Zurzeit läuft in der Schweiz die traditionelle Radrundfahrt Tour de Suisse (6. bis 13. Juni 2021). Um die Website der Großveranstaltung in drei Sprachen anbieten zu können, bedienen sich die Organisatoren offenbar der maschinellen Übersetzung.
Leider hat man dabei vergessen, die Namen der Radrennfahrer von der Übersetzung auszuschließen, sodass auch die Mannschaftsaufstellung der 23 Teams in vielen Fällen ohne Rücksicht auf Verluste ins Englische und Französische übertragen wurde:
So heißt der Luxemburger Radprofi Jempy Drucker in der englischsprachigen Version der Website Jempy Printer und in der französischen Fassung logischerweise Jempy Imprimante.
Schlimm erwischt hat es auch den Deutschen Christoph Pfingsten. Er mutierte im Englischen zu Christoph Pentecost und nennt sich auf Französisch Christoph Pentecôte.
Als übersetzungsfreundlich erwies sich auch der Nachname von Alex Kirsch, der für das Team Trek-Segafreddo fährt. Briten halten ihn als Alex Cherry womöglich für einen Landsmann. Und der aus Neuseeland angereiste Sportler Connor Brown wird französischsprachigen Lesern als Connor Marron präsentiert.
Das gleiche Bild bei der Tour de Suisse der Frauen
Auf der Website der bereits abgeschlossenen Tour de Suisse der Frauen, die am 5. und 6. Juni 2021 ausgetragen wurde, bietet sich wie zu erwarten das gleiche Bild: Geeignete Nachnamen wie die von Daniela Schwarz, Sandra Weiss, Hannah Buch und Michelle Stark wurden stur ins Englische und Französische übersetzt.
Selbst der Nachname von Desiree Ehrler wurde als Fehlschreibung von „Ehre“ interpretiert. Wer im Sprachenmenü auf Englisch oder Französisch umschaltet, lernt dort eine Desiree Honor bzw. Désirée Honneur kennen. Man beachte, dass dem Vornamen im Französischen die korrekten Akzente verpasst wurden.
Den Nachnamen der niederländischen Radrennfahrerin Lucinda Brand fasst die Software als englische Bezeichnung für „Marke“ auf und übernimmt ihn mit MARQUE Lucinda in die französische Sprachversion.
Auch der schöne Familienname der Kanadierin Callie Swan geht verloren, wird aber durch das nicht minder schöne Cygne ersetzt.
MÜ-Engines sind launisch
Wer sich mit der maschinellen Übersetzung (MÜ) ein wenig auskennt, weiß, dass die Systeme launisch sind. Meist reagieren sie wie erwartet, machmal aber auch nicht, ohne dass die Gründe dafür nachvollziehbar sind.
So wäre es nur folgerichtig gewesen, wenn der oben bereits erwähnte Alex Kirsch als Alex Cerise ins Französische übersetzt worden wäre. Die Software übernahm dort jedoch das englische Cherry. Ebenso wurde Connor Brown zwar mit Marron ins Französische, aber nicht mit Braun ins Deutsche übersetzt. Er behielt im Deutschen seinen ursprünglichen Namen Brown.
Glück hatte Georg Zimmermann: Sein Name blieb – obwohl übersetzungstauglich – unangetastet. Er wurde nicht zu George Carpenter oder Georges Charpentier umgetauft.
Gelegentlich wird der Vorname übersetzt
Bei Maximilian Schachmann blieb zumindest der Nachname verschont. Dafür vergriff sich die MÜ aber am Vornamen. Den französischen Lesern wird er als Maximilien Schachmann vorgestellt. Opfer der Vornamensübersetzung wurden auch Jack (Jacques) Bauer und Stefan (Stéphane) Bissegger sowie bei den Frauen Franziska (Françoise) Brausse und Martina (Martine) Alzini.
Bei dem französischen Radrennfahrer Julian Alaphilippe missfiel der Software der unfranzösische Vorname. Er wurde kurzerhand zu Julien korrigiert und damit selbst in der Muttersprache des Sportlers verfälscht.
Leser können nicht erkennen, welche Namensvariante die richtige ist
Aus der Art der Fehler wird deutlich, dass Deutsch die Ausgangssprache ist, die ins Englische und Französische übersetzt wurde. Für unbedarfte Leser ist allerdings nicht erkennbar, welche der Namensvarianten die ursprüngliche und richtige ist. Denn alle sind korrekt geschrieben und plausibel.
Auch das ist typisch für die von maschineller Übersetzung produzierten Fehler. Sie sind schwierig zu entdecken, weil sie nicht falsch aussehen. Nur wer die Sportler kennt und sich alle Sprachversionen anschaut, bemerkt überhaupt, dass da etwas nicht stimmt.
Die Website ist vor allem als tagesaktuelle Informationsquelle für Medienvertreter gedacht. Es könnte durchaus sein, dass die Fehlübersetzungen bereits in die laufende Berichterstattung im Sportteil von Tageszeitungen eingeflossen sind. Die Verwirrung wäre komplett, sollte einer der nicht existierenden Radprofis Jempy Printer, Christoph Pentecôte oder Alex Cherry den Sieg davontragen.
Zur Ehrenrettung der Schweizer sei darauf hingewiesen, dass sich diese Übersetzungsfehler nur im Menü „Teams“ mit Hintergrundinformationen zu den Mannschaftsaufstellungen finden. Der Nachrichtenbereich mit den tagesaktuellen Ergebnissen scheint nicht davon betroffen zu sein.
Maschinelle Übersetzung gehört in die Hände von Profis
Und so bleibt der Vorfall ein weiterer Beleg für die Erkenntnis, dass die maschinelle Übersetzung hilfreich sein kann, wenn sie von Fachleuten eingesetzt wird und die Ergebnisse genauestens kontrolliert werden.
Man kann und darf über diese Übersetzungsfehler bei der Schweizer Radrundfahrt schmunzeln, aber ob die betroffenen Berufssportler das genauso lustig finden, ist fraglich.
Richard Schneider