Gefahr aus.

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Dr. Gesine Steiner / Museum für Naturkunde