Straelener Übersetzerpreis 2021 geht an Helga van Beuningen, Förderpreis an Anna-Nina Kroll

Helga van Beuningen, Anna-Nina Kroll
Helga van Beuningen und Anna-Nina Kroll freuen sich über die hoch dotierte Auszeichnung. - Bild: privat, Anja Kootz

Der Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW wird 2021 der Literaturübersetzerin Helga van Beuningen (75) zugesprochen. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird von der Kunststiftung NRW in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium in Straelen vergeben.

Helga van Beuningen erhält den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis für ihre Übersetzung aus dem Niederländischen von Marieke Lucas Rijnevelds Roman Was man sät, der 2019 im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Der Preis würdigt zugleich van Beuningens übersetzerisches Lebenswerk.

Der Hinweis, dass die Auszeichnung auch für das Lebenswerk vergeben wird, ist steuerlich relevant, weil das Preisgeld damit steuerfrei ist – im Gegensatz zu Ehrungen, die für die Übersetzung eines einzelnen Buchtitels vergeben werden.

Helga van Beuningen: keine Quereinsteigerin, sondern Diplom-Übersetzerin

Helga van Beuningen ist laut Wikipedia eine der produktivsten Übersetzerinnen niederländischer Sachbücher und Belletristik der Gegenwart. Zu den von ihr übertragenen Autoren gehören Cees Nooteboom, Adrianus F. Th. van der Heijden und Margriet de Moor.

Geboren wurde sie 1945 in Obergünzburg im Allgäu. Nach ihrem Abschluss als Diplom-Übersetzerin für Englisch und Niederländisch war sie 15 Jahre Lektorin für Niederländisch an der Universität Heidelberg. Seit 1984 übersetzt sie freiberuflich.

Zu den ihr bisher verliehenen Auszeichnungen gehören der Martinus-Nijhoff-Preis (1992), der Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein (1992), der Helmut M. Braem-Preis (2004) und der Else-Otten-Prijs (2004).

„Bewundernswertes Einfühlungsvermögen“

Zur Begründung schreibt die Jury:

In Was man sät betreten wir eine enge bäuerliche Welt, die durch den Tod des ältesten Sohns aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der 10-jährigen Protagonistin Jas verleiht Helga van Beuningen die Sprache eines Kindes, das seine Umwelt gnadenlos genau wahrnimmt. Die Verwirrung der Kinder, die von den Erwachsenen in ihrer seelischen Not alleingelassen werden, schlägt um in Grausamkeit: Mit einer geradezu furchtlosen Genauigkeit übersetzt Helga van Beuningen die verstörenden Szenen und die oft drastische Metaphorik.

Mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen hat sie den Roman von Marieke Lucas Rijneveld, geboren 1991, glaubwürdig ins Deutsche gebracht.

Anna-Nina Kroll absolvierte Studiengang Literaturübersetzen in Düsseldorf

Den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis 2021 der Kunststiftung NRW erhält Anna-Nina Kroll für den aus dem Englischen übersetzten Roman Milchmann von Anna Burns, die dafür 2018 mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet wurde. Die deutsche Ausgabe erschien 2020 im Tropen Verlag (Klett-Cotta).

Zum Werdegang der Förderpreisträgerin heißt es auf deren Website:

Anna-Nina Kroll, Jahrgang 1988, ist Diplom-Literaturübersetzerin, hat in Düsseldorf und Cádiz studiert und übersetzt seit 2012 Romane, Sach- und Kinderbücher aus dem Englischen. Ihre Übersetzungen sind unter anderem bei Diogenes, Kein & Aber und Klett-Cotta/Tropen erschienen und bereits mehrfach mit Stipendien ausgezeichnet worden. Ihre Heimatstadt Essen verlässt sie gern für kurze Zwischenspiele in anderen Städten und Ländern, kehrt aber hinterher umso lieber zurück. Sie ist Mitglied im Übersetzer*innenverband (VdÜ) und interessiert sich besonders für irische und feministische Literatur sowie Kinderbücher.

„Trifft ausgezeichnet den Ton“, „einfallsreich und stilsicher“

Die Jury schreibt:

Der Roman spielt in einer parabelhaft fiktiven, höchst realistischen Welt des nordirischen Bürgerkriegsalltags. Anna-Nina Kroll trifft in ihrer Übersetzung ausgezeichnet den Ton einer jungen Ich-Erzählerin, die mit viel Witz und sprachlicher Experimentierfreude gegen Terror und Verrohung anredet, gegen die Tabus und die Sprachlosigkeit ihrer Gesellschaft. Die Übersetzerin gestaltet diesen eigenwilligen Redefluss auf den 450 Seiten des Romans einfallsreich und stilsicher.

Jury

Die Jury bestand in diesem Jahr aus Paul Berf, Sieglinde Geisel, Michael Kegler, Christiane Körner und Luis Ruby.

Höchstdotierter deutscher Übersetzerpreis

Der seit 2001 im niederrheinischen Straelen vergebene Straelener Übersetzerpreis ist mit 25.000 Euro der höchstdotierte deutsche Übersetzerpreis. Auf Platz 2 liegt der mit 20.000 Euro ausgestattete Paul-Celan-Preis und auf Rang 3 mit 16.000 Euro der Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung. Bei letzterem erhalten die fünf Nominierten je 1.000 Euro und der Gewinner zusätzlich 15.000 Euro.

Höher dotiert als der Straelener Übersetzerpreis ist im deutschen Sprachraum lediglich das alle zwei Jahre verliehene Zuger Übersetzer-Stipendium mit umgerechnet 46.550 Euro.

Darüber hinaus existieren sechs weitere Preise à 15.000 Euro, einer mit 12.000 Euro und sechs mit 10.000 Euro.

Weiterführender Link

Literaturübersetzer beklagen sich oft über die mangelnde Sichtbarkeit ihres Berufs, unternehmen aber selbst kaum etwas, um dem abzuhelfen. Die meisten sind im Netz nicht auffindbar, sieht man einmal von dem spartanischen Eintrag in der VdÜ-Mitgliederdatenbank ab.

Bei der jüngeren Generation scheint sich dies allmählich zu wandeln. So besitzt die mit dem Förderpreis ausgezeichnete Anna-Nina Kroll eine ansprechende Website, der interessierte Auftraggeber und Medienvertreter alle relevanten Informationen entnehmen können:

EÜK, Richard Schneider